Di, 09:00 Uhr
23.02.2016
3. Werkstatt Zukunftsstadt Nordhausen
Visionär aber realistisch
Am gestrigen Abend fand die dritte Werkstatt zur "Zukunftsstadt Nordhausen" statt. Dieses mal sollte es darum gehen wie Stadt und Land energetisch umgebaut werden können. Wie sich zeigen sollte hört das Thema nicht bei Wärmedämmung und Solarenergie auf...
Wie sieht die Stadt von morgen aus? Dieser Frage ging man gestern Abend im Ratssaal in der dritten Werkstatt zur "Zukunftsstadt Nordhausen" nach. Hinter den Veranstaltungen verbirgt sich ein Wettbewerb des Forschungsminiteriums an dem zur Zeit 55 Städte und Gemeinden in ganz Deutschland teilnehmen. Nur acht werden am Ende in den vollen Genuss von Fördermitteln kommen um auch praktische Projekte umsetzen zu können.
Maßgabe der Werkstätten ist es daher auch, nicht nur theoretische Wünsch-dir-was-Szenarien durchzuspielen, sondern sich nah an der Praxis zu bewegen. Dazu gab es auch gestern wieder zum Einstieg mehrere Impulsvorträge und anschließende Gruppendiskussionen.
Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen ähnlicher Zielstellung blieb das Interesse seitens der engagierten Bürger auch bei Werkstatt Nummer drei erstaunlicherweise konstant hoch - der Ratssaal war gut gefüllt, mehr als 40 private Häuslebauer, Studenten, Professoren, Architekten und Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften, der Verwaltung, der EVN und der IBA Thüringen waren gekommen.
Für den nötigen Input sorgten zunächst die Professoren Everding und Große von der Nordhäuser Hochschule, welche die momentane Situation in Nordhausen unter die Lupe nahmen. So habe es zwischen den 90er Jahren und der Mitte der 2000er erhebliche Sanierungsbemühungen in der Stadt gegeben, sodass bereits viel Dämmung vorhanden ist und man auch anderswo nach Optimierungspotential suchen müsse, etwa bei Wärmeversorgungssystemen, Müll, Strom, Kommunikation und der "Wertstoffwende". "Wer Ressourcen spart, spart auch Energie", sagte Prof. Dr. Dagmar Everding. An der Hochschule führt man zur Zeit auch Systemvergleiche von Erdgas, Fernwärme und Erneuerbaren Modellen durch. "Ein dickes Brett" sei das, meinte Prof. Dr. Rainer Große, man habe an der Hochschule heute die nötige Expertise, aber noch keine fertigen Lösungen.
Auch Veranstaltung Nummer drei war überraschend gut besucht (Foto: Angelo Glashagel) Das liegt auch daran, das man es nicht mit idealen Bedingungen zu tun hat. Wer heute richtige "Zukunftsstädte" planen will, der braucht vor allem eines und das ist: Platz. In der Mongolei oder auch Abu Dhabi hat man genau das. Hier gibt es tatsächliche Pläne für ganze energieeffiziente Städte, berichtete Christina Sager-Krauß vom Frauenhofer Institut für Bauphysik. Auch die Technik Häuser so zu bauen, das sie Enerigeautark funktionieren, gibt es spätestens seit 1992, erzählte die Forscherin. Inzwischen gebe es "Plus-Energie Gebäude", also Häuser die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen, schon "von der Stange".
Das sind schöne Neuigkeiten nur passen sie nicht auf die Bebauungssituation in der durchschnittlichen deutschen Kleinstadt. Zwischen sehr alter Bausubstanz und großen Wohnblöcken jüngeren Datums bräuchte es deswegen auch mehr als singuläre Lösungsansätze, meinte Sager-Krauß. Aktuell schreitet die Reduktion des Wärmeverbrauchs mit rund 1% pro Jahr nicht eben gerade schnell voran. Die Austauschrate bei Geräten ist mit 3% ähnlich niedrig, Neubau und Abriss halten sich in etwa die Waage. Deswegen müsse man "mehr Querdenken" und zum Beispiel das "Lastmanagement" verbessern, es also schaffen Energiekapazitäten intelligent zu verschieben. "Die Technik dazu ist vorhanden und vieles kann umgesetzt werden", sagte Christina Sager-Krauß, "aber man braucht einen langen Atem".
Doris Gstach von der Erfurter Fachhochschule befasste sich damit wie die Energiewende die Landschaft verändert. Der Begriff "Verspargelung" drängt sich auf. Dabei ist die Veränderung der Umgebung durch den Energiehunger des Menschen eigentlich nichts neues. Die Lüneburger Heide oder auch einfach der nächste Stausee sind gut Beispiele.
Windparks und Solarfelder haben aber doch noch einmal eine andere Qualität als Bergsee oder Heidelandschaft. Was nicht heißt, das man sich nicht daran gewöhnen kann. In Norddeutschland, wo der Wind-Boom begann, kann man dieses als "heimatliche Alltagslandschaft" bezeichnete Phänomen schon heute beobachten. Für die jüngere Generation gehören die Windräder schlicht zur Landschaft dazu. Eine andere Möglichkeit die Akzeptanz zu erhöhen ist kreativere Gestaltung von Stromtrassen, Windrädern oder Solaranlagen, im kleinen wie im großen.
Steffen Langer von ADOBE Architekten schließlich stellte die Frage nach Effizienz und Suffizienz. Für ihn ist Nachhaltigkeit wichtiger als Energieeffizienz. Macht es Sinn alles mit High-Tech lösen zu wollen? Und entspricht der gesellschaftlich verankerte Wachstumsgedanke der Zukunftsvision?
Über diese und andere Fragen wurde anschließend in drei Arbeitsgruppen diskutiert und an Ideen gesponnen. Ein Ansatz etwa, der mehr zum Nachhaltigkeitsgedanken tendiert, ist der Verzicht auf Naturgips, zumindest im Baubereich. Als Ersatz könne man auf Recyclinggips setzen und mit entsprechenden Kapazitäten vor Ort auch Vorreiter in der Produktion sein. Eine andere Idee, aus dem studentischen Spektrum, ist das "Solarkraftwerk Bahnhof". Brächte man auf den Gebäuden des Bahnhofsviertels Photovoltaik an, könnte zumindest dieses Gebiet zu großen Teilen Energieautark funktionieren.
Grundsätzlich erscheint der Quartiersansatz vielversprechend. Beispiel Altstadt: anstatt die alte Bausubstanz bis zur unkenntlichkeit auf perfekte Wärme- und Energieauslastung zu sanieren, könnten neue Häuser in Baulücken derart errichtet werden, dass sie die Gesamtbilanz ausgleichen. Dafür aber braucht es gemeinschaftliche Lösungen unter den Hauseigentümern, die auch Abwärme und Eigenstrom aufteilen.
Grundsätzlich heißt die Prämisse: realistisch bleiben. Zur vorerst letzten Veranstaltung zur "Zukunftsstadt" Mitte März will man dann gemeinsam "die Vision" entwickeln, gepaart mit praktischen, realistischen Projektideen, die umsetzbar sind. Das sind die Kriterien anhand derer das weiterkommen im Wettbewerb im Laufe des Jahres in Berlin entschieden wird. Ob und wie es mit der "Zukunftsstadt Nordhausen" weiter gehen kann, wird man dann erst im Herbst erfahren.
Angelo Glashagel
Autor: redWie sieht die Stadt von morgen aus? Dieser Frage ging man gestern Abend im Ratssaal in der dritten Werkstatt zur "Zukunftsstadt Nordhausen" nach. Hinter den Veranstaltungen verbirgt sich ein Wettbewerb des Forschungsminiteriums an dem zur Zeit 55 Städte und Gemeinden in ganz Deutschland teilnehmen. Nur acht werden am Ende in den vollen Genuss von Fördermitteln kommen um auch praktische Projekte umsetzen zu können.
Maßgabe der Werkstätten ist es daher auch, nicht nur theoretische Wünsch-dir-was-Szenarien durchzuspielen, sondern sich nah an der Praxis zu bewegen. Dazu gab es auch gestern wieder zum Einstieg mehrere Impulsvorträge und anschließende Gruppendiskussionen.
Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen ähnlicher Zielstellung blieb das Interesse seitens der engagierten Bürger auch bei Werkstatt Nummer drei erstaunlicherweise konstant hoch - der Ratssaal war gut gefüllt, mehr als 40 private Häuslebauer, Studenten, Professoren, Architekten und Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften, der Verwaltung, der EVN und der IBA Thüringen waren gekommen.
Für den nötigen Input sorgten zunächst die Professoren Everding und Große von der Nordhäuser Hochschule, welche die momentane Situation in Nordhausen unter die Lupe nahmen. So habe es zwischen den 90er Jahren und der Mitte der 2000er erhebliche Sanierungsbemühungen in der Stadt gegeben, sodass bereits viel Dämmung vorhanden ist und man auch anderswo nach Optimierungspotential suchen müsse, etwa bei Wärmeversorgungssystemen, Müll, Strom, Kommunikation und der "Wertstoffwende". "Wer Ressourcen spart, spart auch Energie", sagte Prof. Dr. Dagmar Everding. An der Hochschule führt man zur Zeit auch Systemvergleiche von Erdgas, Fernwärme und Erneuerbaren Modellen durch. "Ein dickes Brett" sei das, meinte Prof. Dr. Rainer Große, man habe an der Hochschule heute die nötige Expertise, aber noch keine fertigen Lösungen.
