Fr, 09:00 Uhr
24.02.2017
Grundsteinlegung an der Hochschule
Von der Wiege bis zur Wiege
Papier- und Glasrecycling gehört hierzulande zum Alltag. Mit der "Recyclingregion Harz" will die Nordhäuser Hochschule zusammen mit Partnern aus den angrenzenden Bundesländern den nächsten Schritt gehen und die Grundlagen für die zukünftige Rückführung und Wiederverwendung von Metallen und Kunststoffen schon heute schaffen...
Wir sind umgeben vom Öl. Der Treibstoff des 20. Jahrhunderts gehört nicht nur in den Tank des fahrbahren Untersatzes, sondern in so ziemlich jedem Kunststoff und der findet sich wiederrum - von der Pralinenverpackung bis zum Smartphone - überall. Sogar manche Pappverpackung ist noch mit Kunststoff überzogen.
Wir Leben in einer Plastik, einer Kunststoffwelt. Der vielfach befürchtete Öl-Zenit, der das Ende dieser Ära einleiten könnte, kommt wohl später als bisher befürchtet. Dank der Entdeckung neuer Rohstoffvorkommen und besserer Extraktionstechnik ist die Zeit des schwarzen Goldes wohl noch lange nicht vorbei. Konservative Schätzungen gehen inzwischen davon aus dass die Vorräte noch rund 100 Jahre reichen, optimisterische Betrachtungen sehen sogar ein Polster von 200 Jahren und mehr.
Also kann die Party weitergehen wie bisher? Eher nicht. Alternativen zur Abhängigkeit vom Öl, etwa biologische Kunststoffe, sind im Moment noch nicht wirtschaftlich, alternative Antriebsformen fassen nur langsam Fuß. Die Wirtschaftlichkeitslücke wird aber früher oder später verschwinden. "Es macht einen Unterschied ob man in der Wüste 50 Meter in die Tiefe bohren muss, oder 1000 Meter in der Arktis, dass Öl einfach zu verbrennen macht dann kaum noch Sinn.", sagt Christian Borowski von der Nordhäuser Hochschule. Zusammen mit den Kollegen von der Technischen Universität Clausthal und der Hochschule Magdeburg-Stendal arbeitet der Ingenieur an der Verwirklichung der "Recyclingregion Harz".
Wo andere nur Abfall sehen, finden die Forscher Wertstoffe, die zurückgewonnen werden könnten, wenn man den Willen, das Wissen und die Technik dafür hat. Über die Grenzen der Bundesländer hinweg will man in Zukunft das gemeinsame Know-How nutzen um den Gedanken der Wiederverwertung auch im Bereich Kunststoffe und Metalle zu etablieren.
Die Hochschulen der Harz-Anrainer wollen hier eine zentrale Rolle spielen. Einen weiteren Schritt dahin hat man gestern getan und vor dem August-Kramer-Institut der Hochschule einen symbolischen Grundstein für die Wertstoffwende gelegt. Neben einer Bildungsoffensive will man auch ein Kunstoffkompetenzzentrum und ein Wertstoffzentrum einrichten. Letzteres soll der Hochschule bessere und realistischere Möglichkeiten in der Erforschung und Erprobung neuer Techniken geben, erklärte Prof. Dr. Jürgen Poerschke, unter dessen Ägide das Pilotprojekt in Nordhausen organisiert wird.
Der "Wiege zur Wiege"-Gedanke, also die Idee ein Produkt von vornherein so zu gestalten das es am Ende seines "Lebens" nicht in den Abfall wandert sondern die Basis für eine neue Nutzung bietet, hält in Wirtschaft und Gesellschaft nur langsam Einzug. Bei dieser Problematik setzen die Überlegungen der Forschergruppe an.
