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Fr, 09:00 Uhr
15.05.2020
Lichtblick zum Wochenende

Von Schwäche und Stärke

„Ich brauche Hilfe.“ „Mir geht es schlecht, bitte sei für mich da.“ „Ich schaffe das nicht allein.“ – im Lichtblick zum Wochenende macht sich Marcus Ebert aus der Kirchgemeinde Greußen Gedanken über unsere Stärken und Schwächen...

Wie schwer fallen mir solche Sätze. Wie viel Überwindung kostet es mich, meine emotionale Rüstung abzulegen und mich in meiner Schwäche der Welt zu zeigen. Ich möchte nicht schwach erscheinen. Ich möchte nicht hilflos sein – überfordert von dem, was das Leben mir so oft gibt. Ich möchte der starke, der unbeugsame Fels in der Brandung sein, ein Wellenbrecher, dem die raue See nichts anhaben kann. Und doch, so oft schlagen die Wellen dieser Welt über mir zusammen und auf mich ein. Wie schwer fällt es mir, in solchen Situationen andere hinter meine mühsam errichtete Fassade blicken zu lassen, wie schwer zu zeigen, dass ich gerade abhängig bin von meinem Gegenüber, dass ich den anderen jetzt brauche. Ausreden, wie „ich möchte ja niemanden zur Last fallen“, rede ich mir selbst ein, nur um meine Zerbrechlichkeit vor mir selbst zu verbergen.

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Im Gebet aber, stehe ich eben genau so, als Mensch vor Gott: Als zerbrechliches Geschöpf, das am eigenen Leben, der eigenen Situation, der Welt, wie sie ist, oder an den Umständen der Zeit leidet. Als Geschöpf, das sich seiner Begrenztheit bewusst ist. Andere Menschen vermag ich zu täuschen, Gott nicht. Er liest in meinem Herzen. Dieser Kontrollverlust über die eigene Fassade, die unweigerliche Offenheit gegenüber dem Schöpfer des Lebens fällt vielen Menschen schwer.

Im Gebet wende ich mich an Gott. Ich gebe Auskunft über mich selbst, darüber, was mich bewegt, was mich bedrückt, aber auch was mir im Leben wichtig ist. Ich erkenne all die hereinbrechenden Wellen, die Ängste und die Gedanken meines Lebens, indem ich diese für mich in Worte fasse und diese für mich benenne. Indem ich bete, bezeuge ich, dass ich Gott an meiner Seite weiß. Ein Gott, der in Christus die Stürme und Wellen selbst erfahren und überwunden hat und der mir jeden Tag aufs Neue die Hand reicht, um mir an meiner Seite in der stürmischen See meines Lebens beizustehen. Ich erfahre Hilfe, Nähe und Unterstützung. Gebete wirken. Bereits das Beten des Gebetes wirkt direkt auf mich.

Nachweislich reduziert das Gebet den Stresslevel des Körpers. Die Ausschüttung von Stresshormonen, wie unter anderem Cortisol, vermindert sich. Stress wird abgebaut, das Immunsystem gestärkt. Die Herz- und Atemfrequenz verlangsamt sich. Der Körper kommt zur Ruhe und sammelt Kräfte. Meine eigene Gottesbeziehung hat eine unmittelbare Wirkung auf meinen Körper, auf meine Lebensqualität und meine Gesundheit.

Ich weiß, Gott bedarf der Gebete nicht, um über den Zustand der Welt und meines Lebens in Kenntnis gesetzt zu werden. Aber ich weiß auch, dass Gott mir diesen Weg zu ihm gab. Einen Weg, um mir meiner unmittelbaren Beziehung zu Gott bewusst zu werden. Hier kann ich alles vor ihn bringen und er hört zu. Immer. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich vorformuliert, ausformuliert oder auch frei formuliert bete. Und ja, auch ein nachdenkliches Schweigen kann zum schreienden Gebet werden. Indem wir beten, erweisen wir Gott Ehre. Ich falle Gott nicht zu Last, ich muss mich nicht mühevoll hinter einer Fassade der Stärke verstecken. Ich werde angenommen, genau so, wie ich bin. Geliebt als Mensch, genau so, wie ich bin. Im Gebet schaue ich auf Gott und Gott schaut auf mich, nimmt mich im Gewirr der Welt wahr. Das Gebet befreit mich. Ich kann sein, wer ich bin: ohne Rüstung, ohne Schutz, geschlagen von den Wellen des Lebens. In dieser anfänglichen Schwäche entdecke ich eine enorme Stärkung. Ich erfahre, wie unnötig meine Bedenken waren und wie ich trotz meiner Schwächen angenommen werde. Und da höre ich mich plötzlich ohne Angst sagen „ich schaffe es nicht allein, sei für mich da, ich brauche Hilfe“ und ich spüre die Antwort Gottes: „Du bist nicht allein, ich bin für dich da, nimm meine Hilfe!“

Als evangelische Christen feiern wir am Sonntag „Rogate“ – Bittet! – Betet! Wir werden uns der Bedeutung des eigenen Gebetes und der Bedeutung für unsere Gemeinschaft bewusst. Dieser Sonntag stellt die befreiende Wirkung des Gebetes in den Mittelpunkt. Ich lade Sie ein, sich der Bedeutung für Ihr Leben bewusst zu werden, zu beten und mit sich mit Ihren Anliegen, als Mensch vor Gott zu stellen.

Ich wünsche uns allen ein gesegnetes Wochenende. Bleiben Sie behütet und gesund.
Marcus Ebert
Volontär in der Kirchgemeinde Greußen
Autor: red

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