eic kyf msh nnz uhz tv nt
Do, 14:02 Uhr
20.12.2012

„Entschlüssler“ des Maya-Kalenders

Über den morgigen 21. Dezember, den Tag der Wintersonnenwende, ist im Jahr 2012 viel geschrieben und gesagt worden im Zusammenhang mit dem Kalender der südamerikanischen Maya. Heidelore Kneffel berichtet über einen Entschlüsseler, der Wurzeln auch in Nordhausen hat...


Flyer der zur Ausstellung in Dresden (Foto: Archiv Kneffel) Flyer der zur Ausstellung in Dresden (Foto: Archiv Kneffel) So mancher verbreitete im zur Neige gehenden Jahr die Nachricht, dass dieser Freitag oder der 23. Dezember unter Umständen für den Bestand der Welt verheerend sein könnte. Zahlreiche wissenschaftlich mit der Erforschung dieser untergegangenen Kultur befasste Personen haben das widerlegt.

In Dresden fand in der Zeit vom Februar bis Mai 2012 in der Sächsischen Landesbibliothek eine wissenschaflich aufklärende Ausstellung des dort befindlichen „Codex Dresdensis“ statt, der auf seinem letzten Blatt eine sintflutartige Überschwemmung darstellt.

Die alte Hochkultur auf den Gebieten von Guatemala und Mexiko besaß ein ausgefeiltes Kalenderwissen. Dieses Volk hinterließ neben den imponierenden Bauwerken einige Bilder-Handschriften, deren Entzifferung Generationen von Gelehrten beschäftigte und es weiterhin tut. 1739 gelangte eine ihrer Handschriften mit hieroglyphischen Figuren nach Dresden. Dieser „Codex Dresdensis“ wurde vom damaligen Oberaufseher über die Kurfürstliche Bibliothek in Dresden, Johann Christian Götze, in Wien bei einem Privatmann erworben und der Bibliothek übergeben.

Ersttagsbrief (Foto: Archiv Kneffel) Ersttagsbrief (Foto: Archiv Kneffel)

Erstmals veröffentlicht wurde ein Teil des Maya-Codexes von Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland in dem Werk „Relation historique Atlas pittoresque“ 1810 in Paris. Humboldt hatte von fünf Tafeln des Dresdner Werkes Abzeichnungen in Auftrag gegebenen. Für die Bewohner unserer Region hat die Entzifferung der Bilder-Handschrift der Mayas einen besonderen Bezug, über den hier berichtet werden soll.

Im langen Wandbild „Dresdner Fürstenzug“, im letzten Bild, der sogenannten „Nachhut“, ist ein Mann abgebildet, der die Wissenschaft vertritt - Ernst Wilhelm Förstemann. Er ist der Nachfahre einer alten Nordhäuser Familie.

Fürstenzug (Foto: Archiv Kneffel) Fürstenzug (Foto: Archiv Kneffel) Fürstenzug- links Förstemann
1822, also vor 190 Jahren, wurde er in Danzig geboren. Er gehört einer Familie an, die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts eng mit Nordhausen verbunden ist. Sein Vater war Wilhelm August Förstemann (1791-1836), Dr. phil. und Professor für Mathematik am Danziger Gymnasium. Er stammte aus Nordhausen und war der Sohn des Ratsmitgliedes der freien Reichsstadt, Conrad Wilhelm Förstemann (1742-1806). Zwei seiner Brüder waren Karl Wilhelm (1777-1845), Pastor und Superintendent in Nordhausen und Ernst Günther (1788 - 1859), Gymnasialprofessor, Historiker und Stadtarchivar in Nordhausen, der heute vor allem in der Stadt im Gedächtnis lebt als gründlicher Überarbeiter und Weiterführer der Lesserschen Chronik seiner Heimatstadt.

