eic kyf msh nnz uhz tv nt
Mi, 07:11 Uhr
23.12.2009

Post von Luisa (2)

Luisa Schäfer, eine junge Frau aus Niedersachswerfen, schreibt in der nnz ein ungewöhnliches Tagebuch über ihre Erlebnisse am anderen Ende der Welt. Kurz vor Weihnachten eine Bestandsaufnahme...

Jetzt ist es fast so weit, Weihnachten steht vor der Tür. Kaum zu glauben. Also diesmal wirklich nicht zu glauben und nicht einfach nur so dahin gesagt. Denn hier herrschen trotz oftmals Regen sicher immer so um die 30 Grad. Daher ist die Stimmung nicht annähernd weihnachtlich, einfach eher so wie vor den Sommerferien.

Denn die beginnen hier in ein paar Tagen und dauern bis zum März an. Aber bei den vielen Festen die es hier gibt, ist es auch kein Wunder, dass Weihnachten nicht eine solche Sonderstellung innehat. Hier wird nur in der Nacht vom 24. zum 25. gefeiert. Geschenke und viel Essen gibt es zwar auch, aber anders als bei uns werden ein Haufen Feuerwerkskörper dafür Sorgen tragen, dass alles eher nicht an eine Stille Nacht erinnert. Später beginnt dann das Feiern in den Diskotheken. Eigentlich für alle Jüngeren ein Muss!

Ich habe es mir immer sehr seltsam vorgestellt, Weihnachten nicht zu Hause zu sein, aber da hier wirklich nicht viel an das erinnert, was ich damit verbinde, ist es in Ordnung und daher bin ich auch fast sicher, dass nicht zu viel Heimweh aufkommen kann. Und bei dem was hier an Dekoration angeboten wird, bin ich nur froh, wenn das wieder aus den Läden verschwindet und der Alltag wieder einkehrt.

Denn der Tannenbaum, hier eigentlich nur in künstlicher Ausführung erhältlich, wird so mit Girlanden, Kunstschnee und bunten Glitzerzeug zugehangen, dass man auch einfach einen Kleiderständer zum Schmücken hätten nehmen können. Der Unterschied wäre sicher nicht auszumachen gewesen, denn man sieht nahezu nichts mehr vom grün. Ich habe auch nicht angenommen, dass man diese bunt blinkenden Lichterketten aus Deutschland noch irgendwie in Geschmacklosigkeit übertreffen könnte, aber hier blinkt sogar der Baum.

Und das nicht nur dezent, es flackern die Glühbirnen um die Wette und das in allen Farben die der Malkasten so hergibt. Doch das Strohsternbasteln und Weihnachtsliedersingen mit den Kindern war sehr schön und daher bin ich auch froh, dass ich doch ein bisschen feiern werde. Mich hat die Familie einer Freundin eingeladen, ich bin sehr gespannt wie es so wird. Anders als gewohnt auf jeden Fall, interessant denke ich aber auch, Berichte folgen dann später.

Jetzt habe ich aber schon so viel darüber geschrieben wie unterschiedlich die Weihnachtstraditionen im Vergleich zu Deutschland sind, dass mir die Idee kam, gleich einen ganzen Bericht über Unterschiede zu schreiben.

Ist das Leben hier nun auch sonst so viel anders als bei uns? Für mich persönlich kann ich sagen, dass der Alltag doch schon sehr ähnlich ist wie in Europa. Und dann gibt es doch wieder so viele Dinge, die ich nicht kannte und die mir ziemlich fremd erschienen. Genau um diese wird es sich jetzt drehen.

Wenn man die San Salvador de Jujuy das erste Mal sieht ist schon das Stadtbild ganz anders als gewohnt. Die Straße, Bürgersteige und Fassaden, alles ein wenig unmoderner, beschädigter und abgenutzter als in unseren Städten. Wenn man dann das Zentrum verlässt, verstärkt sich dieser Eindruck nur noch. Größtenteils gibt es in den abgelegeneren Vierteln nicht mal mehr betonierte Straße oder wirkliche Fußwege. Da ist dann auch das Durchkommen gerade bei Regenwetter für alle Autos nicht so leicht. Das wird auch ein Grund dafür sein, dass man hier sehr viele große Geländewagen sieht, nicht gerade billig aber angenehm
für die herrschenden Straßenbedingungen.

Wer sich das nicht leisten kann hat es schon etwas schwieriger. Aber da es anscheinend nicht so etwas wie den TÜV gibt, wird alles gefahren was noch einigermaßen zusammenhält. Man sieht hier wirklich eine bunte Mischung, von alten amerikanischen Straßenkreuzern bis zur schrottreifen Ente. In dieser kommt man aber sicher nur etwas schwierig voran, denn wenn auch nicht viele Straßenregeln gelten, eine schon: Das neuere, größere Auto hat Vorfahrt. Alles andere wird durch ständiges Hupen bis hin zum Anschreien irgendwie geregelt. Und auch Alkohol am Steuer ist auch ein besonderes Thema. Teilweise werden die Flaschen noch beim Fahren ausgetrunken, Strafen gibt es zwar aber anscheinend nicht genug Kontrollen. Genau so die Anzahl der Mitfahrenden. Der setzt meist nur der wenig vorhandene Sauerstoff Grenzen.

Wem das alles zu viel ist, der hat gar nicht so viele andere Möglichkeiten. Züge und Straßenbahnen habe ich noch keine gesehen. Wenn man irgendwo hin möchte, gibt es aber ein gutes Busnetz. Aber auch dabei kann man Pech haben. Denn die Qualität der Reisbusse reicht von luxuriös bis hin zu solchen Exemplaren, in denen man in der Nacht fast erfriert und ziemlich durchgeschüttelt wird. Die Stadtbusse haben meist auch schon ihre besten Jahre hinter sich. Dann gibt es aber auch noch die Compertidos.

Das sind Sammeltaxis, in denen man für den Bustarif, also ziemlich günstig, in die abgelegeneren Viertel fahren kann. Die finde ich eine wirklich tolle Idee, ich fahre damit jeden Tag zur Arbeit. Das ist immer wieder ein Erlebnis. Wenn man den Wettkampf um einen Platz gewonnen hat, erlebt man sicher wieder etwas Neues. Ich habe keine Ahnung wie viele Fahrzeuge es geben muss, ich saß noch immer nicht in allen, obwohl ich nun wirklich oft fahre. Aber es gibt die lustigsten Ausführungen. Manchmal fehlt fast die gesamte Ausstattung, inklusive Türgriff oder Fensterhebel, teilweise sind es tolle neue Wagen oder auch mit Plüsch dekorierte Liebhaberteile. Es wird also nie langweilig!

An was man sich auch erst gewöhnen muss ist der Tagesrhythmus an sich. Hier beginnt alles etwas später. Erst so gegen acht Uhr sind alle unterwegs zur Arbeit, groß Frühstück gibt es da vorher nicht. Da wir ja jetzt in der WG zusammen wohnen betrifft es uns nicht mehr so, aber in den Gastfamilien konnte man froh sein, wenn man vor dem Losgehen ein paar Kekse oder so etwas bekommen hat. Dann wird bis mittags um eins gearbeitet, zu diesem Zeitpunkt ist dann aber Schluss für nahezu alle. Denn es beginnt die Siesta, die große Mittagspause. Hier in Jujuy ist dann bis um fünf Uhr nichts mehr los und erst dann erwacht die Innenstadt wieder zum Leben.

Der zweite Tagesabschnitt wird dann aber noch mal richtig genutzt. Kultur- und Freizeitangebote beginnen erst spät und man kommt meist nicht vor Mitternacht ins Bett. Kurz zuvor hat man natürlich aber erst Abendbrot gegessen. Was meist, wie das Mittag aus Gerichten mit viel Fleisch und etwas Beilagen besteht. Und auch auf den Straßen ist zu diesen späten Stunden das meiste los. Man sieht auch viele kleine Kinder und Babys, da wird nicht viel Rücksicht genommen, aber so gewöhnen sich die kleinen gleich an diesen Ablauf.

Da wir schon bei diesem Thema sind. Es ist wirklich unglaublich wie viele Kinder es hier gibt. Wenn man da aus dem sich gerade demografisch schwierig entwickelnden Deutschland kommt, ist man wirklich geschockt wie viele Schwangere, Babys und Kleinkinder man sieht. Aber gerade die geben dem Leben hier seine Lebendigkeit. Überall sind die Kleinen mit und alle freuen sich darüber und es macht einfach Spaß zu sehen, wie jung und alt hier munter zusammen leben.

Ich habe beispielsweise noch niemanden über die laute Musik der Jungendlichen klagen gehört, obwohl diese wirklich rauf und runter gespielt wird und das überall wo man geht und steht. Und auch bei allen möglichen Festen merkt man oft keinen Unterschied zwischen jung und alt. Alle Generationen haben keine Probleme damit die ganze Nacht durchzutanzen.

Vielleicht sorgt aber auch gerade das dafür, dass hier gar nicht so in dem Maße wie bei uns Jugendkulturen vertreten sind. Wenn dann geht sehr viel in die Emo - Richtung, dunkle Haare, schwarz geschminkt und angezogen. Dazu kommt dann auch noch sehr oft ein Fanrucksack von Tokio Hotel. Eigentlich kaum zu glauben. Aber diese Gruppe und vielleicht noch Modern Talking kennt man hier am besten. Da hat sich gerade das beste deutsche Musikgut über die Welt verbreitet.

Die Texte der Band werden dann meist ins Spanische übersetzt, genauso wie auch bei englischen Titeln. Die CDs kann man hier alle ziemlich günstig kaufen, allerdings alle gebrannt. Seit meiner ganzen Zeit hier habe ich noch nicht eine Original- CD gesehen. Da erscheint doch die Situation mit den Raubkopien in Deutschland noch harmlos dagegen. Oft habe ich auch in anderen Dingen den Eindruck, dass unser Bundesstaat doch oft besser ist als sein Ruf. Von wegen bei uns gibt es die meiste Bürokratie.

Man muss hier mal versuchen ein Paket von der Post abzuholen. Zunächst gibt es einen Schein, dass etwas angekommen ist. Damit kann man sich den zweiten abholen, auf dem dann genauer geschrieben ist, was es ist. Nach einigem Suchen, Dokumente ausfüllen und Gebühren bezahlen hat man das Päckchen dann endlich in der Hand. Aber nicht für lange Zeit, denn dann kommt noch die Inhaltskontrolle. Hier wird gewogen, nahezu alles aufgemacht und wieder endlose Dokumente erstellt. Als man mein Geburtstagspaket so behandelt hatte war mir fast zum heulen zu Mute. Da hatte man dann glaub ich Mitleid mit mir und hat wenigstens die verpackten Geschenke in Ruhe gelassen.

Dann gibt es auch einiges auf das man wirklich in Deutschland stolz sein kann, zum Beispiel Pünktlichkeit. Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich fünf Minuten zu spät zur Arbeit komme. Einige meiner Kolleginnen erscheinen manchmal erst kurz vor Schluss oder gar nicht, dass alles ohne viel Entschuldigung. Ich werde also in diesem Jahr wirklich lernen mich in Geduld zu üben. Und auch Pläne und Gedanken über den Ablauf einiger Dinge machen gehört nicht unbedingt zur Lieblingsbeschäftigung der meisten Argentinier. Man geht das alles ein bisschen lockerer an.

Bleibt einen auch meist nicht anderes übrig. So gibt es beispielsweise keine Busfahrpläne. Dann heißt es meist einfach nur warten, warten, warten… Und gerade in der Weihnachtszeit kennen sich gerade damit alle Jujeños aus. Denn überall gibt es Schlangen. Vor den Banken, man braucht ja schließlich Geld für die Weihnachtseinkäufe, vor der Post, bei der langen Prozedur auch kein Wunder, aber die längsten am Monatsanfang bei der Ausgabe der Sozialleistungen. Ja es gibt wohl so etwas wie Arbeitslosengeld, Renten oder Kinderzuschüsse die man sich abholen kann. Allerdings reicht das wohl nicht zum Leben. So dass die meisten bis ins hohe Alter arbeiten müssen.

