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Do, 16:15 Uhr
01.03.2018
Erinnerungskultur und Schlussstrichdebatten

Die Freiheit zu fragen

An der Gedenkstätte Mittelbau-Dora kann man sich nicht über einen Mangel an Besuchern beschweren. Dabei ist der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers für die meisten Besucher mehr als ein Tagesausflug. Für die Gedenkstätte geht es dabei um mehr als die Vermittlung historischer Tatsachen sondern auch um aktuelle Fragen der Gegenwart und die "conditio humana"...

Dauerausstellung der Gedenkstätte Mittelbau Dora (Foto: Angelo Glashagel) Dauerausstellung der Gedenkstätte Mittelbau Dora (Foto: Angelo Glashagel)

Anfang der Woche, die Sonne scheint aber es ist klirrend kalt. Auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora herrscht dennoch reger Betrieb, wie fast jeden Tag. Kleine Gruppen von Besuchern bewegen sich über das weitläufige Areal und erkunden die Spuren der Vergangenheit vor den Toren Nordhausens.

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Allein ist hier so gut wie niemand unterwegs, wer die Überreste der unterirdischen Waffenfabrik sehen und die Tunnel unter dem Kohnstein erkunden will, der ist auf Begleitung aus der Gedenkstätte angewiesen. Die Natur des Ortes bringt es mit sich, dass der Anteil an pädagogischen Angeboten hier höher ist als an anderer Stelle und darauf ist man stolz. Im vergangenen Jahr hat man zwei neue pädagogische Mitarbeiter einstellen können, für die nächsten sechs Monate sind die "längeren Formate" der Gedenkstätte ausgebucht. Wer nach Dora kommt, der bringt Zeit mit. Zeit zu sehen und zu hören und Zeit zu diskutieren.

"Wir beschäftigen uns nicht nur mit dem Geschehen vor 72 Jahren sondern mit allgemein menschlichen Fragen. Was können Menschen anderen Menschen antun? Gegenüber solchen Fragen gibt es eine generelle Offenheit die nicht nur für Deutsche von Interesse ist", sagt Brita Heinrichs, Leiterin der pädagogischen Abteilung der Gedenkstätte. Es sei eine irrige Annahme das allein der Besuch eines Ortes wie Dora schon eine Art Heilwirkung entfalten könne. "Vom Anschauen baulicher Reste wird keiner seine Meinung ändern und wer zum zehnten Mal Bilder von Leichenbergen gesehen hat, der vermag vielleicht noch einen gewissen Schock verspüren aber das heißt nicht, dass man ein Verständnis für die gemein menschlichen Fragen entwickelt hat, die dahinter stehen. Dafür braucht es eine diskursive Auseinandersetzung".

Regina Heubaum (links) und Brita Heinrichs (Foto: Angelo Glashagel) Regina Heubaum (links) und Brita Heinrichs (Foto: Angelo Glashagel)

Diskussionswürdige Fragen gibt es immer noch viele, die Intentionen der Nachgeborenen sind aber heute aber häufig andere als die älterer Generationen. Während die erste Nachkriegsgeneration meist versuche zu erfahren, was ihre Väter oder Großväter zwischen 1933 und 1945 getan haben, entsprängen die Fragen der jüngeren Enkel oder Urenkel oft nicht mehr der eigenen Biographie, sagte Regina Heubaum, Leiterin des Archivs der Gedenkstätte. Wie wurde mit den Tätern nach 1945 umgegangen? Wer war eigentlich verantwortlich und wie weit reicht "Täterschaft"? Wie entsteht eine Gesellschaft, in der etwas wie der Holocaust möglich wird? "Wir sehen hier nur das Ende einer Entwicklung, die Konsequenzen gezielter Exklusion auf legaler Basis.", sagt Brita Heinrichs, in der täglichen Arbeit gehe die Gedenkstätte weiter, Schritt für Schritt betrachte man die Umbauprozesse die dazu führten das erst Ausgrenzung und schließlich Mord auf gesetzlicher Basis möglich wurden.

Dabei scheut man auch kontroverse Fragen nicht. Die "Schlussstrichdebatte" werde immer wieder geführt, sei auch in den alten Bundesländern bis in die 80er Jahre hinein auf dem Vormarsch gewesen und immer wieder diskutiert worden. Diskussionen, die in der DDR weniger vehement geführt worden seien und seit der Wende nachgeholt würden. Bei den Fragen der jüngeren Besucher falle diese spezielle Debatte aber weniger ins Gewicht, meint Heinrichs. Die Biographie steht nicht im Weg. Die Jungen hätten auf gewisse Weise heute eine eigene Freiheit nachzufragen. "Jeder kann seine Ansichten hier äußern, aber nicht ohne Begründung, ein einfaches "ja" oder "nein" reicht nicht.", sagt die pädagogische Leiterin. Man vermittele den historischen Ort und stelle den Gegenwartsbezug her. Dieser lasse sich aber nur diskutieren wenn man bereit sei sich länger als ein paar Stunden mit der Thematik zu beschäftigen.

"Ideologien der Ungleichheit werden immer attraktiv sein weil sie darauf beruhen andere abzuwerten um sich selbst zu erhöhen.", sagt Heinrichs, insofern werde auch die Arbeit der Gedenkstätte weiterhin relevant bleiben. "Ein gelungenes Miteinander, welches nicht auf Gewalt beruht, braucht zivilisatorische Regeln. Was passiert wenn diese Regeln ausgehebelt werden zeigen Orte wie diese".
Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
henry12
01.03.2018, 20.47 Uhr
"SCHLUSSSTRICH".........
und nichts anderes !
Was soll das Erinnerungsgesäusel, während wir aktuell wie 1941 an der russischen Grenze stehen? Der Gipfel der außenpolitischen Geschmacklosigkeit und Frechheit !
Wie war das gleich mit dem aus der Geschichte lernen ?
Aus diesem Grund interessiert mich heute auch keine ethnische oder religiöse Gruppe, die im Gedenkeranking
immer vorne steht.
"Was können Menschen anderen Menschen antun? "
Ganz einfach. Das hat man im Jugoslawien Krieg gesehen
und wäre m.M. nach überall und immer wieder möglich.
Das werden Frau Heubaum und Frau Heinrichs mit Sicherheit nicht verhindern können.
Tor666
02.03.2018, 07.44 Uhr
Es kommt darauf an
wie man mit der Erinnerung umgeht. In dem Moment, wo man es wie im letzten Absatz von Glashagel dazu missbraucht, uns etwas Falschen per Zeigefinger und Moralin einzureden, wird es unglaubwürdig.

Nein, Ungleichheit ist nichts Schlimmes. Das soziale Gefüge in Portugal ist anders als in Italien oder Deutschland. Alles gewachsen, die Menschen sind unterschiedlich. Wir Deutschen sind anders als Inder oder Afrikaner. Um dies festzustellen, braucht man sich nicht erhöhen. Das sind völlig sinnfreie Floskeln. Die zivilisatorischen Regeln sind unterschiedlich, das gesellschaftliche Leben jedes Landes hat sich spezifisch entwickelt. Es macht jedes Land attraktiv, wenn man bspw. in den Urlaub fährt. Ich persönlich möchte, dass es so bleibt und wende mich entschieden gegen jede Art von Multi- Kulti Experimente, diese Gleichmacherei, die nur scheitern kann. Es ist dreist, unter dem Deckmantel der historischen Schuld solche Dinge zu fordern. Dinge, einmal zerstört, werden niemals wieder so werden können.

Wenn diejenigen, die hier angeblich Schutz suchen, unsere zivilisatorischen Regeln aushebeln wollen, ob mit Hilfe rückradloser Politiker, fragwürdigen Gerichtsentscheidungen, Asylindustrie und linker Erpressung, ist es eben kein Miteinander. Es ist ein Fehler, die aktuelle politische Situation mit der Schuld von früher verrechnen zu wollen. Weil früher dies oder jenes passierte, muss ich die aktuelle Gefahr nicht hinnehmen. So sehe ich es.

Ich möchte meinen Kindern und Enkeln keine Gesellschaft hinterlassen, wie sie momentan in Windeseile entsteht. Und immer mehr Menschen merken, welcher Irrweg beschritten wird. Daran sollten Sie denken. Da spielt die Historie keine Rolle. Wir Menschen werden in eine Rolle gedrängt, die unsäglich ist.
Hackelberry
02.03.2018, 08.47 Uhr
Worum geht es denn eigentlich?
Mich würde mal interessieren, unter welchen Symptomen Schuldkultgeschädigte leiden? Läuft einem da die Nase, oder tut der Pops weh, ...? Vielleicht können die Vorkommentatoren darüber berichten, wo da was weh tut.

Oder geht es einfach nur um das Verdrängen dessen, was Opa mal gemacht, man selbst mal gemacht... oder man selbst gern mal tun würde? Und was hat die Erinnerung in Dora mit Multi-Kulti oder Gleichmacherei zu tun? Solche schrägen Gedanken sind einfach nur erschreckend. Das dort Häftlinge aus der ganzen Welt ohne Ansehen des sozialen Status umgebracht wurden ist wohl eher das Gegenteil von Multi-Kulti und Gleichmacherei. Vermutlich ist aber genau das für Einige der Grund dafür, dass man nichts mehr davon hören möchte.
Blueman
02.03.2018, 09.54 Uhr
Historisch gewachsen...
da lach ich mich ja Neukrank! Einen Schlussstrich unter das Gedenken an den Holocaust ziehen, aber mit den historisch gewachsenen Ungleicheiten Argumentieren? Da muss man sich doch die Frage stellen warum diese so gewachsen sind? Und außerdem stellt sich mir die Frage warum man nicht über die Geschichte der letzten 80 Jahre reden soll, aber über die "glorreiche" Geschichte des 1000 jährigen deutschen Reiches. Da fehlt mir jedes Verständnis für! Einfach mal Hirn einschalten.
Tor666
02.03.2018, 12.14 Uhr
Blueman,
ob sich jemand neukrank lachen muss oder es eine Frage der Medikation ist, kann niemand wissen. Man sollte lesen und verstehen können. Dann würde man merken, dass mit keinem Wort erwähnt wird, dass man dem Holocaust nicht gedenken soll. Nebenher, Dora und Holocaust, schon etwas eigenartig. Ebenso wurde die 1000jährige glorreiche Geschichte mit keinem Wort erwähnt. Da kann es einem an Verständnis fehlen, wohingegen der letzte Tipp dann doch wohl eher an sich selbst gehen sollte, falls überhaupt möglich.

Walküre ähnlich. Zum einen muss ich, was meinen Opa angeht, überhaupt nichts verdrängen. Er tat seinen Dienst in der Wehrmacht und mehr nicht. Ich habe damit noch keine Sekunde meines Lebens ein Problem gehabt. Erschreckend wird es erst, wenn irgendwelche Klugscheißer von heute, wahrscheinlich noch grün hinter den Ohren, den Alten erklären wollen, was sie hätten tun müssen und können. Natürlich ohne auch nur einen Hauch von Ahnung zu haben, wie es damals für den Einzelnen wirklich war. Mit Trillerpfeife und Kochtopfdeckeln nach einem Lied wie "Deutschland verrecke" trällern wäre jedenfalls keine Lösung gewesen.

Zu schrägen Gedanken wird es erst, wenn man, wie schon bei Blueman erwähnt, einen Text und den Zusammenhang nicht verstehen will, incl. der Anspielung von Glashagel auf die aktuelle Situation, oder nicht kann. Da hilft dann nur der Tipp von Blueman, wenn überhaupt.
Blueman
02.03.2018, 13.30 Uhr
Holocaust und Mittelbau Dora?
*Sarkasmusmodus ein*

Sorry Torr666, da kann man wirklich keinen Zusammenhang erkennen.

*Sarkasmusmodus aus*
zugezogener Patriot
02.03.2018, 13.48 Uhr
Wer einen Schlussstrich fordert ...
... will vergessen und ist verdammt die Geschichte zu wiederholen (zu dürfen?).
Gedenkstätten und ihre Arbeit sind wichtig. Sie erinnern einen daran wozu Menschen fähig sind. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die deutsche Geschichte. Die Frage ist ob oder was man daraus lernt.
Für die Verbrechen, die u.a. mein Opa aus Überzeugung begangen hat, kann ich nichts. Die Erkenntnis aufrecht zu erhalten, die er mir auf seinem Sterbebett mit gegeben hat, dass sich so etwas nicht wiederholen darf, ist (nicht nur) mein Auftrag.
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