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Di, 06:57 Uhr
17.05.2016
Unwiederbringlich

Vernichtet am Kohnstein (2)

Im Jahre 1954 bot eine Wanderung von Nordhausen in Richtung Woffleben bzw. Ellrich Eindrücke, wie sie im Jahre 2016 definitiv nicht mehr gewonnen werden können. Der frühere Botanikprofessor und Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Otto Schwarz, hatte sie in seinem Buch „Thüringen-Kreuzweg der Blumen“ (Urania-Verlag Jena) allen Freunden der artenreichen Südharzer Flora vorgeschlagen...

Am Kohnstein (Foto: Bodo Schwarzberg) Am Kohnstein (Foto: Bodo Schwarzberg)
Blick vom Kohnsteinrest auf die Fläche, wo er sich einst befand (Juli 2014)

Auf der Exkursion sollten sich die Wildpflanzenliebhaber an 12 von ihm erwähnten, bemerkenswerten Arten erfreuen, von denen einige schon damals zu den großen Besonderheiten unserer Flora zählten.

Von den 12 Arten sind heute neun an den Stellen, für die sie von Schwarz genannt wurden, nicht mehr auffindbar. Sechs dieser neun fielen dem Gipsabbau am Kohnstein und im Steinbruch Hohe Schleife zum Opfer, eine dem Gipssteinbruch zwischen Cleysingen und Ellrich. Die Arten, deren Wuchsorte vom Bergbau zerstört wurden, sind von mir fett hervorgehoben. Zitat aus SCHWARZ (1954):

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„12. Nordhausen – Schurzfell – Kohnstein – Hockeberg – Sattelköpfe – Woffleben – Ellrich - Kelle, Erdfallgebiet – Mühlberg - Niedersachswerfen, V-VII
Gebiet interessanter Eiszeitrelikte (vgl. S. 219) und letzter gegen den Harz verklingender Karstfluren – und -wälder. Am Schurzfell Streifenklee (Trifolium striatum) und Mannschild (Androsace elongata). Steiler Nordhang des Kohnsteins mit Brillenschötchen (Biscutella laevigata ssp. angustifolia) und Bunt-Reitgras (Calamagrostis varia). Am Fuße des Hockeberges, entlang des Fahrweges nach Woffleben, in der Blaugrashalde viel Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) und Gips-Fettkraut (Pinguicula vulgaris var. gypsophila), auf dem Kamm Zwerg-Sonnenröschen (Fumana procumbens) und Felsen-Täschelkraut (Hornungia petraea). An der aufgegebenen Gipsfabrik, wo die Strecke Nordhausen-Ellrich zum zweiten Male die Straße kreuzt im Geröll des Berges Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina), an Gipsbergen südwestlich Bahnhof Ellrich Alpen-Gipskraut (Gypsophila repens). In versumpften Erdfällen der Kelle der Sumpf-Farn (Dryopteris thelypteris). Am Mühlberg oberhalb des Tanzteiches neben Brillenschötchen die Rauhe Schaumkresse (Cardaminopsis hispida = Arabis petraea).“

Im zweiten Teil der kleinen Fortsetzungsreihe „Vernichtet am Kohnstein“ sollen nun auch weitere Arten aufgeführt werden, die die Botaniker VOCKE und ANGELRODT im Jahre 1886 in ihrer „Flora von Nordhausen und der weiteren Umgegend“ publizierten und die in Pflanzengesellschaften siedelten, wie sie am Nord- und Nordostrand des früheren Kohnsteinmassivs vorkamen. Dieser Bereich wurde bekanntlich durch den Abbau so gut wie komplett zerstört. Um die Zahl der aufzuführenden Arten zu begrenzen, wurden hier nur die heute bedrohten oder nach BNatSchG geschützten benannt. Natürlich gingen am Kohnstein Wuchsorte für viel mehr Arten verloren.

Bei einigen Arten, insbesondere bei Gehölzen, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass ihr Verschwinden auch andere Ursachen, als den Bergbau haben könnte. Zudem kann nie völlig ausgeschlossen werden, dass einzelne Arten an anderer Stelle im Kohnsteinmassiv doch überlebt haben könnten. Es ist dies aber bei den meisten Arten wenig wahrscheinlich.

Die Angaben hinter dem deutschen Namen beziehen sich auf die aktuell gültige Thüringer bzw. auf die deutsche Liste gefährdeter Gefäßpflanzenarten (2=stark gefährdet, 3=gefährdet, +=regional stärker gefährdet, -=regional schwächer gefährdet), ein § kennzeichnet den gesetzlichen Schutz nach der Bundesartenschutzverordnung.

11-Astragalus danicus (Dänischer Tragant) RL 3/3+
12-Vicia pisiformis (Platterbsen-Wicke) RL 3/-
13-Pyrus pyraster (Wild-Birne) RL 3/-
14-Malus sylvestris (Holz-Apfel) RL 2/-
Nach einer Erhebung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zwischen 2010 und 2013 ist der genetisch reine Wild-Apfel in Deutschland viel seltener, als bislang vermutet. Man geht von nur noch 5.500 Exemplaren aus. http://www.ble.de/DE/03_Forschungsfoerderung/04_BiologischeVielfalt/BV-Erhebungen/TagDesWaldes-Bundesweite-Waldbaum-Erhebung.html. Dies wird sich sicher auch in der neuen Roten Liste gefährdeter Gefäßpflanzenarten in Deutschland niederschlagen.
15-Seseli annuum (Steppen-Sesel) RL 2/3
Die deutschlandweit stark zurückgehende Art verfügt u.a. über mindestens einen Wuchsort in der Rüdigsdorfer Schweiz, der der Rinderbeweidung zum Opfer fallen könnte.
16-Libanotis pyrenaica (Berg-Heilwurz) RL 3/-
17-Succisa pratensis (Teufels-Abbiss) RL 3/-
18-Antennaria dioica (Gewöhnliches Katzenpfötchen) RL 2/3+/§
19-Achillea nobilis (Edle-Schafgarbe)RL 3/-
20-Gentiana cruciata (Kreuz-Enzian) RL 2/3+/§
21-Tephroseris integrifolia ssp. integrifolia (Steppen-Greiskraut) RL 2/2
Das Steppen-Greiskraut war und ist deutschlandweit sehr selten. Umso schwerer wiegt sein Verlust am Kohnstein.

Die Reihe, die der Zerstörung ein anderes, als das gewohnte Gesicht gibt, soll allen Verantwortlichen in Politik, und Behörden zeigen, dass es keine Kompromisse in Sachen Gipsabbau mehr geben darf. Die Verluste an Landschaft, Flora und Fauna sind unwiederbringlich. Niemals dürfen Teile aus unseren FFH- und Naturschutzgebieten herausgelöst werden. Damit würde ein Präzedenzfall geschaffen, der einen Dominoeffekt auslösen könnte. Die Reihe wird fortgesetzt.
Bodo Schwarzberg

Quellen:
KORNECK, D, SCHNITTLER, M. & VOLLMER, I. (1996): Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Deutschlands. – Schriftenreihe Vegetationsk. 28: 21-187.
Korsch, H., W. Westhus, K. HORN & W. JANSEN (2011): Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Thüringens. - Naturschutzreport 26: 365-390.
MEUSEL, H. (1939): Die Vegetationsverhältnisse der Gipsberge im Kyffhäuser und im
südlichen Harzvorland. – Hercynia 2: 1-372
SCHWARZ, O. (1954): Thüringen - Kreuzweg der Blumen. 2. Auflage, Jena.
VOCKE, A. & ANGELRODT, C. (1886): Flora von Nordhausen und der weiteren Umgegend. Berlin.
Autor: nnz

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