Oft sieht man also gerade die älteren Generationen auf der Straße stehen und etwas verkaufen. Und was dort alles verkauft wird. Man kriegt nahezu alles, von allen möglichen Gerichten über Schmuck, Kleidung bis hin zu Batterien und Mülleimer. Aber auch so Dinge wie Staubwedel, Moos für die Weihnachtskrippe oder Mittel zur Erfüllung des Kinderwunsches. Es ist ein wirkliches Rätsel wie man damit sein Leben finanzieren kann, aber anscheinend funktioniert es, obwohl am Nachbarstand derselbe Kram verhökert wird.

Aber Kaufen ist hier sowieso Volkssport. Es war einige Wochen große Aufregung, weil ein neuer Supermarkt aufgemacht hat. Und gerade zur Zeit der Geschenke sind die Läden voll. Das ist ja bei uns nicht anders, aber hier spielt der Konsum eine ganz andere Rolle. Hier wird auch gekauft, wenn man es sich nicht leisten kann. Meist auf Raten und ohne zu überlegen ob man diese auch in Zukunft abbezahlen kann.

Die Familien in den Projekten haben oft kein Geld für anständige Kleidung oder Essen, aber man findet glaub ich nahezu kein Haus ohne Fernseher. Und das sind dann meistens auch noch neue Flachbildschirme, die man jedenfalls so lange behalten kann, bis der Rateneintreiber einen Besuch abstattet. Dasselbe trifft auf Handys zu. Jeder hat eins. Damit ist wirklich jeder gemeint. Die Oma vom Gemüseladen genauso wie der zehnjährige Schuljunge. Und es wird um die Wette geschrieben und telefoniert. Angeblich hat man in Argentinien den dritthöchsten Datenverkehr per Handy auf der Welt. Nichts ist wichtiger als einen Anruf anzunehmen, egal ob auf Arbeit, im vollen Bus oder gar auf der Tanzfläche.

Auch die vielen Fernseher werden ausgiebig genutzt. In den meisten Haushalten läuft er den ganzen Tag. Für viele Kinder ist er die Tagesbeschäftigung. Und dabei sind die meist viel fragwürdig als unsere deutschen. Viele der Argentinier, sowohl männlich als auch weiblich, haben keine Probleme damit jeden Abend irgendeine Tanzshow zu sehen in denen die Tanzeinlagen halbnackter Frauen keine Phantasien mehr offen lassen. Auch die Kleinen sitzen vor diesen für sie eigentlich nicht geeigneten Programmen.

Moderiert werden zudem die meisten Sendungen von Blondinen. Oft künstlich verschönert und abgemagert werden sie als anzustrebendes Schönheitsideal vorgezeigt. Deshalb finden viele Projektkinder auch weiße Haut viel toller und die Zimmer werden mit freizügigen Frauenpostern verziert. Tja und auch dank Fernsehen werden wir deutschen Freiwilligen oft als total reich eingeschätzt. Und wir Mädels haben natürlich auch noch mit anderen Vorurteilen zu kämpfen, aber zu dem Thema an anderer Stelle mehr.

Nun hoffe ich, dass der Bericht interessant zu lesen war. Ich wollte einfach mal betrachten was mir im Alltag in einer anderen Kultur aufgefallen ist. Natürlich sind die Dinge über die ich geschrieben habe nie auf alle Betreffenden zu beziehen. Bleibt mir am Schluss meines Berichtes nur noch übrig liebe Weihnachtsgrüße nach Deutschland zu verschicken! Ich wünsche allen einen tollen Start ins neue Jahr und ein besinnliches, frohes Fest!
Luisa
Autor: nnz

Kommentare

Bisher gibt es keine Kommentare.

Kommentare sind zu diesem Artikel nicht möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr