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Mi, 10:25 Uhr
05.03.2014

Das Sterben der Bunten Erdflechten

Dass das Gebiet des Südharzer Zechsteinrandes eine besonders reichhaltige Flora und Fauna aufweist, ist vielen Menschen bekannt. Als Sinnbilder für diesen Artenreichtum sehen wir beispielsweise Orchideen und Schmetterlinge. Moose und Flechten hingegen entziehen sich wegen ihrer Kleinheit und Unscheinbarkeit förmlich unseren Blicken. Experten sind alarmiert, berichtet Bodo Schwarzberg...

Wichtig für die Natur (Foto: Bodo Schwarzberg) Wichtig für die Natur (Foto: Bodo Schwarzberg)
Die Bunte Erdflechtengesellschaft am Südrand des Harzes beinhaltet zahlreiche bedrohte Arten. Sie und andere Spezies vor dem Verschwinden durch unüberlegte Entscheidungen zu bewahren, sollte eine Handlungsmaxime sein. Die auffallende gelbe Flechte gehört zur Gattung Fulgensia.

Der Gipskarst als Refugium

Nur wenige Spezialisten gibt es, die die meist nicht einfach zu bestimmenden Vertreter dieser Gruppen benennen können. Dies aber birgt die Gefahr, dass unserer weltweit einmaligen Gipskarstlandschaft besonders seltene und bedrohte Moos- und Flechtenarten durch unbedachte Entscheidungen und die ihnen folgenden wirtschaftlichen Eingriffe verloren gehen.

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Zu den wenigen, etwas auffälligeren Flechtengesellschaften zählt die so genannte Bunte Erdflechtengesellschaft. Zu ihr gehören mehrere z.T. recht farbenfrohe Arten, woraus sich der Name ableitet Als Relikt der nacheiszeitlichen Wärmephase haben ihre Vertreter, übrigens eine Lebensgemeinschaft von Algen und Pilzen, nur an sehr wenigen, besonders extremen Standorten überdauert. Sie zeigen starke Austrocknung, volle Besonnung und überdurchschnittliche Nährstoffarmut an. All dies finden sie in unserer Gipskarstlandschaft ausschließlich auf offenen, das heißt baum- und gebüschlosen sowie ungedüngten, süd- und südwestexponierten Gipskuppen und –hängen.

Auf Grund dieser besonderen Ansprüche war die Anzahl ihrer Vorkommen bereits früher begrenzt. Gipsabbau und landwirtschaftliche Intensivierung setzten und setzen ihnen zu. Die Erhaltung ihrer Bestände war zudem an regelmäßige Beweidung mittels Schafen und Ziegen oder Mahd gebunden, weil diese die Verbuschung und Vergrasung ihrer Bestände verhinderten. Nach der Wende war keine Abnahme der Bedrohungslage verzeichnen. Im Gegenteil: Während sich der Gipsabbau fortsetzte, begannen immer mehr über Jahrhunderte hinweg mittels Schafen und Ziegen gebüschfrei gehaltene, bzw. gemähte Flächen zu verbuschen.

Größere Bestände der auch deutschlandweit gefährdeten Bunten Erdflechtengesellschaft befanden sich um das Jahr 2010 vor allem im Naturschutzgebiet Rüdigsdorfer Schweiz sowie auf Gipskuppen zwischen Steigerthal und Petersdorf. In der Rüdigsdorfer Schweiz wurden u.a. die vom Aussterben bedrohten Flechtenarten Buellia epigaea und Squamarina lentigera nachgewiesen.

Aktuelle Bedrohungen

Auf Grund des wendebedingten Einbruches der Schafbeweidung suchten die Verantwortlichen nach Alternativen und sahen diese in einer schonenden Beweidung mit Rindern. Doch die Rechnung ging aus Sicht des Artenschutzes nur bedingt auf: Da die Rinder aufkommende Gehölze nicht verbeißen, breiten sich diese bei nicht konsequent und sorgsam durchgeführter, also oberflächlicher mechanischer Beseitigung, weiter aus. Bäume wurden und werden vielfach nicht oder zu selten entfernt, so dass auch die Beschattung der Erdflechtengeselschaften zunimmt.

Die größte Gefährdung der sensiblen Flechten jedoch resultiert aus den Kuhfladen, die die Tiere vor allem auf im Gelände herausgehobenen Flächen gehäuft absetzen. Sie bleiben oft über mehrere Monate erhalten und sorgen so für eine stetige Zufuhr von Nährstoffen, die die Flechten und andere bedrohte Arten verdrängen. Innerhalb weniger Jahre, das heißt, seit etwa 2010, gingen die Bestände der Bunten Erdflechtengesellschaft in Teilen der Rüdigsdorfer Schweiz durch unglückliche Bewirtschaftungs-Entscheidungen um geschätzte 90 Prozent zurück. Die stetige Nährstoffanreicherung vor allem an den von Rindern bevorzugt aufgesuchten Stellen, führt auch zu einer Verstärkung der Humusschicht wodurch die offenen, steinigen Flechtenstandorte ebenso bedroht sind.

Experten sind alarmiert

Ein Flechtenexperte aus Sachsen bestätigte die gravierenden Folgen der Rinderbeweidung auch aus anderen Gebieten Mitteldeutschlands, so zum Beispiel aus dem Mansfelder Land. Reste der Relikte einer längst vergangenen erdgeschichtlichen Epoche sollen nun wenigstens in einem Teil der Rüdigsdorfer Schweiz durch Fernhalten den Rinder und durch die Entfernung großer Birken erhalten werden. Auch bei der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie wurde man bereits aufmerksam. Eventuelle Gegensteuerungen sind in der Diskussionsphase.

Verstoß gegen Richtlinien und Strategien

Die von mir entdeckten erschreckenden Flechten-Verluste in Teilen der Rüdigsdorfer Schweiz kollidieren mit der von Deutschland unterzeichneten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), die für die so genannten FFH-Gebiete ein Verschlechterungsverbot vorschreibt. Sie steht aber ebenso der Biodiversitätsstrategie Deutschlands und Thüringens entgegen, nach denen Artenverluste grundsätzlich zu verhindern sind.

Gewiss werden die zuständigen EU-Institutionen einst auf derartige Veränderungen, wie im Landkreis Nordhausen und anderen Teilen Mitteldeutschland zu beobachten, aufmerksam. Aus den Erfahrungen heißt es, zu lernen und die Landschaftspflege auf die eben genannten Regelungen abzustimmen:

Was sind die Alternativen?

Ein Grundproblem besteht darin, dass die Förderrichtlinien für die Bewirtschaftung naturschutzrelevanter Flächen zu wenig auf die Ansprüche von dort siedelnden, bedrohten Arten ausgerichtet werden. Das hieße beispielsweise, Auskopplung sensibler Bereiche bei Rinderweide, Anwendung von Mahd inkl. Entfernung des Mähgutes von der Fläche statt Rinderweide und wenn möglich, Schafbeweidung.

Statt letzterem aber gibt es weiterhin Bestrebungen seitens übergeordneter Entscheidungsträger, auch die letzten thüringer Schäfer in die Geschäftsaufgabe zu zwingen. Bei den heutigen Bewirtschaftungsweisen (mit Ausnahme der Mahd) bleibt die für unsere Trocken- und Halbtrockenrasen unabdingbare Aushagerung zumindest an sensiblen Stellen außen vor, da die Rinder die von Ihnen aufgenommenen Nährstoffe gerade an diesen, herausgehobenen Geländepunkten in Fladenform absetzen.

Ich frage mich zudem, warum wir Botaniker über Jahre hinweg Daten über die Standorte bedrohter Arten zusammengetragen haben, wenn sie hernach in Pläne für die Bewirtschaftung von Ertragsgrenzstandorten keinen Eingang finden. Um jeden Standort muss einzeln gekämpft werden. Und die Behörden tun mitunter so, als würden sie uns Idealisten einen Gefallen tun, wertvolle Standorte zu erhalten. Dabei ist dies eine ihrer Pflichtaufgaben und nicht nur eine, für einige fast immer ehrenamtlich tätige Idealisten.

Weitere Schäden verhindern

Die Verantwortlichkeit der Rinderbeweidung für die Flechtenrückgänge in Teilen der Rüdigsdorfer Schweiz wird auch daran deutlich, dass sie an Stellen, an denen bisher keine Rinderweide erfolgte, noch relativ gut vertreten sind, wie der Autor des Beitrages beobachtete.

Diese Bereiche sollten unbedingt von einer Einbeziehung in die (Rinder-)Weideflächen verschont bleiben. Ich erreichte dort zudem eine Entfernung mehrerer Birken, die durch Beschattung und Laubeintrag zu einer weiteren Bedrohung führen. Die Bestände ausgewachsener Birken stellen ein Problem für viele Trocken- und Halbtrockenrasen dar. Auch wenn sie nicht direkt auf diesen Flächen stehen, sorgen sie zunehmend für Beschattung, Humusanreicherung infolge Laubeintrag und ein zu ausgeglichenes Mikroklima.

Keine Rinderweide auf sensiblen Flächen

Zudem sollten die zuständigen Behörden Rinderweide z.B. im Raum Steigerthal/Petersdorf keinesfalls auf Trocken- und Halbtrockenrasen zulassen bzw. bereits bestehende Nutzungsverträge umwandeln: Hier befinden sich die letzten größeren Bestände der Bunten Erdflechtengesellschaft.

Kuhfladen (Foto: Bodo Schwarzberg) Kuhfladen (Foto: Bodo Schwarzberg)
Ein Kuhfladen inmitten einer ehemals für die Bunde Erdflechtengesellschaft geeigneten Fläche. Gerade an erhöhten Geländepunkten, auf denen auch die bedrohten Erdflechten siedeln, setzen die Rinder ihre Fladen. Letztere bleiben oft über Monate liegen.

Die Alternative zu ihrer Erhaltung heißt Mahd, inklusive Entfernung des Mähgutes oder Schafbeweidung. Generell sollte es keine Rinderweide mehr auf kuppigen, sonnenexponierten Trocken- und Halbtrockenrasen geben.

Der Autor des Beitrages wird sich weiterhin um die Erhaltung der Biodiversität im Gebiet des Naturparkes bemühen.
Bodo Schwarzberg

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Autor: red

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