Auch Veranstaltung Nummer drei war überraschend gut besucht (Foto: Angelo Glashagel) Das liegt auch daran, das man es nicht mit idealen Bedingungen zu tun hat. Wer heute richtige "Zukunftsstädte" planen will, der braucht vor allem eines und das ist: Platz. In der Mongolei oder auch Abu Dhabi hat man genau das. Hier gibt es tatsächliche Pläne für ganze energieeffiziente Städte, berichtete Christina Sager-Krauß vom Frauenhofer Institut für Bauphysik. Auch die Technik Häuser so zu bauen, das sie Enerigeautark funktionieren, gibt es spätestens seit 1992, erzählte die Forscherin. Inzwischen gebe es "Plus-Energie Gebäude", also Häuser die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen, schon "von der Stange".
Das sind schöne Neuigkeiten nur passen sie nicht auf die Bebauungssituation in der durchschnittlichen deutschen Kleinstadt. Zwischen sehr alter Bausubstanz und großen Wohnblöcken jüngeren Datums bräuchte es deswegen auch mehr als singuläre Lösungsansätze, meinte Sager-Krauß. Aktuell schreitet die Reduktion des Wärmeverbrauchs mit rund 1% pro Jahr nicht eben gerade schnell voran. Die Austauschrate bei Geräten ist mit 3% ähnlich niedrig, Neubau und Abriss halten sich in etwa die Waage. Deswegen müsse man "mehr Querdenken" und zum Beispiel das "Lastmanagement" verbessern, es also schaffen Energiekapazitäten intelligent zu verschieben. "Die Technik dazu ist vorhanden und vieles kann umgesetzt werden", sagte Christina Sager-Krauß, "aber man braucht einen langen Atem".
Doris Gstach von der Erfurter Fachhochschule befasste sich damit wie die Energiewende die Landschaft verändert. Der Begriff "Verspargelung" drängt sich auf. Dabei ist die Veränderung der Umgebung durch den Energiehunger des Menschen eigentlich nichts neues. Die Lüneburger Heide oder auch einfach der nächste Stausee sind gut Beispiele.
Windparks und Solarfelder haben aber doch noch einmal eine andere Qualität als Bergsee oder Heidelandschaft. Was nicht heißt, das man sich nicht daran gewöhnen kann. In Norddeutschland, wo der Wind-Boom begann, kann man dieses als "heimatliche Alltagslandschaft" bezeichnete Phänomen schon heute beobachten. Für die jüngere Generation gehören die Windräder schlicht zur Landschaft dazu. Eine andere Möglichkeit die Akzeptanz zu erhöhen ist kreativere Gestaltung von Stromtrassen, Windrädern oder Solaranlagen, im kleinen wie im großen.
Steffen Langer von ADOBE Architekten schließlich stellte die Frage nach Effizienz und Suffizienz. Für ihn ist Nachhaltigkeit wichtiger als Energieeffizienz. Macht es Sinn alles mit High-Tech lösen zu wollen? Und entspricht der gesellschaftlich verankerte Wachstumsgedanke der Zukunftsvision?
Über diese und andere Fragen wurde anschließend in drei Arbeitsgruppen diskutiert und an Ideen gesponnen. Ein Ansatz etwa, der mehr zum Nachhaltigkeitsgedanken tendiert, ist der Verzicht auf Naturgips, zumindest im Baubereich. Als Ersatz könne man auf Recyclinggips setzen und mit entsprechenden Kapazitäten vor Ort auch Vorreiter in der Produktion sein. Eine andere Idee, aus dem studentischen Spektrum, ist das "Solarkraftwerk Bahnhof". Brächte man auf den Gebäuden des Bahnhofsviertels Photovoltaik an, könnte zumindest dieses Gebiet zu großen Teilen Energieautark funktionieren.
Grundsätzlich erscheint der Quartiersansatz vielversprechend. Beispiel Altstadt: anstatt die alte Bausubstanz bis zur unkenntlichkeit auf perfekte Wärme- und Energieauslastung zu sanieren, könnten neue Häuser in Baulücken derart errichtet werden, dass sie die Gesamtbilanz ausgleichen. Dafür aber braucht es gemeinschaftliche Lösungen unter den Hauseigentümern, die auch Abwärme und Eigenstrom aufteilen.
Grundsätzlich heißt die Prämisse: realistisch bleiben. Zur vorerst letzten Veranstaltung zur "Zukunftsstadt" Mitte März will man dann gemeinsam "die Vision" entwickeln, gepaart mit praktischen, realistischen Projektideen, die umsetzbar sind. Das sind die Kriterien anhand derer das weiterkommen im Wettbewerb im Laufe des Jahres in Berlin entschieden wird. Ob und wie es mit der "Zukunftsstadt Nordhausen" weiter gehen kann, wird man dann erst im Herbst erfahren.
Angelo Glashagel
Kommentare
Frankledig
23.02.2016, 10.21 Uhr
Planen...
Keinen Pfennig in der Hosentasche aber träumen....
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