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Mo, 11:34 Uhr
21.11.2011

Menschenbilder (28)

Aus dem Ende November erscheinenden reich bebilderten Buch "Menschenbilder aus der Harz- und Kyffhäuserregion" von Bodo Schwarzberg veröffentlicht die nnz in loser Folge eine Auswahl an Texten über Mitbürger, die er seit April 2010 zu ihrem Leben, ihrer Tätigkeit und deren gesellschaftlichen und persönlichen Hintergründen gesprochen hat.


Kurt-Andreas Olschewski und
Detlef Petermann - Olschewski

Lederwaren und Herrenbekleidung, Moden Olschewski, Bleicherode


„So schnell kriegen die uns hier nicht weg!“, sagt Kurt Olschewski und spielt damit auf den Niedergang des Einzelhandels im Allgemeinen und in Bleicherode im Besonderen an. „Der Trend zu immer mehr Großmärkten im Landkreis Nordhausen sowie die von vielen Menschen genutzte Möglichkeit, Waren über das Internet zu bestellen, hat auch vor der Textil- und Lederbranche nicht halt gemacht. Der am 27.06.1936 in Danzig geborene Unternehmer kennt noch jene Zeiten, als Mangel an vielen modischen Kleidungsstücken herrschte und als er es trotz dieser Situation mit viel Einsatz verstand, seinen Kundinnen und Kunden regelmäßig etwas Besonderes anzubieten. „Heute gibt es alles fas überall zu kaufen. Da mussten wir uns nach der Wende sehr umstellen“, sagt er. Aber als erfahrener und im sozialistischen Handel erprobter Geschäftsmann ist Kurt Olschewski zu einem ungebrochenen Optimisten geworden. „Jedes Schlechte hat auch etwas Gutes“, sagt er.

In Bleicherode ist das Textil- und Kurzwarengeschäft seit mehr als 140 Jahren eine Institution. 1869 wurde es von der Bleicheröder Unternehmerfamilie Paul Kopp in der Hauptstraße 89 gegründet und später von dessen Sohn Fritz Kopp weitergeführt. Der Angebotsschwerpunkt lag auf dem Gebiet der Kurzwaren. Auch Puppen zierten damals die Auslagen.

Die Familie von Kurt Olschewski kam 1947 im Rahmen der Zwangsaussiedlung nach Thüringen. „Die Ansicht meines Vaters Oskar, dass eine so schöne und freie Stadt wie Danzig von Krieg verschont bleiben würde, hatte sich leider nicht bewahrheitet“, denkt der heutige Geschäftsinhaber zurück. In der Hoffnung, dass die Region Bleicherode perspektivisch in der amerikanischen Besatzungszone liegen würde, hatte ihn sich für diese Stadt entscheiden lassen. „Meine Eltern waren nach der Flucht mit ihren Nerven am Ende. ‚Unsere Wurzeln sind in Danzig, aber unsere neue Heimat wollen wir hier aufbauen‘, hatte meine Mutter immer gesagt“, denkt Kurt Olschewski zurück. Dies gelang ihnen im Laufe der Jahre und sie blickten zunehmend mit Zufriedenheit auf ihr neues Leben. Der gelernte Friseur Oskar Olschewski fand im Kalibergbau eine sichere existentielle Basis.

Dessen Sohn nahm auf Wunsch seiner Mutter 1952 eine Bäckerlehre bei der damaligen Konsumbäckerei auf und wechselte auf Grund einer Mehlstauballergie anschließend seinen Beruf, indem er im damaligen Konsum-Möbelhaus eine zweite Ausbildung zum Verkäufer absolvierte. „Das war meins. Darin ging ich voll und ganz auf“, denkt er zurück. Als der Leiter des Geschäfts 1960 bei Nacht und Nebel in den Westen zog, übernahm der junge Mann und Fachverkäufer die Leitung, entwickelte sich zu einem gefragten Spezialisten für Gardinen, Teppiche und Möbel und wurde auf diesen Gebieten sogar als Fachberater auf der Leipziger Messe eingesetzt. Zunächst war das Angebot noch recht gut.

1964 übernahm er das Textil- und Kurzwarengeschäft von Fritz Kopp. Auf Grund des zunehmenden Exports der nach Devisen hungernden DDR, verringerte sich in den 60-er Jahren allmählich die Warenvielfalt. Im Zuge der Verstaatlichungswelle im Jahre 1972 verschlimmerte sich diese Situation weiter. „Selbst Strümpfe wurden uns mit einem Mal zugeteilt“, denkt er zurück. Entsprechend der Hierarchie des sozialistischen Handels erhielten erst die "Exquisit"-Geschäfte, dann die HO, danach der Konsum und erst ganz am Ende die Kommissionäre Warenlieferungen.