Die Schwierigkeit beim Recyclen ist die Stofftrennung. "Fast alle Stoffe sind recyclebar", sagt Ingenieur Borowski, allein der Aufwand die Stoffe wieder voneinander zu trennen, aufzubereiten und die nötige Energie für diese Prozesse bereitzustellen ist hoch und damit nicht wirtschaftlich. Hinzu kommt das Kunststoff nicht gleich Kunststoff ist und überall universell eingesetzt werden könnte.
Im August-Kramer-Institut der Nordhäuser Hochschule befasst man sich seit langem mit besseren Sortiertechniken. Im Bereich Kunststoffe etwa nutzt man Infrarot-Technik um die Wellenlängen unterschiedlicher Kunststoffe zu erfassen und so zu unterscheiden. Bei sogenannten "schwarzen Kunststoffen", die vielfach in modernen Elektrogeräten vorkommen, funktioniert das allerdings nicht. Hier nutzt man ein Gleitfunken-Spektrometer welches Kunststoffteilchen verdampft und die entstehenden Gase analysiert.
Das Schiff ist wieder im Fahrwasser - bis zum Ende des Jahres könnte das neue Wertstoffzentrum an den Start gehen (Foto: Angelo Glashagel) Bisher hat man Verfahren wie diese unter Modellbedingungen erprobt und nur gereinigte Abfall-Gemische genutzt. Im neuen Wertstoffzentrum soll das anders werden, hier wird man unter realen Bedingungen Auswirkungen auf Verfahren und Technik testen können. Fünf Standorte sind hierfür zur Zeit im Gespräch, ob es einen Neubau geben wird oder man entsprechende Räumlichkeiten mietet steht noch offen. "Wir sind gut aufgestellt, das Schiff ist wieder im Fahrwasser", freute sich Professor Poerschke. Bis zum Stapellauf könnte es aber noch eine Weile dauern, läuft alles nach Plan könne man bis zum Ende des Jahres die "Funktionsfähigkeit herstellen". Der symbolischen Grundsteinlegung von heute könnte dann eine praktische Zeremonie folgen - in dem Zylinder, in dem heute die Zeitkapsel versenkt wurde, hat man in weiser Vorraussicht schon einmal etwas Platz gelassen.
Angelo Glashagel
Vom Beginn der Wertstoffwende gibt es auch einen kurzen
Videoclip
Autor: redWir sind umgeben vom Öl. Der Treibstoff des 20. Jahrhunderts gehört nicht nur in den Tank des fahrbahren Untersatzes, sondern in so ziemlich jedem Kunststoff und der findet sich wiederrum - von der Pralinenverpackung bis zum Smartphone - überall. Sogar manche Pappverpackung ist noch mit Kunststoff überzogen.
Wir Leben in einer Plastik, einer Kunststoffwelt. Der vielfach befürchtete Öl-Zenit, der das Ende dieser Ära einleiten könnte, kommt wohl später als bisher befürchtet. Dank der Entdeckung neuer Rohstoffvorkommen und besserer Extraktionstechnik ist die Zeit des schwarzen Goldes wohl noch lange nicht vorbei. Konservative Schätzungen gehen inzwischen davon aus dass die Vorräte noch rund 100 Jahre reichen, optimisterische Betrachtungen sehen sogar ein Polster von 200 Jahren und mehr.
Also kann die Party weitergehen wie bisher? Eher nicht. Alternativen zur Abhängigkeit vom Öl, etwa biologische Kunststoffe, sind im Moment noch nicht wirtschaftlich, alternative Antriebsformen fassen nur langsam Fuß. Die Wirtschaftlichkeitslücke wird aber früher oder später verschwinden. "Es macht einen Unterschied ob man in der Wüste 50 Meter in die Tiefe bohren muss, oder 1000 Meter in der Arktis, dass Öl einfach zu verbrennen macht dann kaum noch Sinn.", sagt Christian Borowski von der Nordhäuser Hochschule. Zusammen mit den Kollegen von der Technischen Universität Clausthal und der Hochschule Magdeburg-Stendal arbeitet der Ingenieur an der Verwirklichung der "Recyclingregion Harz".
