So, 11:34 Uhr
10.12.2023
nnz-Serie von Heidelore Kneffel
Nordhausen und seine künstlerischen Werke (2)
Nachdem am 1. Advent der Artikel über den Märchenbrunnen erschienen war, erreichten mich Telefonate, in denen Nordhäuser davon angetan waren, dass in der Serie die Kunstwerke der Stadt im Mittelpunkt stehen würden. So schrieb uns Heidelore Kneffel und setzt die Serie nun fort …
Ein Anrufer war Frank Lawrenz, mit dem mich das Interesse an der Fotografie verbindet und sein intensives Forschen zu den Wasserkünsten der Stadt, zu den Brunnenanlagen. Als Mitglied der Nordhäuser Berufsfeuerwehr, die er 2019 als Hauptbranntmeister verließ, hat er auch auf diesem Gebiet zahlreiche Fakten zusammengetragen. Erfreut erfuhr ich von ihm, dass er mit dem Schöpfer des Märchenbrunnens nahe der Blasiikirche, Karl Lemke, mehrere Jahre in brieflicher Verbindung stand, ihn in Mecklenburg-Vorpommern auch besuchte. Ich traf mich mit Herr Lawrenz und bat ihn, die vom Bildhauer geäußerten Tatsachen über sein Kunstwerk veröffentlichen zu dürfen, da sie den Inhalt meines Textes erweitern.
Ende 1975 wurde Lemke in seinem Atelier in Barth-Glöwitz von einer Erfurter Delegation gefragt, ob er für Nordhausen eine Plastik schaffen würde ähnlich seiner Arbeit von den Bremer Stadtmusikanten, denn man möchte in einem Neubauviertel in Nordhausen einen Märchenbrunnen mit einer Bronzefigur aufstellen. Im Sommer des nächsten Jahres stellte er in seinem Atelier seine Ideenentwürfe vor, eine Jury entschied sich für die Variante, in der die Vertikale betont wurde. Der neue Stadtteil entstand an der Ernst-Thälmann-Straße, jetzt Bochumer Straße, mit einem Stadtparkrestaurant. Dort sollte der Brunnen aufgestellt werden. In einer Sammlung osteuropäischer Märchen fand Lemke eine Begebenheit, die unserem Märchen von Rapunzel in Teilen glich. Die Prinzessin wurde für eine dynastische Ehe in einem Turm aufbewahrt. Eines Tages kam ein Prinz auf einem selbstgebauten Wundervogel vorbei und flog zielstrebig in das Turmfenster hinein. Sie liebten sich und als die Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen war, wurden die Liebenden zum Tode verurteilt. Der Prinz bat darum, seinen hölzernen Vogel noch einmal streicheln zu dürfen, setzte dabei einen verborgenen Hebel der Flugmaschine in Bewegung und sie konnten zu den Eltern des Prinzen entkommen. Auf der Flucht wurde ein Söhnchen geboren.
Der Künstler gruppierte die Handlung um einen aufragenden Baum, auf dessen Krone ein Kranich, der Vogel des Glücks, die Verfolgten aufnahm und rettete. Die Plastik wurde Mitte der achtziger Jahre in Lauchhammer gegossen, in Nordhausen aber nicht im Neubauviertel aufgestellt, sie sollte plötzlich eingelagert werden. Der Künstler wollte sie deshalb auf der X. Kunstausstellung 1987 in Dresden zeigen, da erfuhr er, dass sie inzwischen 1986 mitten in der Stadt am Blasiikirchplatz aufgestellt worden sei.
Dort steht sie noch. Allerdings ist sie keine Brunnenfigur mehr. Wo einst das Wasser im Becken leuchtete, stehen seit Jahren Töpfe mit Pflanzen, in den Brunnen floss kein Wasser mehr. Ja, die Wasserzuleitungen bedürfen ständiger Kontrolle und im Stadthaushalt müsste es generell zur Pflege der verschiedenen Kunstwerke jährlich einen besonders ausgewiesenen Etat geben. Ich sah im Stadtarchiv z. B. Unterlagen aus den1920er-Jahren, die nachweisen, das in regelmäßigen Abständen Kontrolleure aus Berlin kamen, um zu kontrollieren und Reparaturen vorzunehmen. Brunnen im Stadtbild sind außerordentlich belebende Bestandteile. Aber, in ihnen sollten auch die Wasser fließen, dazu wurden sie geschaffen.
Heidelore Kneffel
Autor: redEin Anrufer war Frank Lawrenz, mit dem mich das Interesse an der Fotografie verbindet und sein intensives Forschen zu den Wasserkünsten der Stadt, zu den Brunnenanlagen. Als Mitglied der Nordhäuser Berufsfeuerwehr, die er 2019 als Hauptbranntmeister verließ, hat er auch auf diesem Gebiet zahlreiche Fakten zusammengetragen. Erfreut erfuhr ich von ihm, dass er mit dem Schöpfer des Märchenbrunnens nahe der Blasiikirche, Karl Lemke, mehrere Jahre in brieflicher Verbindung stand, ihn in Mecklenburg-Vorpommern auch besuchte. Ich traf mich mit Herr Lawrenz und bat ihn, die vom Bildhauer geäußerten Tatsachen über sein Kunstwerk veröffentlichen zu dürfen, da sie den Inhalt meines Textes erweitern.
Ende 1975 wurde Lemke in seinem Atelier in Barth-Glöwitz von einer Erfurter Delegation gefragt, ob er für Nordhausen eine Plastik schaffen würde ähnlich seiner Arbeit von den Bremer Stadtmusikanten, denn man möchte in einem Neubauviertel in Nordhausen einen Märchenbrunnen mit einer Bronzefigur aufstellen. Im Sommer des nächsten Jahres stellte er in seinem Atelier seine Ideenentwürfe vor, eine Jury entschied sich für die Variante, in der die Vertikale betont wurde. Der neue Stadtteil entstand an der Ernst-Thälmann-Straße, jetzt Bochumer Straße, mit einem Stadtparkrestaurant. Dort sollte der Brunnen aufgestellt werden. In einer Sammlung osteuropäischer Märchen fand Lemke eine Begebenheit, die unserem Märchen von Rapunzel in Teilen glich. Die Prinzessin wurde für eine dynastische Ehe in einem Turm aufbewahrt. Eines Tages kam ein Prinz auf einem selbstgebauten Wundervogel vorbei und flog zielstrebig in das Turmfenster hinein. Sie liebten sich und als die Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen war, wurden die Liebenden zum Tode verurteilt. Der Prinz bat darum, seinen hölzernen Vogel noch einmal streicheln zu dürfen, setzte dabei einen verborgenen Hebel der Flugmaschine in Bewegung und sie konnten zu den Eltern des Prinzen entkommen. Auf der Flucht wurde ein Söhnchen geboren.
Der Künstler gruppierte die Handlung um einen aufragenden Baum, auf dessen Krone ein Kranich, der Vogel des Glücks, die Verfolgten aufnahm und rettete. Die Plastik wurde Mitte der achtziger Jahre in Lauchhammer gegossen, in Nordhausen aber nicht im Neubauviertel aufgestellt, sie sollte plötzlich eingelagert werden. Der Künstler wollte sie deshalb auf der X. Kunstausstellung 1987 in Dresden zeigen, da erfuhr er, dass sie inzwischen 1986 mitten in der Stadt am Blasiikirchplatz aufgestellt worden sei.
Dort steht sie noch. Allerdings ist sie keine Brunnenfigur mehr. Wo einst das Wasser im Becken leuchtete, stehen seit Jahren Töpfe mit Pflanzen, in den Brunnen floss kein Wasser mehr. Ja, die Wasserzuleitungen bedürfen ständiger Kontrolle und im Stadthaushalt müsste es generell zur Pflege der verschiedenen Kunstwerke jährlich einen besonders ausgewiesenen Etat geben. Ich sah im Stadtarchiv z. B. Unterlagen aus den1920er-Jahren, die nachweisen, das in regelmäßigen Abständen Kontrolleure aus Berlin kamen, um zu kontrollieren und Reparaturen vorzunehmen. Brunnen im Stadtbild sind außerordentlich belebende Bestandteile. Aber, in ihnen sollten auch die Wasser fließen, dazu wurden sie geschaffen.
Heidelore Kneffel
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