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Do, 13:05 Uhr
07.03.2019
Das Netzwerk der Identitären

Das Ende der Konsensgesellschaft

Was steht hinter der "Identitären Bewegung"? Dieser Frage ging gestern der Journalist Andreas Speit in der Stadtbibliothek nach. Die rechtspopulisitische Bewegung hat in den vergangenen Jahren immer wieder versucht mit in der Regel harmlos anmutenden Aktionsformen Aufsehen zu erregen. Das ideologische Grundgerüst ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Und das hat System...

Das Netzwerk der Identitären (Foto: KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora) Das Netzwerk der Identitären (Foto: KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)

Die "Identitäre Bewegung" wolle keine "Massenbewegung" sein, sondern "Masse bewegen", erklärt Andreas Speit. Ein elitärer Club vor allem junger Männer, der sich als "vorpolitisches Element" versteht und eine "kulturelle Revolution von Rechts" verfolge. Der Journalist gilt als Szenekenner, hat zu diveresen Themen vom rechten Rand der Gesellschaft, wie der Reichsbürgerbewegung, publiziert und jüngst zusammen mit mehreren Kollegen den Sammelband "Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten" veröffentlicht. In die Nordhäuser Stadtbibliothek kam er gestern auf Einladung der Gedenkstätte Mittelbau Dora und der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung.

Unter der "Neuen Rechten" versteht Speit eine ganze Bandbreite an Organisationen von der AfD, dem "Institut für Staatspolitik", diversen Verlagen bis zur "Identitären Bewegung". Letztere umfasse in Deutschland knapp 500 Aktivisten, knapp 20 sollen es in Thüringen sein, weitere 300 zähle man in Österreich.

Ein vergleichsweise kleiner Kreis, meint Speit, aber einer, dessen zentralen Thesen mehr Aufmerksamkeit bedürften. Hinter griffigen Sprüchen und Aktionskultur verbirgt sich reichlich altes Denken, so neu sei die "Neue Rechte" nicht, erklärt der Journalist. Ihren Ursprung hat die Bewegung im Frankreich der Jahrtausendwende, um 2012 wird die Szene auch in Deutschland aktiv. Das ideologische Grundgerüst setzt sich wiederum aus neurechten Publikationen der 80er Jahre zusammen und verbinde Aspekte des völkischen Nationalismus mit "blankem Biologismus" und ethno-kulturellen Anleihen aus dem italienischen Faschismus. In einem Land zu leben, die dessen Sprache zu sprechen und sich an die Gesetze zu halten reicht nicht, wer nicht auch "körperlich-generativ" und "zivilisatorisch" ins Bild passt, kann nicht dazu gehören.

Autor Andreas Speit und Gedenkstättenleiter Stefan Hördler in der Stadtbibliothek (Foto: Angelo Glashagel) Autor Andreas Speit und Gedenkstättenleiter Stefan Hördler in der Stadtbibliothek (Foto: Angelo Glashagel)

Zentraler Aspekt sei der Begriff vom großen "Austausch", einer in rechten Kreisen weit verbreiteten Verschwörungstheorie demzufolge Europas Eliten daran arbeiteten, die autochtone Bevölkerung durch Zuwanderung "auszutauschen". Argumentiert werde in einer "Endkampflogik", die eigene "Identität" müsse jetzt verteidigt werden, sonst sei man bald Fremd im eigenen Land. Die "Frontlinie" verläuft im Osten Deutschlands, der Westen ist durch eine längere multikulturelle Tradition "verloren". Klassisch "rechts", uniformiert und kahlgeschoren, kommt das Ganze nicht daher, die Botschaften verpackt man modern und stylisch, etwa über Rap-Musik. Die Assoziationen mit dem griechischen "Lambda" Symbol etwa basiere mehr popkulturellen Bezügen wie dem Film "300" als auf historischen Vorbildern. Argumentativ setze die IB darauf gesellschaftliche Diskurse aufzugreifen und umzudeuten oder ehemals verpöhnte Begrifflichkeiten positiv zu besetzen.