Wo andere nur Abfall sehen, finden die Forscher Wertstoffe, die zurückgewonnen werden könnten, wenn man den Willen, das Wissen und die Technik dafür hat. Über die Grenzen der Bundesländer hinweg will man in Zukunft das gemeinsame Know-How nutzen um den Gedanken der Wiederverwertung auch im Bereich Kunststoffe und Metalle zu etablieren.
Die Hochschulen der Harz-Anrainer wollen hier eine zentrale Rolle spielen. Einen weiteren Schritt dahin hat man gestern getan und vor dem August-Kramer-Institut der Hochschule einen symbolischen Grundstein für die Wertstoffwende gelegt. Neben einer Bildungsoffensive will man auch ein Kunstoffkompetenzzentrum und ein Wertstoffzentrum einrichten. Letzteres soll der Hochschule bessere und realistischere Möglichkeiten in der Erforschung und Erprobung neuer Techniken geben, erklärte Prof. Dr. Jürgen Poerschke, unter dessen Ägide das Pilotprojekt in Nordhausen organisiert wird.
Der "Wiege zur Wiege"-Gedanke, also die Idee ein Produkt von vornherein so zu gestalten das es am Ende seines "Lebens" nicht in den Abfall wandert sondern die Basis für eine neue Nutzung bietet, hält in Wirtschaft und Gesellschaft nur langsam Einzug. Bei dieser Problematik setzen die Überlegungen der Forschergruppe an.
Die Schwierigkeit beim Recyclen ist die Stofftrennung. "Fast alle Stoffe sind recyclebar", sagt Ingenieur Borowski, allein der Aufwand die Stoffe wieder voneinander zu trennen, aufzubereiten und die nötige Energie für diese Prozesse bereitzustellen ist hoch und damit nicht wirtschaftlich. Hinzu kommt das Kunststoff nicht gleich Kunststoff ist und überall universell eingesetzt werden könnte.
Im August-Kramer-Institut der Nordhäuser Hochschule befasst man sich seit langem mit besseren Sortiertechniken. Im Bereich Kunststoffe etwa nutzt man Infrarot-Technik um die Wellenlängen unterschiedlicher Kunststoffe zu erfassen und so zu unterscheiden. Bei sogenannten "schwarzen Kunststoffen", die vielfach in modernen Elektrogeräten vorkommen, funktioniert das allerdings nicht. Hier nutzt man ein Gleitfunken-Spektrometer welches Kunststoffteilchen verdampft und die entstehenden Gase analysiert.
Das Schiff ist wieder im Fahrwasser - bis zum Ende des Jahres könnte das neue Wertstoffzentrum an den Start gehen (Foto: Angelo Glashagel) Bisher hat man Verfahren wie diese unter Modellbedingungen erprobt und nur gereinigte Abfall-Gemische genutzt. Im neuen Wertstoffzentrum soll das anders werden, hier wird man unter realen Bedingungen Auswirkungen auf Verfahren und Technik testen können. Fünf Standorte sind hierfür zur Zeit im Gespräch, ob es einen Neubau geben wird oder man entsprechende Räumlichkeiten mietet steht noch offen. "Wir sind gut aufgestellt, das Schiff ist wieder im Fahrwasser", freute sich Professor Poerschke. Bis zum Stapellauf könnte es aber noch eine Weile dauern, läuft alles nach Plan könne man bis zum Ende des Jahres die "Funktionsfähigkeit herstellen". Der symbolischen Grundsteinlegung von heute könnte dann eine praktische Zeremonie folgen - in dem Zylinder, in dem heute die Zeitkapsel versenkt wurde, hat man in weiser Vorraussicht schon einmal etwas Platz gelassen.
Angelo Glashagel
Vom Beginn der Wertstoffwende gibt es auch einen kurzen
Videoclip
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