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Mo, 12:56 Uhr
02.04.2018
Angemerkt

Landwirtschaft sollte umsteuern

Am Donnerstag vergangener Woche veröffentlichte die nnz einen Beitrag zur Mitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes. Dazu ein Beitrag von Bodo Schwarzberg...


Gerade erschien bei Spiegel-Online ein Text über den Zustand der Fließgewässer in Deutschland als Mitteilung der Bundesregierung. Demnach sind mehr als 93 Prozent der Fließgewässer hinsichtlich der dort zu erwartenden Lebensgemeinschaften in einem schlechten Zustand: Hauptverursacher neben der Verbauung: Spritzmittel und Dünger, „Belastungen aus der Landwirtschaft“, wie es wörtlich heißt. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/bundesregierung-zu-wenig-leben-in-deutschen-fluessen-und-baechen-a-1200865.html

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Die Landwirte der Region sind Ausschnitt einer Weltgemeinschaft von Landwirten, die leider nicht alle das tun, wofür sie ursprünglich Wertschätzung genossen:

Nämlich die Menschheit mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Viel mehr versorgt die deutsche und internationale Landwirtschaft die Massen heute vor allem mit Negativmeldungen, die Folgen ihres Wirtschaftens sind: Seien es Nitrate im Grund- und teilweise im Trinkwasser jenseits der Grenzwerte, seien es Berichte mit juristischer Relevanz über Misshandlungen von Schweinen und Hühnern in diversen landwirtschaftlichen Tierintensivhaltungszentren oder über antibiotikaresistente Bakterienstämme, deren wahre Ursachen nicht mangelnde Hygiene, sondern profitmaximierender Einsatz von Antibiotika in den Tiermastfarmen. Allein das könnte zu einer weltweiten medizinischen Krise führen, wie angesehene Mediziner warnen.

Wenn ich im nnz-Beitrag vom 28.3. lese, dass den Landwirten "das Wasser bis zum Halse stehe", dann sehe ich vor mir in erster Linie landwirtschaftliche Unternehmer, die seit Jahrzehnten bereit sind, jede Flatulenz der Landwirtschaftspolitiker und des weltweiten Marktes zu akzeptieren, statt die Rückkehr zu einer regional vermarktenden, vom globalen Gehänge abgekoppelten Landeskultur einzufordern und zu beschreiten.

Vor einiger Zeit ging es um den Bau der Biomethananlage in Bielen, für die Landwirte Energiepflanzen anbauen. Dabei ist das Image der Biogasanlagen als Zentren der ökologischen Umgestaltung spätestens seit der bekannten Leopoldina-Studie und dem Grünlandreport des Bundesamtes für Naturschutz in vieler Hinsicht ruiniert (siehe dort).

Negativschlagzeilen machte auch der Verlust wertvollster Ackerflächen in der Goldenen Aue zugunsten des Industriegebietes ohne Investor. Während sich Landwirte in anderen Regionen gegen die Devastierung ihrer Felder stemmen, wird hier im Landkreis mitgemacht. Auch das aber kommt in der Öffentlichkeit nicht gut an. Dass es auch anders geht,ist hier zu lesen: www.sueddeutsche.de/bayern/flaechenverbrauch-ungewoehnlicher-bauernaufstand-gegen-gewerbegebiet-1.3897443.

Der Bürger ist längst bereit, mehr Geld für gute und ökologisch saubere Produkte vom Acker und aus dem Stall zu bezahlen. Das selbst verschuldete Negativ-Image der Landwirtschaft hat hinsichtlich dieses Meinungsumschwunges ganze und vor allem erfolgreiche Arbeit geleistet. An diesem Lichtblick, an dieser Chance, sollten sich viele Landwirte in Deutschland orientieren.

