eic kyf msh nnz uhz tv nt
Sa, 12:22 Uhr
30.04.2011

Besuch in Mordhausen

Der ICE hält schon lange nicht mehr in Mordhausen. Er saust gleich durch in die Provinzhauptstadt Kaffurt. Oder nach Kalberstadt in die andere Richtung. Doch dies war nebensächlich, als es gestern Abend im Mordhausener Theater erstmals zur Aufführung von Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" kam. Für die nmz saß Olaf Schulze unter den Premierengästen.


Am Ende erhielten "Die Silberdisteln" rote Rosen aus den Händen ihrer Regisseurin Dr. Anja Eisner. Und die hatten sie sich redlich verdient in den zurückliegenden knapp zwei Stunden. Nach monatelangen Proben präsentierte das Nordhäuser Seniorentheater eine äußerst gelungene Inszenierung der Dürrenmattschen Parabel um Gier und Opportunismus.

besuch der dame (Foto: theater) besuch der dame (Foto: theater)

Die "alte Dame" mal wieder hochzeitsschick mit ihrer Dienerin (Renate Meinert und Sybille Siese)

Mit Geld kann man alles kaufen, meint die in ihre piefig-spießige Heimatstadt zurückgekehrte Milliardärin Claire Zachanassian (souverän und mit einer aufreizend coolen Noblesse von Renate Meinert gespielt). Sie setzt eine Milliarde auf den Kopf ihres treulosen Ex-Liebhabers Ill aus und muss nur noch warten, bis die Bewohner der verarmten Stadt der Verlockung des Geldes erliegen werden. Wolfgang Hartmann gibt das Opfer als den lebenserfahrenen intelligenten Mann, der sich seiner eigenen Fehler bewusst schnell in sein Schicksal fügt, weil er begreift, dass er keine Chance hat.

bm und ill (Foto: theater) bm und ill (Foto: theater)

Der Bürgermeister und sein Opfer: geforderte Einsicht in Notwendigkeit (Hartmut Funk und Wolfgang Hartmann)

Wie sich das ganze Ensemble auf die skurrile Komik in der Tragik des Stücks einläßt, wie jede Darstellerin und jeder Darsteller mit Lust und Leidenschaft ihre Rollen vertreten und verteidigen - das nötigt hohen Respekt vor der Arbeit der Laiendarsteller ab. Ob sich Hartmut Funk als eloquenter Bürgermeister grandios windet und wendet oder die beiden Clownsfiguren Koby und Loby (Doris Ohse und Silke Ullmann) über die kleine Bühne des TuD tasten, ob die humanistische Lehrerin (Ursula Marx) sich verzweifelt dem Alkohol ergibt oder die kaugummikauende Ex-Gefangene Roby (Sybille Siese) ihre Herrin im Rollstuhl über die Bühne schiebt, immer ist da enorme Präsenz und leidenschaftliches Engagement aller Beteiligten zu spüren.

ensemble (Foto: theater) ensemble (Foto: theater)

Das Ensemble: Margot Arendt, Silke Ullmann, Hartmut Funk, Gerd Auer, Margot Hattenhauer, Ingrid Müller, Renate Meinert, Elsa Rumpf, Wolfgang Hartmann, Sibylle Siese, Doris Ohse, Sigrid Hudatsch, Manfred Baumann, Elisabeth Szesny, Gabriele Bornemann, Ursula Marx, Gabriele Lauenstein, Matin Schirmacher. Alle Fotos von Joachim Ronniger)

Unverkennbar an dieser Inszenierung ist die Handschrift einer erfahrenen Theaterfrau, denn die Chefdramaturgin des Theaters Nordhausen Anja Eisner bedient nicht nur die allgemeingültigen Intentionen Friedrich Dürrenmatts und holt sie ins hier und heute. Nein, sie versteht es außerdem, den Raum mit der Zeit und mit einem Augenzwinkern auch mit "ihrem" Ensemble, den Nordhäuser "Silberdisteln" zu verbinden. In den funktionalen Bühnenaufbauten und ebenso schlichten wie wirkungsvollen Kostümen (die Ausstattung oblag Ronald Winter) übernahmen die Darsteller auch selbst die Umbauten, was zu einem weiteren sehr wirkungsvollen Aspekt der Aufführung geriet.

Die dazu eingespielte Musik erinnerte mich an Kindertage und DDR-Fernsehen, wenn dort fröhliche Filmchen wie "Aber Vati" gezeigt wurden, die immer mit einer penetrant gutlaunigen Musik (meist manifestiert durch eine gepfiffene Leadstimme) versehen waren. Ich hatte diese Art akustischer Illustrationen längst vergessen – bis gestern Abend. Vielleicht waren auch solche Effekte von der Regie gewollt.

Am Ende, wie gesagt, gab es Rosen und viel herzlichen Applaus für sehr motivierte Darsteller, eine liebevolle Inszenierung und ein unglaublich zeitloses Theaterstück.
Olaf Schulze
Autor: osch

Kommentare

Bisher gibt es keine Kommentare.

Kommentare sind zu diesem Artikel nicht möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr