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So, 09:00 Uhr
17.05.2015

Roter Teppich zum Geburtstag

Im Tabakspeicher wurde gestern Abend der rote Teppich ausgerollt: zum 20. Geburtstag des Museums waren Freunde, Unterstützer, Kollegen und Nordhäuser Prominenz aus Politik und Kultur gekommen. Anlässlich des Jubiläums wurde die Frage gestellt, wieviel wollen wir von Nordhausen bewahren?

Volles Haus zum Jubiläum - im Tabakspeicher konnte man zum zwanzigsten Geburtstag zahlreiche Gäste begrüßen (Foto: Angelo Glashagel) Volles Haus zum Jubiläum - im Tabakspeicher konnte man zum zwanzigsten Geburtstag zahlreiche Gäste begrüßen (Foto: Angelo Glashagel)

"Wir sind 20 Jahre jung, auch wenn wir alte Sachen ausstellen", sagte Museumsleiter Rennebach anlässlich des Tabakspeichergeburtstages, "und ich hoffe wir bekommen noch 20 weitere Jahre". Am 18. Mai 1995 war der Tabakspeicher vom damaligen Bürgermeister Klaus Wahlbuhl eröffnet wurden.

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Dem vorangegangen war ein außergewöhnlicher Wandel. Denn dort, wo heute weiße Wände das Fachwerk erstrahlen lassen, fand man in den Jahren nach der Wende nur Ruinen vor. Wie soviele alte Gebäude aus der von Bombenangriffen fast unversehrten Altstadt vor ihm, drohte der wurmstichige Tabakschuber endgültig zu verfallen.

Die Gäste des Nordhäuser Tabakspeichers wurden auf dem roten Teppich begrüßt (Foto: Angelo Glashagel) Die Gäste des Nordhäuser Tabakspeichers wurden auf dem roten Teppich begrüßt (Foto: Angelo Glashagel)

Das der Bau aus dem Jahre 1712 heute einer der Anziehungspunkte in Nordhausen ist, hat man einem Mann, oder vielmehr einer Stiftung zu verdanken. Andreas Lesser, gebürtiger Müncher und Nachfahre des Nordhäuser Theologen und Historikers Friedrich Christian Lesser, nahm sich mit seiner nach seinem Vorfahren benannten Stiftung dem Gebäude an. Lesser ließ das Haus sanieren und zwischen 1998 und 2000 die Scheune nach historischem Vorbild angefügen, die heute den Veranstaltungsraum des Hauses beherbergt.

Und die Lesser-Stiftung hörte nicht mit dem Tabakspeicher auf. Im gesamten Quartier zwischen Bäcker- und Waisenstraße hauchte die Stiftung längst aufgegebenen Gebäuden wieder Leben ein. Für sein Engagement wurde Andreas Lesser, wohlverdient, zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.

Die Festrede hielt Andreas Lesser, der mit seiner Stiftung den Tabakspeicher überhaupt erst wieder zum Leben erweckt hatte (Foto: Angelo Glashagel) Die Festrede hielt Andreas Lesser, der mit seiner Stiftung den Tabakspeicher überhaupt erst wieder zum Leben erweckt hatte (Foto: Angelo Glashagel) Zum 20. Geburtstag des Tabakspeicher ließ es sich Lesser natürlich nicht nehmen, die Festrede zu halten. Er fragte, wieviel die Nordhäuser von ihrer Stadt erhalten wollten. Es habe drei Phasen der Zerstörung in Nordhausen gegeben, erklärte Lesser, den zweiten Weltkrieg, den Sozialismus (dem mehr historische Bausubstanz zum Opfer fiel als den Zerstörungen des Krieges) und schließlich die Nachwendezeit. Die Umbruchszeiten hätten es mit sich gebracht, so Lesser, dass man das alte oft nicht mehr Wertgeschätzt habe. Einen ähnlichen Prozess, nur langsamer, gradueller, habe man auch in den sechzigern Jahren im Westen erleben können, als viele alte Handwerkskünste verschwanden.