Auch international Negativschlagzeilen

Heute ist die großflächige Landwirtschaft international Hauptverursacher für die Zerstörung der Artenvielfalt durch Agrochemikalien und für den Raubbau an den Regenwäldern. Studien renommierter Institutionen hierzu gibt es genug. Der WWF zum Beispiel veröffentlichte eine detaillierte Weltwaldbilanz. Dort heißt es wörtlich: „Haupttreiber der Entwaldung ist die Landwirtschaft u.a. für Palmöl, Soja und Kakao. Sie ist für 80 % des Waldverlustes verantwortlich.“ http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Waldbericht-2018.pdf

Landwirte verfüttern auch bei uns Sojaprodukte, also Produkte des Raubbaus an Naturwäldern, an ihre Tiere.

Aus all den genannten Gründen wäre es besser und langfristig, ökonomisch und ökologisch zukunftsweisend, sich wieder auf heimatliche Stoffkreisläufe zu besinnen. Die Lebensgrundlagen von immer mehr Menschen, Tieren und Pflanzen zu beeinträchtigen oder gar zu zerstören, hat mit der ursprünglichen Aufgabe der Landwirtschaft nichts mehr zu tun.

Das bezieht sich schon heute auf von der Waldabholzung betroffene indigene Völker in den Entwicklungsländern, aber zunehmend mehr auch auf die Menschen ganzer Länder, die wegen der Degradierung ihrer einst naturnahen Landschaften und durch den Klimawandel immer öfter keinen Ackerbau mehr betreiben können. Ein trauriges Beispiel hierfür ist Nigeria, wo immer mehr junge Leute nicht mehr die Scholle ihrer Vorfahren bestellen können, sondern nur noch bei der Terrororganisation Boko Haram Brot und „Arbeit“ finden.

Verluste unwiederbringlicher Genressourcen

Historische, umweltfreundliche Anbaumethoden, widerstandsfähige, den lokalen Gegebenheiten angepasste Kulturpflanzensorten und vor allem das Wissen früherer Generationen werden einem Markt mit nur sehr wenigen Kulturpflanzen geopfert, der nach immer mehr und immer billigerem Fleisch, Milch- und Getreideprodukten verlangt. Und weil fast alle mitmachen.

In ökologischen und ökonomischen Extremsituationen aber stehen dann keine Alternativen mehr bereit. - Mit menschlich u.U. verheerenden Folgen, wie oben schon angedeutet.

Das Problem ist die Abhängigkeit der Preise und damit der Einnahmen von den Gelüsten der marktbeherrschenden Handelsketten und vom Wohlwollen der Politik, deren Profitstreben mit Subventionen für die Landwirte abzufedern.

Abfuhr für Biosphärenreservat. Warum?

Diese Abhängigkeit der Landwirte ist zu einem großen Teil selbstverschuldet. Landwirte aus dem Landkreis Nordhausen erteilen einem Biosphärenreservat eine Abfuhr, obwohl genau diese Kategorie wirtschaftlicher Entwicklung Wege aus der Misere aufzeigt. Eine Landwirtschaft zum Anfassen mit Produkten aus der Region täte Not, mit kleinen lokalen Kreisläufen und vor allem weniger Abhängigkeiten.

Hierfür gibt es übrigens funktionierende Beispiele auch bei uns im Landkreis. Und es würde ein Empfinden gestärkt werden, was sich viele Menschen wünschen: Mehr Heimat, mehr Rückbesinnung auf alte Werte. Die Landwirtschaft hat von jeher den höchsten Anteil an dem Heimatgefühl der Menschen.

Statt hier anzuknüpfen, kommen zu den gegenwärtigen Abhängigkeiten großer wirtschaftlicher Strukturen mit ihrer Fragilität und all ihren dramatischen ökonomischen und ökologischen Folgen noch unbegründete Ängste der Landwirte vor einem Biores hinzu. Schließlich muss an dieser Entwicklungsidee kein Landwirt mitmachen. Dieses Neue ist nur neu, wenn sie es wollen. Alles ist freiwillig. Wer will, kann weiterwirtschaften, wie bisher.