An einem tatsächlichen Diskurs sei die Neue Rechte dabei nicht interessiert, führte Speit vor den knapp 40 Zuhörern aus und gab Zitate aus neurechten Publikationen an. Die "Diskussion ist der Name des Todes wenn er beschließt incognito zu reisen", heißt es da, "Unser Ziel ist keine Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform. Wir wollen nicht mitreden sondern eine andere Sprache" oder "von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird euch kein Wort überzeugen sondern bloß ein Schlag ins Gesicht". Eine pluralistische Gesellschaft werde von der Szene abgelehnt, führt der TAZ-Journalist weiter aus, man agiere zutiefst antidemokratisch und antidiskursiv.

Von anderen Identifikationspunkten des rechten Spektrums hebe man sich hingegen ab, Homophobie spielt offiziell keine Rolle, man setzt sich für Frauenrechte ein und deute diese Themen im eigenen Sinne um.

So ganz klar ist die Abgrenzung vom radikalen Spektrum dann aber doch nicht und auch die Fassade einer vermeintlichen Gewaltfreiheit bröckelt immer wieder, gerade in Thüringen. Hier seien die Kontakte zu radikalen, rechtsextremen Strukturen eindeutig und deutlich. Bei Recherchen sei man immer wieder auf personelle Überschneidungen zu Organisationen wie der verbotenen "Wiking-Jugend", dem "Sturmvogel" oder "völkischen Siedlern" gestoßen, berichtet Speit weiter, zudem habe es Übergriffe auf vermeintliche Linke und auf Zivilbeamte gegeben. Das Verhältnis zur radikalen Rechten und zur Gewalt sei wie bei der AfD auch vor allem "taktischer Natur". Nach außen hin grenzt man sich ab, im Inneren finden sich zahlreiche Kontakte und Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken. Einer der Mitbegründer des rechten Flügels in der Partei, Götz Kubitscheck, sei auch einer der einflussreichsten Vordenker der neurechten Szene.

Bei der Frage nach der tatsächlichen Verbreitung des Gedankengutes, speziell in den letzten Jahren, ist Speit vorsichtig. Rund 10 bis 20% der Bevölkerung würden hier Anknüpfungspunkte finden, diese Zahlen seien in den letzten Jahrzehnten aber relativ konstant geblieben. Was sich geändert habe sei der Zugang zur Mitte der Gesellschaft. Die Szene habe nach dem zweiten Weltkrieg lange Zeit ein "Imageproblem" gehabt. Das habe sich in den letzten Jahren gewandelt, die Grenze des Sag- und Machbaren habe sich nach rechts verschoben und ausgebreitet.

Schnell werde das Problem nicht zu lösen sein, meint Speit, die mediale Behandlung der neurechten Szene, etwa in Form der AfD und eine neoliberale Politik habe die Verbreitung eher erleichtert. Statt sich die Themensetzung von rechts diktieren zu lassen müsse man wieder verstärkt über andere drängende Probleme wie Digitalisierung, Wohnungsnot und Altersvorsorge sprechen. Und sich eingehend mit den Strategien und Ziele der Neuen Rechten befassen.
Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
Johann George
07.03.2019, 14.01 Uhr
Sind das nicht die ...?
Die „Identitärte Bewegung“, das sind doch die, die ihre politischen Gegner überall aufspüren, bloßstellen, diffamieren und am liebsten mit Berufsverbot belegen wollen? Weil die eine andere Meinung haben?
Die immer von Toleranz reden und jedem und jeder (und Diversen) am liebsten das Existenzrecht entziehen würden, die ihre Ideologie nicht teilen?
Sind das nicht auch die, die in Wahlkämpfen die Stände von Parteien überfallen, die Wahlplakate der anderen zerstören und Autos der feindlich gesinnten Politiker anzünden? Die offen zu gewaltsamen Demos aufrufen und dabei schon mal die eine oder andere Innenstadt zerlegen? Die nächtens mitunter Polizeistationen angreifen oder randalierend und demolierend durch die Gegend ziehen? Und das immer mit ihrer Ideologie rechtfertigen? Oder verwechsle ich da jetzt irgendwas?
tannhäuser
07.03.2019, 15.21 Uhr
Korrekt, das sind die Identitären...
...zumindest wenn es nach einem TAZ-Journalisten wie Speit geht...

Relotius reloaded allerorten. Oder meinten Sie etwa diejenigen, deren Taten nicht in der Statistik erscheinen, weil es diese im Strafgesetzbuch für deren politische Ausrichtung gar nicht gibt, @ Johann George?

ACAB ist übrigens höchstrichterlich als nicht strafrechtlich relevante Meinungsäusserung erlaubt worden. Da geht man doch als Polizist gerne zur Arbeit und stürzt sich in die Straßenschlacht mit den Anti-Identitären.
Susanne Blau
07.03.2019, 15.53 Uhr
Relativieren geht über studieren
Immer schön die rechten Umtriebe relativieren, getreu dem Motto: alles ist schlimmer als Nazis. Merkel ist schlimmer, Grüne sind schlimmer, Linke sind schlimmer ... Und dann wundert Ihr Euch, dass man Euch als solche bezeichnet?

Aber nein, Ihr seid ja nur besorgte Bürger. Um damit irgendwie glaubhaft rüberzukommen, solltet ihr Euch - und wenn es nur zum Schein ist - darüber freuen, dass jemand die brauen Ecken ausleuchtet.

_______________
@tannhäuser: Sorry, ich hab Dich schon wieder geduzt. Auch wenn Du neulich als vermeintlicher Großvater darauf bestanden hast, gesiezt zu werden ... aber Siezen mach ich an Seriosität fest.
A.kriecher
07.03.2019, 17.38 Uhr
Die Welt...
Ist bunt und das ist auch gut so. Welche Ansicht ist denn die richtige? Ich glaube, das weiss nur Allah und sein Prophet Muhammad.
Mueller13
07.03.2019, 18.17 Uhr
Tolle Bücher hat er verfasst
Einfach mal Andreas Speit bei Amazon eingeben, folgende Bücher hat er geschrieben:

- Reichsbürger: Die unterschätzte Gefahr
- Bürgerliche Scharfmacher: Deutschlands neue rechte Mitte - von AfD bis Pegida
- Völkische Landnahme: Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos
- Mädelsache! Frauen in der Neonazi Szene
- Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien
- Blut und Ehre: Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland
- Europas radikale Rechte: Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten

Dazu ist er Autor bei der TAZ. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass er ständig irgendwelche rechten Gefahren sehen muss, weil sich sonst sein Lebensinhalt in Luft auflöst.
Johann George
07.03.2019, 18.33 Uhr
Beruhigt!
Was mich aber wirklich beruhigt, ist die Tatsache, dass allein zur Lesung in Nordhausen fast doppelt so viele Zuhörer gekommen sind, wie ganz Thüringen "Identitäre" hat. Dazu noch der Journalist eines renommierten Blattes aus der Bundeshauptstadt! Das macht mir Hoffnung und zeigt, dass man uns dort nicht allein lassen wird mit all diesen Nazis. Häschtägwirsindmehr, sage ich da nur.
tannhäuser
07.03.2019, 19.20 Uhr
Der Beitrag wurde deaktiviert – Gehört nicht zum Thema des Beitrages
Hackelberry
07.03.2019, 19.40 Uhr
@Johann George
Sie scheinen ja Insider zu sein. Wie viele Identitäre hat denn Thüringen? Sind es 30 oder 3000? Ich zähle bis jetzt 3. Helfen Sie mal. Ob man das verharmlosen kann entscheide ich dann selbst. Danke.
Johann George
07.03.2019, 20.26 Uhr
Lesen hilft manchmal ...
Lieber Herr Wolf, vielleicht lesen Sie mal den Artikel (ganz oben der Text mit der schwarzer Schrift). Dort finden Sie folgende Zeile:

"Letztere umfasse in Deutschland knapp 500 Aktivisten, knapp 20 sollen es in Thüringen sein,"

Diese Aussage ins Verhältnis gebracht mit den ebenfalls dort angegebenen "knapp 40" Zuhörern ermuntert mich zu der Behauptung, es wären fast doppelt so viele. Habe ich mich da verrechnet?
ScampiTom
08.03.2019, 07.50 Uhr
auf dem Linken Auge ist man blind
warum sieht man keine Gewaltexcesse von den Identitären, aber immer wieder Aktionen, die den Finger in die heile Welt wunden legen. Ich bin mal gespannt was Links am 16.3 in Eisenach so vom Stapel lässt und ob es friedlich bleibt.
Tor666
08.03.2019, 09.28 Uhr
Johann George
was soll uns diese Zahl sagen? Lasst die Menschen mal unbehelligt ihre Meinung vertreten, dann sieht die Sache anders aus. Wenn man sieht, welchen Repressalien die Menschen ausgesetzt sind, die sich zur Heimat bekennen und kunterbunte Alpträume satt haben, wundert es mich nicht.
Wer bei der aktuellen Situation, den sich abzeichnenden Folgen und den linken Gewaltorgien immer noch vor der aufgebauschten rechten Gesinnung erzittert, sollte sich mal besser informieren. Ein einfacher Blick in Kindergärten und Schulen reicht, um zu wissen, was auf unsere Kinder und Enkel zu kommt.
Sie werden sich dann bedanken, dass man jeden, der zur Heimat steht und die Probleme anspricht, mit der Nazikeule wegwischte.
Demokrit
08.03.2019, 18.04 Uhr
Wer Konsensgesellschaft haben möchte,
kann sich gleich von Demokratie verabschieden. Wenn alle gleiche Meinung , genau das ist eine Konsensgesellschaft haben sollen, sind wir wieder im Sozialismus. Streit kontroverser Meinungen ist der Markenkern der Demokratie. Abgesehen davon formuliert der Journalist Andreas Speit Behauptungen ohne dafür Belege zu liefern.
Die pösen, gewalttätigen identitären hier bei der TAZ beim Plakatekleben zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=BrSUzFvnY4w
"taz-Mitarbeiterin bei Aktion von Identitären angegriffen"
Quelle: https://blogs.taz.de/hausblog/angriff-von-identitaeren/ Das ist der Qualitätsjournalismus der TAZ.
Susanne Blau
08.03.2019, 19.56 Uhr
Na, da hast Du einiges nicht verstanden, Demokrit
Ein Konsens entsteht, wenn man unterschiedliche Auffassungen versucht, zu einer gemeinsamen Position zu vereinigen. Das ist meist anstrengender als mit seiner Mehrheit einfach irgendeine Entscheidung herbeizuführen. Trotzdem ist es in unserer Gesellschaft bei wichtigen Themen - Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rentenversicherung, etc. - immer üblich gewesen, dass man sich um einen Konsens auch mit der Opposition bemüht.

Was wollen nun die Identitären: eben kein Bemühen um eine gemeinsame Position, kein Meinungsstreit mit dem Ziel einer gemeinsamen Position, sondern das Ende der Diskussionen (das Parlament als Schwatzbude - das hatten wir schon mal).

Schön dass unsere Demokratie hier wachsam ist!
tannhäuser
08.03.2019, 20.28 Uhr
Konsens suchen mit der Opposition?
Das war mal so, hat sich aber erledigt mit dem Einzug der AfD.

Seit 2015 ist das auch nicht mehr nötig, seit über die Köpfe des Parlaments hinweg die Bundeskanzlerin anordnet, was Gesetze oder nur lästige Reste von demokratischen Gepflogenheiten sind.

Und wenn doch abgestimmt wird, blockiert der Bundesrat.
Demokrit
09.03.2019, 18.30 Uhr
Werte Susanne Blau,
ich wusste gar nicht, dass ich ihnen ein "DU" angeboten habe.
Auf so einen Einheitsmeinungsbrei, sprich Konsens, kann ich verzichten.
In einer Demokratie ist nun mal kein Konsens nötig. Es reichen ganz einfach Mehrheiten, die man durch bessere Argumente erhält. Demokratie sollte ein Wettberwerb um die besseren Ideen und Argumente sein.
tannhäuser
09.03.2019, 18.55 Uhr
Der Beitrag wurde deaktiviert – Gehört nicht zum Thema.
Sheriff Pat
09.03.2019, 19.56 Uhr
Wie schafft man Mehrheiten?
Um ganz ehrlich zu sein, kann ich mich nicht mehr daran erinnern, dass irgend eine Partei in dieser Bundesrepublik in den letzten dreißig Jahren die absolute Mehrheit hatte. Und selbst wenn, muss auch innerhalb einer Partei ein Konsens zwischen den Richtungen oder Flügeln geschaffen werden. Zwischen Koalitionen muss tatsächlich immer ein Konsens geschaffen werden. Vielleicht nimmt Sie @Tannenhäuser, @Demokrit die Susanne nicht ernst, weil Sie dieses einfache Prinzip, ähnlich der Identitären, nicht verstanden haben?!
tannhäuser
09.03.2019, 22.05 Uhr
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