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Mi, 18:18 Uhr
08.07.2015

Aufbruchstimmung im Container

Vor 25 Jahren kehrten mit der Wende auch Bankhäuser wieder nach Nordhausen zurück, die seit 1945 hier keine Geschäfte mehr machen konnten. Die Commerzbank erinnerte heute an die aufregenden Tage kurz nach der Wende, sprach auch über die Höhen und Tiefen der Nuller-Jahre und die Zukunft des Geldes...

Euphorie im Container - vor 25 Jahren kehrte die Commerzbank nach Nordhausen zurück (Foto: Commerzbank Nordhausen) Euphorie im Container - vor 25 Jahren kehrte die Commerzbank nach Nordhausen zurück (Foto: Commerzbank Nordhausen)

Andrew Brotrück arbeitet seit 25 Jahren bei der Commerzbank und hat es inzwischen zum Filialleiter in Nordhausen gebracht. Für das Pressegespräch zum 25. Jubiläum der Rückkehr der Bank in die Rolandsstadt kramte, er tief in seinen Erinnerungen und dem Archiv der eigenen Filiale.

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Anno 1990 mussten die Banker in den neuen Bundesländern wieder bei Null anfangen, ein Bankenwesen ähnlich dem Westdeutschlands war nicht existent, die Staatsbank sorgte für die Geldversorgung. "Wir kannten eigentlich nur Sparbücher und die grünen Schecks", erzählte Brotrück. Mit der Finanzwelt hatte der damals 18-jährige noch nichts am Hut, wollte eigentlich Elektrotechniker werden, bis er auf die Anzeigen der Commerzbank stieß, die nach Auszubildenden suchte. 7000 Bewerber hätte es damals auf 120 Stellen gegeben, sagte Brotrück, irgendwie habe er es durch die Bewerbungsgespräche in Leipzig geschafft und begann schließlich seine Ausbildung in Essen.

In der Zeit, in der die Geldinstitute wie Commerzbank, Dresdner Bank und Deutsche Bank in Nordhausen wieder Fuß fassten, war Brotrück also nicht dabei. Dr. Bernd Redlich, inzwischen Herr über neun Filialen seiner Bank, aber schon. Weil keine passenden Räume zur Verfügung standen, erzählte Redlich, habe man damals in Containern arbeiten müssen. Aus einem "Commerzbank Container" wurden bald zwei, bald ein ganzes Ensemble. Die Kollegen von der Dresdner und der Deutschen Bank hatten es da einfacher, die übernahmen die Staatsbank der DDR.

"Wir hatten ein Telefon und keine Leitung zu den Kollegen in den Westen", berichtete Redlich, man sei auf Dächer gestiegen um Funkverbindungen herstellen zu können und musste allgemein noch viel von Hand machen, mit Papier arbeiten. Computer gab es zwar, das große Internetzeitalter war aber noch fern. Das sei eine spannende und aufregende Zeit gewesen, sagte Redlich, und auch wenn die Arbeitsbedingungen schwer waren: "auch das ging".

In den kleinen Bankboxen mit wenigen Fenstern mussten nicht nur die Mitarbeiter einiges aushalten, sondern auch die Kunden viel Geduld aufbringen. Sieht man sich die Bilder an, kommt man nicht umhin an aktuelle Geschehnisse zu denken, Stichwort Griechenland. Nur das die langen Schlangen vor den Bankschaltern damals unter anderen Vorzeichen standen, als heute in Hellas.

Filialleiter Andrew Brotrück und Direktor Dr. Bernd Redlich schwelgten heute in Erinnerungen (Foto: Angelo Glashagel) Filialleiter Andrew Brotrück und Direktor Dr. Bernd Redlich schwelgten heute in Erinnerungen (Foto: Angelo Glashagel)

Die Zahl der Neukunden stieg von 400 im Juli 1990 auf gut 3600 im Januar des folgenden Jahres, Wachstumszahlen von denen die Banker heute nur noch träumen können. Ebensowenig sind heute die Zinssätze nachzuvollziehen, die damals geboten worden: zwischen 7 und 9% ab 5000 DM Sparguthaben. Kredite wurden in der Anfangszeit vor allem für Autos vergeben, erst später kamen die Existenzgründer und Mitte der 90er setzte eine gewisse Konsolidierungsphase ein, berichteten die Banker.

