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Mi, 08:17 Uhr
05.11.2025
Meine Meinung

"Wir stehen vor einer Tragödie..."

Tausende Kraniche fallen geschwächt oder tot vom Himmel, hunderttausende Masthühner, -puten und Mastenten wurden amtlich getötet, beschönigend Keulen genannt. Die wahren Ursachen fallen dabei oft unter den Tisch, meint Bodo Schwarzberg...

Toter Kranich bei Kelbra (Foto: B. Schwarzberg) Toter Kranich bei Kelbra (Foto: B. Schwarzberg)
Laut dem Portal Geflügelnews wurden im ersten Halbjahr 2024 329.400 Tonnen Geflügelfleisch und Geflügelschlachtnebenerzeugnisse importiert, während 200.900 Tonnen exportiert wurden.

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Dabei verrät KI, dass der „kommerzielle Transport“ von Geflügel erheblich zur Ausbreitung von H5 N1“ beiträgt. Oft jedoch wird nur der Vogelzug wilder Kraniche, Enten und Gänse als Ursache der Ausbreitung von H5N1 erwähnt.

Bei den oben genannten Handelszahlen nimmt es nicht wunder, dass in bestimmten Wirtschafts- aber auch politischen Kreisen keinerlei Interesse daran bestehen dürfte, die Massentierhaltung von Geflügel als Ursache des neuerlichen, internationalen Vogelgrippe-Ausbruchs zu benennen.

Schließlich ist die Geflügelwirtschaft hochsubventioniert. Und welcher Vertreter der aktuellen Politik möchte sich schon eingestehen, dass seine Entscheidungen schlimme Folgen haben? Subventionen gibt es beispielsweise als Investitionsförderung für tiergerechte Haltungsformen (zum Beispiel zum Stallumbau), als Tierwohlprämie („Initiative Tierwohl Geflügel“) oder in Form von Schuldenerlassen und staatlichen Bürgschaften.

Tiergerechte Haltungsformen? Tatsächlich? Laut dem Portal nutztierhaltung.de teilen sich oft noch immer „gegen Ende der Mastzeit 16-26 Tiere einen Quadratmeter Stallboden“. Ob sich die Tiere so wohlfühlen, darf bezweifelt werden.

Dass wiederum diese Haltungsbedingungen zur Brutstätte für aggressive Formen des H5 N1-Virus werden können, scheint wissenschaftlicher Konsens zu sein. Die ersten bekannten Ausbrüche der Geflügelpest erfolgten 1959 in einer schottischen Geflügelfarm, H5 N1 wurde 1996 nach einem Ausbruch auf einer südchinesischen Geflügelfarm nachgewiesen.

Ähnliche Zusammenhänge für das neuerliche Massensterben vermutet laut mdr auch der Ornithologenverband Sachsen-Anhalt: Der Kemberger Ornithologe Axel Schonert sagt darin: „Wir stehen vor einer Tragödie, wie es sie seit Menschengedenken nicht gegeben hat.“ Buchstäblich fielen tote und sterbende Kraniche vom Himmel. Die Ornithologen sähen „deutliche Zusammenhänge“ zwischen großen Ausbrüchen in polnischen Geflügelfarmen und den ersten mit H5 N1 infizierten Kranichen in Sachsen-Anhalt.

Dass die Globalisierung des Geflügelhandels, der Wettbewerb um das billigste Hähnchen unter den internationalen Handelsketten und die so befeuerten Subventionen letztlich ursächlich sind für die immer schlimmeren Ausbrüche der „aviären Influenza (A)“, das wird von der Politik nicht und von den Medien nur selten erwähnt. Hier ziehen System und Systemmedien nicht immer, aber oft an einem Strang. Die aktuelle Fokussierung der Diskussionen auf eine bundesweite Stallpflicht für Geflügel und die Angst vor der überteuerten Weihnachtsgans übertüncht mitunter die Ursachen der neuerlichen Virusmisere.

Passend dazu schrieb das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ am 2.11., dass sich die Fachleute des Friedrich-Loeffler-Instituts sicher seien, „dass die hochpathogene aviäre Influenza (HPAIV) vom Subtyp H5N1 großflächig mit dem Herbstzug der Wildvögel eingetragen wird.“

Auf der Startseite der Max-Planck-Gesellschaft zur Vogelgrippe steht gleich zu Beginn: „Man nimmt an, dass diese wenig ansteckenden Viren (aus wassergebundenen Wildvögeln) auf Hausgeflügel übertragen werden können und dann unter engem Kontakt zwischen den Individuen zu hochpathogenen, aggressiven Formen (HPAI) mutieren können.“

Das Friedrich-Loeffler-Institut weist auch auf diesen entscheidenden Zusammenhang hin, jedoch muss man dazu erst eine pdf-Datei mit näheren Informationen herunterladen: Auf der Startseite zur Aviären Influenza (AI) / Geflügelpest steht hingegen nur: „Allerdings können diese Viren spontan zu einer hochpathogenen Form (hochpathogene aviäre Influenzaviren, HPAIV) mutieren, die sich dann klinisch als Geflügelpest zeigt.“

Die vielfach vermutete, ja nach Ansicht vieler Wissenschaftler entscheidende Quelle für die aggressiven Virenvarianten lässt man hier zunächst weg.

Laut des Portals Kraniche.de wurde anlässlich des HPAI-Ausbruchs 2005/06 festgestellt, „dass die Herkunft des hochpathogenen Virus“ … „die kommerzielle Geflügelhaltung“ ist.

Und auf der Seite „Spektrum“ meint der Tierarzt Oliver Krone, dass die hochpathogene Variante vom Menschen in der Geflügelzucht künstlich am Leben gehalten werde.

Demzufolge aber trägt die kommerzielle Geflügelzucht selbst die Verantwortung für das gegenwärtige Dilemma, für das Keulen hunderttausender Masthühner mit CO2-Gas oder Elektrobädern, wie auch für das qualvolle Sterben Tausender wilder Kraniche und auch unzähliger wildlebender Säugetiere in vielen Ländern der Welt, auf die die aggressiven H5N1-Varianten mittlerweile übertragbar sind.

Schwer zu ertragen ist es dann, wenn sich auch etwa der Chef des Zentralverbandes der Geflügelwirtschaft ZdG, Peter Gollnick, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk hinstellt und sagte, dass „die Kraniche die Viruslast in die Betriebe bringen“, aber die Ursachen für die Aggressivität von H5 N1 nicht erwähnt.

Kein Wunder: Auch das Keulen der hunderttausenden Hühner wird ja mit unserem Steuergeld subventioniert. Da braucht man sich um die Ursachen der Misere nicht gar so viele Gedanken zu machen.

Etwas sarkastisch könnte man noch hinzufügen, dass das Keulen für so manches Masthuhn gewiss einer Erlösung gleichkommt: Denn laut dem Portal „meine Landwirtschaft“ braucht ein Turbo-Masthuhn nur rund 30 Tage bis zur Schlachtreife, ein Unglück, dass selbiges mit bis zu 23 Leidensgenossinnen auf einem Quadratmeter teilt. Das schnelle Streben ins internationale Supermarktregal führt demnach zu Stress unter den Tieren, zu Problemen beim Laufen und Stehen, zu Blasen an der Brust und chronischem Hunger. Aufgehübscht wird das subventionierte Tierwohl dann mit Schmerzmitteln und Antibiotika, die dann bei uns Konsumenten später zu multiresistenten Keimen und damit zur Gefahr unseres vorzeitigen Ablebens führen können, sollten wir das Pech haben, ins Krankenhaus zu müssen.

Die Biologin Diana Bell wird bei „Spektrum“ entsprechend zitiert: „Es ist einfach bequemer, Wildvögel verantwortlich zu machen, als sich mit einer milliardenschweren Industrie, wie der Geflügelwirtschaft, anzulegen.“

Nun gut: Auch die mit H5 N1 infizierten Kraniche, die sich vielleicht auch auf mit Geflügelgülle getränkten Feldern oder in nitratverseuchten deutschen Vorflutgräben infiziert haben, genießen seit Kurzem das Recht auf einen schnellen Tod: In Sachsen-Anhalt sei entsprechend einer Information der Seite „Pirsch“ eine Ausnahmegenehmigung für Jäger erlassen worden. Sie dürfen demnach „infizierte Vögel erlösen.“ Was haben wir aus dem stolzen Wappentier unserer Lufthansa nur gemacht?

Und wie verkommt auf Grund des Massensterbens der Kraniche der Naturschutz zur Farce, denn das Bundesnaturschutzgesetz schreibt im § 44 Abs. 1 Ziffer 1:

„Es ist verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten, oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.“ – Außer, eine mutmaßlich aus der Geflügelwirtschaft stammende aggressive Virusform tut dies alles, könnte man auf Grund der gegenwärtigen Situation hinzufügen.

Nun also können die Kraniche von ihrem Leiden erlöst werden. Nur gelöst wird so gar nichts. Wir müssen weg vom kranken System der Globalisierung, welches solche Auswüchse erst ermöglichte, zurück zum gesunden Huhn mit Auslauf und Scharrstellen, wie zu Zeiten unserer Großeltern, zurück zu teureren, aber glücklicheren Hühnern, Enten und Puten.

Und vielleicht geht dieses Glück dann auch auf die heute von der Vogelgrippe heimgesuchten Wildpopulationen der Kraniche, Seeelefanten, Seelöwen und vielen anderen Wildtieren über, deren Qualen auf Grund einer Geflügelwirtschaft mit Augenmaß und Respekt vor dem Leben hoffentlich ein Ende haben wird.

Stelle ich einem einzelnen Kranich nach, werde ich zur Verantwortung gezogen. Wer aber übernimmt die Verantwortung für den Tod zehntausender Wildvögel und hunderttausender Masthühner?
Bodo Schwarzberg
Autor: psg

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