Dennoch sieht es Kurt Olschewski als Glück, dass er sein Geschäft wenigstens als Kommissionär weiterführen durfte. Denn als solcher hatte er die Möglichkeit, für seine Kunden ganz direkt bei den Herstellern einzukaufen. Und da konnte schon das eine oder andere Besondere dabei sein. Unter anderem war das Unternehmen des Bleicheröders für sein Angebot an Plauener Spitzen im Kreis Nordhausen und darüber hinaus bekannt. Fast jeden Tag war er für seine Kunden unterwegs. Aus Apolda zum Beispiel holte er Pullover und Wolle, die Spitzen aus Plauen und viele andere Waren von den Großhandelszentralen in Berlin, Karl-Marx-Stadt und Weimar. Besondere Kleidungsstücke fielen mitunter bei den Herstellern im Falle von Überproduktion ab. Seine Angebotspallette auf dem Gebiet der Kurzwaren umfasste „alles zum Nähen und Stricken“, u.a. Wolle und Reißverschlüsse, aber auch Bettwäsche und Handtücher. Mitunter wurden ihm die begehrten Waren schon kurz nach dem Einkauf aus den Händen gerissen. Eine PKW-Ladung Wolle aus Sömmerda z.B. kam nie in Bleicherode an, weil die Leute bereits auf einem Parkplatz in Sömmerda an seinem Auto anstanden.

In den Jahren 1968 und 74 renovierte Kurt Olschewski sein Geschäft in der Hauptstraße 89. Unter anderem erweiterte er die Verkaufsfläche auf 80 Quadratmeter, baute eine Garage und ein Lager sowie installierte eine neue Heizungsanlage. Ein Privatleben kannte der Unternehmer auf Grund der vielen Anforderungen kaum. „Aber ich war und bin mit Leib und Seele Unternehmer und Händler. Das machte mir kaum etwas aus“, erklärt er.

Parallel zu seiner Tätigkeit engagierte er sich in der LDPD, in die er 1964 eintrat, weil ihm zunächst eine Gewerbeerlaubnis verweigert worden war. Während der 70-er Jahre gehörte er der „Kommission Handel und Versorgung“ im Bezirkstag Erfurt an. „Dort erhielten wir lediglich ein paar Informationen zum Handel, beeinflussen aber konnten wir nichts. Allerdings sprach ich die bestehenden Probleme offen an“, sagt er.

Die Wende hat Kurt Olschewski mit eher gemischten Gefühlen in Erinnerung. „Zwar konnten wir uns jetzt frei entfalten und alles einkaufen, was unser Herz begehrt, aber aus den genannten Gründen wurde die Situation für uns als Einzelhändler immer schwieriger“, erklärt er.

Zunächst erwarb er das Grundstück mit dem ehemaligen HO-Lederwarengeschäft in der Hauptstraße 94 mit dem Ziel, die dortige Verkaufsfläche auf 180 Quadratmeter zu vergrößern. Die Kurzwaren nahm er zunächst aus dem Sortiment und nahm dafür Damenmoden auf. „Moden Olschewski“ lautete ab 1990 der Firmenname. 1991 erweiterte der Unternehmer das Warenangebot um Herrenmoden und Gardinen und verkaufte auch wieder Kurzwaren. Und damit nicht genug! Denn in Bleicherode stand der Name Olschewski mehrere Jahre lang auch über einem Geschäft mit Landhausmode (ehemaliges Geschäft Ziervogel), über dem ehemaligen Ladenlokal der Familie Kopp in der Hauptstraße 89 (Damenmoden) und über einem Geschäft in der Kirchstraße (Gardinen und Kurzwaren).

Sein Ladenlokal in der Hauptstraße 89 war nach der Wende das erste mit einer Ausstattung nach westlichem Standard, ja sogar mit Fußbodenheizung. Mit Modenschauen zog es vielfach hunderte begeisterte Zuschauer und Kunden an. 12 Mitarbeiter standen einst bei ihm in Lohn und Brot, heute ist es im verbliebenen Geschäft in der Hauptstraße 94 nur noch eine Verkäuferin.

Dieses wird Kurt Olschewski zum Beginn des Jahres 2012 an seinen Adoptivsohn Detlef Petermann-Olschewski (geb. 14.09.1955 in Bleicherode) übergeben. Ihm gegenüber fühlt er sich zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Denn seit 1974 war er maßgeblich an jeder Renovierung und Erweiterungsmaßnahme, vor allem auf Grund seines handwerklichen Multitalents beteiligt. Seit 1982 ist der gelernte Maschinenbauschlosser und einst selbstständige Klempner Mitinhaber. „2012 wird es Umstrukturierungen geben. Auf jeden Fall aber werden wir die Lederwaren im Sortiment behalten“, so Kurt Olschewski.

Neben den bereits angesprochenen Problemen setzen den Bleicheröder Einzelhändlern auch die Arbeitslosigkeit und die knappen Kassen der Bürger zu. Und schließlich, so sagt er, hätte sich die Stadt bemühen müssen, den neuen Großmarkt ganz in der Nähe zu verhindern. Sie aber trägt stattdessen zur weiteren Verödung unserer Innenstadt bei.“

Kurt Olschewski versteht sich als „Augenmensch“. „Ich liebe die schönen Dinge des Lebens, Gemütlichkeit durch alte Möbel und historisches Porzellan zum Beispiel.“ Gern besucht er auch die Theater und Konzerthallen sowie die Museen in ganz Deutschland.

Auf jeden Fall wird Kurt Olschewski, eines der Urgesteine des Einzelhandels in Bleicherode, auch mit 75 weiter aktiv bleiben und seinen Sohn unterstützen. Denn sich in den Lehnsessel zu setzen, das wäre nichts für ihn.

Das Buch wird von Helmut Peter von der Autohaus Peter GmbH und vom Maler und Grafiker Klaus-Dieter Kerwitz (mit Grafiken) großzügig unterstützt. Kommentare sind nicht erwünscht.
Autor: nnz

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