Ein Beitrag zur Entschärfung der Fronten würde eine Benennung der Flächen sein, auf denen ein Biosphärenreservat geschaffen werden sollte, und zwar öffentlich und nicht nur auf diversen Homepages. Hier gebe ich dem NUV-Chef Niels Neu vollständig Recht. Vor allem die Pflegezonen sollten im Suchraum genau benannt werden. Hier sähe ich, neben den Halbtrocken- und Trockenrasen, auch ein großes Potenzial in den Bergwiesen des Landkreises, die zu einem nicht kleinen Teil keiner Bewirtschaftung unterliegen, aber landwirtschaftlich nur wenig produktiv sind.

Es gäbe Lösungsmöglichkeiten zum Wohle aller am Moderationsprozess Beteiligten.
Bodo Schwarzberg
Autor: red

Anmerkung der Redaktion:
Die im Forum dargestellten Äußerungen und Meinungen sind nicht unbedingt mit denen der Redaktion identisch. Für den Inhalt ist der Verfasser verantwortlich. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.
Kommentare
D45
03.04.2018, 09.59 Uhr
Schwarzberg zu Herzen nehmen
Von Landwirtschaft habe ich nicht viel Ahnung, aber die Darstellungen von Bodo Schwarzberg leuchten ein. Er hat sich mit dem Thema intensiv beschäftigt, wie auch in anderen Kommentaren von ihm zu lesen ist. Ich bin über 70, mir geht es gut, auch weil ich nicht Unmengen von Fleisch verzehre. Auch deswegen nicht, weil die Tiere heute nichts mehr wert sind und auch so gehalten werden. Ein Hoch den wenigen Landwirten, die das Wohl der Natur und der Tiere wieder mehr in den Blick rücken.

Wer noch weiß, in welchem Zustand sich die Wipper zu DDR-Zeiten ab Wülfingerode befand, der im Trompetergraben die Abwässer der Sollstedter Kalihalde zugeführt wurden, der kann jetzt auch (wieder) den Zustand der deutschen Bäche und Flüsse erahnen. Die Kaliindustrie soll ihre Abwässer am liebsten gleich in die Nordsee entsorgen, aber die Landwirtschaft darf kräftig sprühen. Natürlich auch mit dem Mittel, wofür sich der vormalige Bundeslandwirtschaftsminister in Paris stark gemacht hat. Landwirte, Herr Schwarzberg schrieb es, euer Job ist, uns Menschen mit Nahrung zu versorgen. Tut es verantwortungsbewusst, fangt endlich damit an.
blackbird
03.04.2018, 15.04 Uhr
Vielen Dank Herr Schwarzberg,
Sie haben vollkommen Recht.
Auch ich wünsche mir, dass viele Menschen Ihren Artikel ausführlich lesen und ihn sich zu Herzen nehmen.
Fleisch kaufe ich sowieso nur noch beim regionalen Anbieter, wo ich weiß das die Tiere ordentlich gehalten werden. Da wir eher Geringverdiener sind, gibt`s davon eben weniger.

Genauso bin ich bereit für regionale Produkte aus der Landwirtschaft mehr zu zahlen, damit meine Kinder keine vergifteten Lebensmittel zu sich nehmen müssen. Ich kenne viele Familien die das auch zum Wohl ihrer Kinder so praktizieren und es werden immer mehr.
Herr Taft
03.04.2018, 16.20 Uhr
Wenn da nur nicht...
... diese Geiz-ist-geil-Mentalität wäre. Ich zahle beim Bauern 2,20 für 10 Eier und kann mir die fröhlich gackernden Hühner im Stall oder auf der Wiese dabei ansehen. Bei Aldi gibt's die Eier für weniger als die Hälfte.... OK, die stammen dann von ausgemergelten, halbnackten Legemaschinen mit wundem Ausgang.... Aber das sieht man eben nicht. Wie wäre es mit Schock-Bildern auf Eierpackungen in Analogie zu den Schock-Bildern bei Zigaretten.
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