Ernst Wilhelm Förstemann studierte in Berlin und Halle vergleichende Sprachwissenschaften. 1846 erfuhr er, dass die Berliner Akademie, durch Jacob Grimm veranlasst, für 1849 eine Preisaufgabe gestellt hatte, in der es galt, ein Wörterbuch der altdeutschen Orts- und Personennamen zu verfassen. Förstemann reichte als einziger am 11. April 1849 seine Arbeit ein. Grimm bemängelte, dass er sich auf die althochdeutschen Eigennamen beschränkt hätte, erkannte aber, dass die Zeit zu weiteren Erkundungen zu kurz bemessen gewesen war, und so erhielt Ernst Wilhelm die 100 Dukaten.

Er bekam 1851 eine Stelle am Lyzeum in Wernigerode und war gleichzeitig Bibliothekar der Gräflich Stolbergischen Bibliothek. So war er der Stadt seiner Vorfahren näher gekommen und besuchte dort auch seinen Vetter Ferdinand Heinrich Förstemann (1817-1876), der als Verleger und Buchhändler in Nordhausen tätig war. Neben Zeitungen/Zeitschriften verlegte er eineVielzahl von Werken seiner Verwandten in und um Nordhausen, so auch solche von E. W. Förstemann. Das Buch der Personennamen erschien bei ihm 1854, 1859 der 2. Band, die deutschen Ortsnamen lagen 1863 vor.

Jacob Grimm war dem Sprachwissenschaftler in der Zwischenzeit ein wohlwollender Freund, zwischen ihnen bestand ein überlieferter Briefwechsel. Förstemann besass nun als Begründer der deutschen Namensforschung und Begründer einer systematischen deutschen Ortsnamenskunde einen guten Ruf und wurde 1865 als Leiter der Königlichen Bibliothek in Dresden berufen. 1887 wurde er zum Geheimen Hofrat ernannt und übernahm die Leitung der Privatbibliothek von König Wilhelm I. und dem Nachfolger König Friedrich III.

Nun kommen wir zu seinem Anteil an der Entschlüsselung des „Codex Dresdensis“. Bereits am Beginn seiner Tätigkeit als Oberbibliothekar wurde er durch eine Bitte um eine Fotografie des Codex auf die Handschrift aufmerksam. Seitdem ließ ihn das Interesse daran nicht mehr los. Zwischen 1880 und 1900 gelang es ihm, den Kalenderteil des Codex zu entschlüsseln. Er fand heraus, dass das Zahlensystem der Maya auf einem Zwanzigersystem beruhte und sie dieses System nutzten, um eine Tageszählung von allen Tagen, die seit einem Nullpunkt bis zum jeweiligen Datum verflossen waren, aufzuzeichnen.

Damit gelang es ihm, die „Lange Zählung“ der Maya mit dem Ausgangsdatum 4 Ahau 8 Cumuku, die Hieroglyphen der Zeiteinheiten Uinal (20 Tage), Tun (360 Tage) und Katun (7200 Tage) sowie der Tafeln der Venus- und Mondumläufe zu deuten. Er fand die richtige Leserichtung des Codex sowie die Glyphen der Zeichen für Null und für den Planeten Venus.

Titelblatt (Foto: Archiv Kneffel) Titelblatt (Foto: Archiv Kneffel) Förstemann veröffentlichte 1880 den Faksimiledruck „Die Maya-Handschrift der königlichen Bibliothek zu Dresden“, im Jahr 1886 die „Erläuterungen zur Mayahandschrift der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden“. Weitere Publikationen folgten.

1882 malte Julius Scholtz ein Ölgemälde des Forschers, an seinem Schreibtisch stehend. Förstemann hält ein umfängliches Buch in der linken Hand, wahrscheinlich sein Namensbuch. Auf dem Tisch erkennt man Reproduktionen der Mayahandschrift. Das Bild ist heute in der Sächsischen Landesbibliothek zu besichtigen. Im Dezember 1898 trat Ernst Wilhelm Förstemann in den Ruhestand und ließ sich in Berlin- Charlottenburg nieder. Dort starb er am 8. November 1906 im Alter von 84 Jahren und wurde auf dem Luisenfriedhof in Charlottenburg-Westend beigesetzt.
Heidelore Kneffel
Autor: red

Kommentare

Bisher gibt es keine Kommentare.

Kommentare sind zu diesem Artikel nicht möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr