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Do, 06:36 Uhr
19.01.2012

Zu Besuch beim Ehrenbürger

Der Herausgeber der "Menschenbilder aus der Harz- und Kyffhäuserregion", Bodo Schwarzberg, hatte gestern eine Reise unternommen. Er überbrachte einem Nordhäuser Ehrenbürger ein Exemplar der Menschenbilder, die auszugsweise in der nnz veröffentlicht wurden...

Zinke und Ehefrau (Foto: B. Schwarzberg) Zinke und Ehefrau (Foto: B. Schwarzberg)
Helmut Zinke mit seiner Ehefrau Christa am 18. Januar 2012 in Erfurt

Genau 800 Bomben hat der Nordhäuser Ehrenbürger und ehemalige Chef des Munitionsbergungsdienstes Erfurt, Oberrat a.D. Helmut „Max“ Zinke in seinem Leben entschärft, 246 davon allein in Nordhausen.

In meinem gerade erschienenen Buch „Menschenbilder aus der Harz- und Kyffhäuserregion“ erhielt er für diese gefährliche Lebensleistung einen Sonderplatz gleich auf den ersten der knapp 1.200 Seiten. Gestern nun brachte ich dem 81-jährigen sein handsigniertes Exemplar. Und wie schon während unseres damaligen Interviews beeindruckte mich Max Zinke mit seiner spannenden Erzählweise und mit seinem ungebrochenen Humor, ja mit seiner ganzen menschlichen Art.

Bei schmackhaften Gehacktes-Brötchen und später bei Kaffee und Kuchen ließ ich mir weitere Anekdoten über den Umgang mit Bomben und Granaten erzählen aber auch über die damals selbstverständliche Einbindung seiner Tätigkeit in das politische System der DDR und ihre Strukturen. Geradezu abenteuerlich war seine Erzählung über das Versenken von in Thüringen gefundenen Chemiewaffen in der Ostsee. Auf einem extra dafür hergerichteten, ausgemusterten Schiff sei die gefährliche Fracht sachgerecht einbetoniert worden.

Begleitet von mehreren anderen Schiffen erfolgte anschließend die Sprengung des Kahnes in internationalen Gewässern vor der dänischen Insel Bornholm. Max Zinke war mit federführend an dieser Aktion beteiligt. Aus ca. zwei Seemeilen Entfernung beobachte er den Untergang des Schiffes mit der tödlichen Ladung. Bekanntermaßen sind die Ostseeanrainerstaaten heute bestrebt, diese und viele andere Chemiewaffen, die die DDR aber auch die damalige Sowjetunion und andere Staaten in diesem Gebiet auf den Meeresgrund schickten, zu heben. Leider nur zieht sich dieser so unverzichtbare Prozess hin – aus Geldmangel.

Max Zinke berichtete mir aber auch von den Versuchen, Kupfer, Aluminium und andere Metalle aus den vom Munitionsbergungsdienst zu entschärfenden Panzergranaten zu gewinnen und von seiner aus Sicherheitsbedenken herrührenden Weigerung, dies manuell oder überhaupt zu tun. Sein ihm vorgesetzter General habe seine Entscheidungen stets akzeptiert. Dieser sei übrigens nicht ein einziges Mal bei einer Entschärfung dabei gewesen. Aus Angst, wie Max Zinke auch heute noch etwas enttäuscht erklärt. So berichtet er von der Geburtstagsfeier eines Parteifunktionärs in Nordhausen, wo neben ihm selbst auch der General anwesend gewesen sei. Während der Feier habe man den Chef des Munitionsbergungsdienstes zu einer Entschärfung in der Stadt gerufen. „Zwischen Kaffee und Abendbrot habe ich dann den Zünder herausgedreht“, sagt er. Doch der General habe auch diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen, ihm auch nur ein einziges Mal über die Schulter zu schauen.

Große Stücke hält er in diesem Zusammenhang von dem damaligen Nordhäuser Bürgermeister und Freund Peter Heiter (siehe ebenfalls im Buch „Menschenbilder…“), der stets regen Anteil an seiner gefährlichen Tätigkeit in der Rolandstadt nahm.

Ich sprach mit dem Erfurter auch über die Luftmine, die jüngst in Koblenz entschärft wurde. Er habe zu diesem Thema viele Anrufe erhalten. Max Zinke hatte fünfmal in seinem Leben mit den mehrere Tonnen schweren Riesenbomben zu tun. Einige von ihnen seien damals im Nordhäuser Kieswerk entdeckt worden. „Sie verfügten über drei Zünder an den Längsseiten. Schlugen sie aber etwas versetzt auf, gingen die üblicherweise an Fallschirmen einschwebenden Luftminen nicht hoch“, erklärte er mir. Und er denkt in diesem Zusammenhang an eine Luftmine zurück, die 1945 erst mehrere Tage nach dem Abwurf in Erfurt explodierte. 250 Tote waren die schreckliche Folge. Heute erinnere eine Gedenktafel an diese Tragödie.

Spannend war auch die Erzählung des Sprengmeisters über seinen ersten Besuch hinter dem ehemaligen eisernen Vorhang jenseits seines unmittelbar an der ehemaligen Staatsgrenze gelegenen thüringer Geburtsortes Dippach nach dem Mauerfall. Er berichtete mir von dem schönen Gefühl, seinen Heimatort erstmals nach rund 40 Jahren wieder aus westlicher Richtung anfahren zu können und schmunzelt bei der Erinnerung, dass er bei seinem ersten Besuch im „Westen“ versehentlich sein Parteiabzeichen am Revers trug.

Und schließlich sprachen wir über seine Meinung über die Ursachen des Unterganges der DDR, über die Rolle des MfS im Munitionsbergungsdienst, über die vergeblichen Bemühungen der alten Bundesländer, ihn 1990 für die Ausbildung der dortigen Munitionsbergungsdienste zu gewinnen und über seinen Einsatz im Vietnamkrieg auf der Seite der Vietnamesen. Ihnen brachte er 1974 das Entschärfen der US-Blindgänger bei. „Wie stehen Sie eigentlich zur internationalen Solidarität?“ war er Wochen zuvor anlässlich eines Besuches beim Ministerium in der DDR-Hauptstadt gefragt worden. „In der internationalen Solidarität halte ich es so, dass ich mehr zu tun bereit sind, als nur 20 Mark zu spenden“, antwortete er. „Mehr wollten wir nicht wissen. Sie hören von uns“, lautete die zufriedene Reaktion des Ministeriums. Kurze Zeit später reiste Max Zinke in das von der US-Invasion heimgesuchte südostasiatische Land.

Die DDR sei vor allem wegen der Allmacht der Partei zugrundegegangen, aber auch auf Grund der Tatsache, dass man die Menschen nicht reisen ließ, sagt der Erfurter zu diesem Thema.

Ich habe großen Respekt vor Helmut „Max“ Zinke und vor seiner Lebensleistung unter ständiger Lebensgefahr. „Vorsicht ist keine Feigheit und Leichtsinn kein Mut.“ Das sei bis heute ein Leitspruch unter den Sprengmeistern, den auch er stets an seine Mitarbeiter weitergab, betont er.

Spätestens zum Rolandsfest 2012 wird er die Rolandstadt wieder besuchen. Auf Einladung von Oberbürgermeisterin Barbara Rinke. Wir freuen uns auf unseren Ehrenbürger.
Bodo Schwarzberg
Autor: nnz

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