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Sa, 14:08 Uhr
04.04.2015

Zeitzeugen: Horst-Dieter Stockhausen

nnz-Leser kennen Horst-Dieter Stockhausen durch seine Gedichte in Nordhäuser Platt. Heute veröffentlicht die nnz seine Erinnerungen an die Apriltage des Jahres 1945...

Luftalarm
Den Luftangriff auf Nordhausen erlebte ich als 7-jähriger. Wir wohnten damals am Neumarkt, dem jetzigen August Bebel Platz. Es waren schon einige Male Bomben in Nordhausen und Umgebung gefallen. So zum Beispiel in der Windlücke, der Halleschen Straße und in der Schützenstraße.( Silberborthstr.)

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Immer häufiger wurde Fliegeralarm gegeben und wir gingen in den Keller. Wir sind sogar nachts bis auf das freie Feld in der hinteren Förstemannstraße gegangen.

Auf dem Neumarkt hatte man begonnen, auf der südwestlichen Ecke einen Feuerlöschteich anzulegen. Ich erinnere mich noch schwach an die „Arbeiter“ in den gestreiften Anzügen, die nur mit Hacke, Schaufel und Schiebekarren die Erdarbeiten ausführen mussten. Es waren Häftlinge, wahrscheinlich aus der Boelcke- Kaserne. Der Erdstoffaushub wurde nicht abtransportiert, sondern seitlich der Grube angeböscht. Dieser Hügel diente uns im Winter als kleine Schlittenbahn. Der Löschteich ist nie fertig geworden, sondern nach dem Krieg wieder verfüllt worden.

Luftangriff
Im Herbst 1944 war ich in die Petersbergschule eingeschult worden. Es war der letzte Ferientag zum Osterfest 1945, am 3. April, als nachmittags wieder einmal Fliegeralarm gegeben wurde. Routinemäßig suchten wir den Keller auf, doch diesmal sollte es anders werden.

Es war der erste Großangriff auf Nordhausen. Unsere Gegend blieb zwar an jenem Tag von den Bomben verschont, doch es gab verschiedene Berichte von Zerstörungen anderer Stadtteile.

Am 4. April sollte der Unterricht an der Schule wieder beginnen, doch meine Eltern hatten Bedenken und das war gut so, denn mein Mutter kam gegen 9 Uhr aus der Stadt zurück und sagte, dass wieder Fliegeralarm sei, die Sirenen aber nicht mehr funktionieren. Da ertönte auch schon das unheilvolle Brummen der Flugzeugmotore, das wir vom Vortag her kannten. Uns blieb kaum Zeit, in den Keller zu gehen, als auch schon die ersten Bomben fielen. Diesmal in ganz unserer Nähe. Ich erinnere mich noch an das laute Poltern und Krachen. Meine Schwester, die über Ostern bei uns zu Besuch war, kannte solche Bombenangriffe von Nürnberg her, wo sie damals ein Technikum besuchte.

Sie lief zwischen den einzelnen Angriffswellen nach oben und holte einige Kleidungsstücke und andere Gegenstände. Durch die Türöffnung oberhalb der Kellertreppe kam immer noch ein schwacher Lichtschein zu uns in den Keller. Plötzlich wurde es jedoch ganz dunkel und die Luft war voller Staub. Wie wir später erfuhren, war unser Nachbarhaus von einer Bombe getroffen worden. Im Rahmen des vorbeugenden Luftschutzes waren damals nicht nur Stahlplatten vor den Kellerfenstern angebracht, sondern auch in die Kellerwände zwischen den einzelnen Gebäuden Durchgangs- Öffnungen geschaffen worden, die provisorisch zugemauert waren. Durch diese Öffnung konnten sich unsere Nachbarn zu uns herüber retten.

Als keine Bombenabwürfe mehr zu hören waren, gingen wir nach oben. Das Hintergebäude war durch einen Bombentreffer stark zerstört. Unsere Wohnung sah wüst aus. Die Fenster waren beschädigt und alles voller Staub.

Auf unser Sofa hatten die Nachbarsleute ihr Kind gelegt, welches den Angriff nicht überlebt hatte. Flugzeuge waren nicht mehr zu hören. Schreck und Panik bewogen wohl meine Eltern, die Stadt zu verlassen. Sie packten in aller Eile ein paar Koffer, luden sie auf unseren Handwagen und wir verließen das Haus.

Der Neumarkt war stark verwüstet. Die Eckgebäude Taschenberg/Neumarkt, Neumarkt/Freiheitstraße und Löbnitzstraße/Kützingstraße brannten. Auf dem Neumarkt fanden wir ein Sofakissen von uns, welches durch den Luftdruck bis auf den Platz geschleudert war.

Die Flucht
Durch die Kützingstaße- Leimbacher Straße verließen wir das brennende Nordhausen. Wahrscheinlich wegen dem Rauch und dem Staub, der über der Stadt lag, hatte ich das Gefühl, als ob dunkle Nacht sei. Über Himmelgarten und ´ Schwarzen Weg ´ erreichten wir Steigertal, wo wir auf dem Saal der Gaststätte auf etwas Stroh untergebracht wurden. Am nächsten Tag zogen wir weiter nach Neustadt und übernachteten dort in einem Klassenzimmer. In Neustadt ließ mein Vater die Ziege schlachten, die meine Schwester unterwegs eingefangen und am Handwagen angebunden hatte. So hatten wir etwas zusätzliche Nahrung.

Von Neustadt aus ging es weiter nach Benneckenstein. Das sah so aus: Meine Mutter und meine Schwester zogen den Handwagen. Mein Vater, er hatte seit dem 1. Weltkrieg eine Beinprothese, schob hinten am Wagen und ich durfte mich, wenn es bergab ging, auf den Wagen setzen.

In Benneckenstein bekamen meine Eltern und ich eine Dachkammer bei einer Arztfamilie (Arnold) in der Nähe des Postamtes zugewiesen, meine Schwester kam bei der Familie eines Fleischermeisters unter, den mein Vater im Rahmen der Kriegsversehrtenbetreung im Lazarett betreut hatte.

Aber auch in Benneckenstein war für uns der Krieg noch nicht zu Ende. So wurde mein Vater einmal von Tieffliegern beschossen, als er auf dem Hof für die Arztfamilie Holz hackte. Zum Glück wurde er aber nicht getroffen. Wir erlebten auch noch zwei Artillerieangriffe, vor denen wir im Keller der Post Zuflucht suchten. Ich entsinne mich, auf den eingelagerten Kartoffeln gelegen und geschlafen zu haben.

Von Benneckenstein aus sahen wir den Feuerschein der Bombardierung Halberstadts und auch das brennende Brockenhotel. Dann kamen die Amerikaner.

Die Heimkehr
Zusammen mit noch einer Nordhäuser Familie betrieb mein Vater die Rückkehr nach Nordhausen, die dann auch von den Amerikanern Ende April genehmigt wurde. Gemeinsam zogen wir mit unseren Handwagen los.

Am Jägerfleck sahen wir noch die Spuren der Kampfhandlungen, die wenige Tage zuvor dort stattgefunden hatten. Zerstörte Fahrzeuge und weggeworfenes Gerät lag überall herum. An vielen Bäumen waren kleine weiße Päckchen angebracht, die ich auf ´ keinen Fall !´ anfassen durfte. Es handelte sich um nicht gezündete Sprengladungen für Straßensperren. Ich erinnere mich noch an eine Nagelschere, die ich dort gefunden und behalten habe. Aber auch tote Soldaten sah ich dort liegen, die so kurz vor Kriegsende ihr Leben lassen mussten.

In Nordhausen angekommen, mein Vater hatte also wieder die lange Strecke zu Fuß mit seiner Beinprothese bewältigt, sahen wir bei unseren Weggefährten, sie wohnten an der Bleiche, Plünderer aus dem Haus kommen. Voll Sorge fuhren wir zum Neumarkt.

Als wir um die Ecke Wilhelm- Nebelung-Straße – Löbnitzstraße bogen, hörte ich meine Mutter entsetzt ausrufen: „ Vati, es ist ja nichts mehr da!“ Das Haus, in dem wir gewohnt hatten, war vollständig abgebrannt. Näher gekommen, sahen wir, dass die Kellerdecke gehalten hatten, doch als wir durch das Kellerfenster geklettert waren, mussten wir feststellen, dass unser ganzes Kellerinventar gestohlen war. Sowohl unsere Kisten, die wir auf Anraten einer bei uns einquartierten Aachener Familie im Keller deponiert hatten, als auch ein Kiste mit wertvollem Geschirr, die eine Tante meiner Mutter vor den Luftangriffen auf Bremen schützen wollte. So blieb uns tatsächlich nur das Wenige, was wir auf dem Handwagen hatten.

Einziger Trost war, dass alle Familienmitglieder diese furchtbare Zeit überstanden hatten.
Horst-Dieter Stockhausen
Autor: red

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