Mit der Gründung des Tabakspeichers wollte man dieser Entwicklung entgegenwirken. Die Bürger waren damals dazu aufgerufen, Dinge in das Museum zu bringen, die für sie selbst nicht mehr von Wert waren, die aber auch nicht auf den Müll wandern sollten. Inbesondere mit alten Handwerksmeistern sei man in Kontakt getreten. Dies sei ein wichtiger Akt des Bewahrens gewesen, sagte Lesser, ohne den Tabakspeicher wäre vieles verloren gegangen. "Die Dinge, die hier ausgestellt sind", sagte Lesser, "sind nicht unbedingt Solitäre, aber es sind Dinge, die mit der Stadt zu tun haben".

Die Entscheidung, wie man in Zukunft mit dem Erbe Nordhausens verfahre, liege bei der Politik, aber auch bei den Bürgern. "Sie bestimmen, wie ihre Stadt aussieht, nicht Erfurt und nicht Berlin", sagte Lesser. Argumente wie "es lohnt nicht" oder es "geht nicht", will Lesser nicht gelten lassen und verweist auf die Sanierungen rund um den Tabakspeicher. Zum Beispiel das Haus in dem sich einst das Tanzlokal "Uhu" befand. Die Bilder aus den frühen 90er Jahren zeigen ein runtergekommenes, trauriges Haus. Heute sei es als Wohnort wieder äußerst attraktiv. Ohne den Willen zur teuren Sanierung würde man rund um die Bäckerstraße heute ebensolche Brachen sehen, wie zwischen der Bäckerstraße und der Kranichstraße.

"Wir sind 20 Jahre jung" - nicht nur Museumsleiter Rennebach wurde heute gratuliert, sondern auch dem engagierten Team des Hauses (Foto: Angelo Glashagel) "Wir sind 20 Jahre jung" - nicht nur Museumsleiter Rennebach wurde heute gratuliert, sondern auch dem engagierten Team des Hauses (Foto: Angelo Glashagel)
Sicher, es müsse auch neugebaut werden. "Die historische Bausubstanz aber wird immer weniger und was einmal weg ist, ist weg.", sagte der Ehrenbürger. Es komme darauf an, ein Gleichgewicht zu finden zwischen "notwendiger Neuerung" und dem Erhalt dessen, "was eine Stadt ausmacht".

Für seine Rede erhielt Lesser lange anhaltenden Applaus. Und das Museum Tabakspeicher, das heute auf gut 1000qm zahlreiche Objekte aus Handwerk, Industrie und Archäologie ausstellt, dürfte dem Mann unendlich dankbar sein.

Er hat das Museum möglich gemacht. Aber das Haus ist in der Zwischenzeit nicht erstarrt. Neben den vielen kleinen und großen Ausstellungsstücken die von altem Schmiedewerkzeug, mittelalterlichen Öfen, zeitgenössicher Kinotechnik bis hin zu Funden aus der Bronze- und Eisenzeit reichen, hat sich das Museum auch zum beliebten Veranstaltungsort gemausert, an dem man gerne etwas über die Grenzen der eigentlichen Museumsarbeit hinausgeht. "Kreatives Experimentieren" nannte das Oberbürgermeister Zeh in seinem Grußwort. Der Tabakspeicher ist zu einem Ort geworden, an dem auch im ländlichen Nordhausen neue Formate und Ideen ausprobiert werden können, die sich sonst nur in Großstädten finden lassen, wie etwa die "Pecha Kucha Nacht" im vergangenen Jahr, oder an dem altes wieder belebt wird, wie Aktionen zeigen wie sie zur Ausstellung rund um das Puppenspiel gestartet worden.

Ganz im Sinne der Tradition will man sich morgen bewegen, denn noch sind die Feierlichkeiten nicht beendet. Zum internationalen Museumstag öffnet der Tabakspeicher seine Tore morgen. Man will den Brückenschlag zu den ersten Tagen versuchen und hat viele der Künstler und Attraktionen wieder gewinnen können, die schon vor 20 Jahren zur Eröffnung nach Nordhausen gekommen waren. Und man wird neues vorstellen. Neues zu alten Dingen - die Lesserstiftung hat gleich vier neue Bücher rund um die Geschichte der Region mitgebracht.
Angelo Glashagel
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Das Museum Tabakspeicher feiert 20. Geburtstag (Foto: Angelo Glashagel)
Autor: red

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