Die Tresore waren ebenfalls eher provisorischer Natur, Alarmgesichert ja, aber kein Vergleich zu heute. "Wir bewahrten das Geld teilweise im Schreibtisch auf", erzählte Direktor Redlich, das Vertrauen sei damals größer gewesen. An anderer Stelle kam man sogar moderner her, als die Kollegen im Westen, immerhin gab es in Nordhausen bald einen Geldautomaten der Bank. An Brotrücks Ausbildungsort Essen waren es zu der Zeit gerade einmal zwei - bei rund dreißig Filialen in der Stadt.

Einst residierte die Bank gegenüber dem Nordhäuser Rathaus (Foto: Commerzbank Nordhausen) Einst residierte die Bank gegenüber dem Nordhäuser Rathaus (Foto: Commerzbank Nordhausen) Bei aller Nostalgie sieht das Bankhaus aber auch auf schwere Zeiten zurück. Unter dem Namen "Commerz- und Privatbank" trat das Unternehmen 1920 in Nordhausen in Erscheinung und residierte im Schicken Gründerzeitbau gegenüber des Rathauses. Heute befindet sich hier das Buchhaus Rose, von der alten Pracht ist nichts geblieben. Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges verschwand die Bank, wie alle anderen auch, aus der sowjetischen Besatzungszone und nach der Euphorie der 90er folgten in den Nuller-Jahren, gelinde gesagt, schwere Zeiten.

"Höhen und Tiefen gab es schon immer", erzählte Direktor Redlich. Drei große Einschnitte habe man zu verkraften gehabt. Da war das platzen der "New Economy" - Blase Ende der 90er Jahre. Auch die Banken hätten damals Fehler gemacht, es war die Zeit der "Volksaktie" der Telekom, "jeder dachte man müsse Aktien besitzen, ohne um die Risiken zu wissen." Dann kam der 11. September 2001 und die Börsenkurse sanken in den Keller. 2008 schließlich, als man sich gerade noch über die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank gefreut hatte, setzte die Lehmann-Pleite in den USA die globale Finanzkrise in Bewegung.

Und heute? Man habe aus den Fehlern gelernt, sagen die Banker, die gesetzlichen Vorschriften seien viel strenger, die Risikoaufklärung gegenüber dem Kunden "gründlicher und tiefer". Internationale Entwicklungen wie den "Grexit" fürchte man nicht, "die Systemrelevanten Banken haben ihre Hausaufgaben gemacht", sagte Filialleiter Brotrück, ein Austritt Griechenlands aus dem Euro sei heute "keine nachhaltige Belastung" für Institute wie die Commerzbank. Wie es sich mit anderen Banken, etwa aus dem Ausland, und den Gegenseitigen Verflechtungen verhalte, das könne aber niemand sagen.

In 25 Jahren sieht wieder alles anders aus - Beratung und Bargeld werden uns aber wohl erhalten bleiben (Foto: Commerzbank Nordhausen) In 25 Jahren sieht wieder alles anders aus - Beratung und Bargeld werden uns aber wohl erhalten bleiben (Foto: Commerzbank Nordhausen) Seit einigen Jahren spürt man den Einfluss der zunehmenden Digitalisierung. Hier sei man ganz vorn, sagen die Banker, das "Foto-TAN" Verfahren sei "sehr sicher". Zudem übernehme man 100% Garantien, falls mit der neuen Methode doch mal etwas schief laufen sollte.

Die Filialen werden kleiner, das Verhalten der Kunden, vor allem der jungen, ändere sich. Statt dem Kontoauszug konsultiert man heute eine entsprechende App. Die Beratung werde aber trotzdem nicht aussterben, gerade bei der Altersvorsorge und der Baufinanzierung brauche man den persönlichen Kontakt, erklärte Redlich. Und auch das Bargeld wird uns erhalten bleiben, meint der Banker.

Kollege Brotrück war da vorsichtiger, ganz ausschließen könne man die Umstellung auf rein digitale Zahlungsmittel nicht, "in Kürze" sei das aber nicht realisierbar. "Es bleibt spannend", sagte Brotrück, "in 25 Jahren wird wieder alles anders aussehen".

Wer sich selbst ein Bild davon machen will, wie die Commerzbank vor einem Vierteljahrhundert wieder nach Nordhausen kam, der kann in der Filiale in der Bahnhofstraße eine kleine Ausstellung zum Thema besuchen, die noch einige Zeit zu sehen sein soll.
Angelo Glashagel
Autor: red

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