Sa, 14:34 Uhr
25.03.2023
Niedersachswerfen
Quacksalber im Südharz
Im anhaltinischen Landesarchiv findet sich eine Akte zum gräflichen Amte Neustadt unterm Hohnstein und der königlich hannoverschen Regierung, die 1754 in Sachen "Quacksalberei" zu einem Johann Caspar Hampe, Niedersachswerfen, führt. Tim Schäfer und Ralf Napiralla haben sich auf Spurensuche begeben...
Schon in alter Zeit gab es Verdachtsfälle auf Quacksalberei auch im Südharzort Niedersachswerfen, die amtlich-hoheitlich verfolgt worden sind. 1754 berichtet die Archivakte des LA Sachsen-Anhalt A19k II,Nr.61 von einem Vorgang gegen einen gewissen Marktschreier Johann Caspar Hampe in Niedersachswerfen. Die schwer lesbaren Handschriften hat Ralf Napiralla, der Ortschronist von Appenrode ist, für uns dankenswerterweise übertragen. So steht geschrieben: "Deren Edlen Ehrenvollsten hochgelehrten, unseren sonders günstigen Herren und Freunden, gräflich-stolbergischen zur Hohnsteinischen Cantzley, Cantzler, Cantzlei-Direktion und Räthe zu Neustadt untem Hohnstein", lautet die Anschrift auf einem Couvert.
Die ausschweifigen Titel sind weniger ein Akt üppiger Höflichkeit, vielmehr wird man davon ausgehen müssen, dass solches auf höchste Anornung geschah, um jedem Amt im Staate den nötigen Respekt zu erweisen. Der Brieftext lautet weiter: "Unsere freundliche Dienste zuvor, Edle Ehrenvollst hochgelehrte, sondersgünstige Herren und Freunde! Wir sind glaubwürdig berichtet, daß zu Nieder-Sachswerfen sich ein Marktschreier Namens Hampe aufgehalten, und durch viele solche Brüder gewöhnliche Pralereien die dortigen Unterthanen an sich ziehen und durch seine Curen unglücklich machen - auch allerhand Unwahrheiten, als ob er für hier anbestellet sey, ausstreuen solle.... nun solche Leute um so weniger im Lande zu dulden sind, als sie arme und gemein Leute zu verführen wissen und um ihre Gesundheit bringen; so wollen die Herren ihre Curen völlig untersagen, und, wenn er sich gelüstet laßen sollte, solch weiteren in hiesigem Lande zu unternehmen, ihr rein consilium abeundi [die Empfehlung sich zu entfernen] aus hiesiger Landen ertheilen, allenfalls auch sich daraus zu begeben, anhalten. Wir verbleiben übrigens denen Herrn zu freundlichen Diensten geflissen. Hannover, den 12ten Junii 1754, Königlich Groß. Britannischer zur Churfürstlichen Braunschweig-Lüneburgischen Regierung Verordneter Geheim-Räthe". Niedersachswerfen gehörte seinerzeit zur hannoverschen Provinz Hildesheim. Diese Nachricht vom Umtrieb eines Quacksalbers sorgte also bei der Landesregierung in Hannover für allgemeine Besorgnis, offenbar sind lange und zumeist ungünstige Erfahrungen mit fahrenden Heilern der Anlass. Das Wort Quacksalber kommt aus dem Niederländischen von kwakken für schwatzen, prahlen und salven für salben, der Kwakksalver ist also ein prahlerischer Salbenkrämer.
Am Briefkopf ersichtlich ist der Eingangsvermerk des Schreibens in der Kanzlei in Neustadt, angegeben mit 18. Juni 1754. Ein Antwortschreiben aus Hannover besagt:
"Welchergestalt nach Einigung ihro rescripts [schriftliche Antwort] vom 19ten Junii den Empirico [ein sich ausschließlich auf die Erfahrung stützender Heiler] Johann Caspar Hampe die publication gedachte rescripts und der hohen Verordnung von Hochweise Landesregierung geschehen und ihn selben Zuge bedeutet worden, fürderhin alle praxi medicam [medizinische Tätigkeiten] einzustellen, solches wollen für[rstlich] Hochwohl und hochedelgeb. aus dem fol. 3b seq befund C. protokoll angegebener acten des mehren [öfter] zu ersehen hochgeneigtest gerufen. als ich nun geglaubt, daß der von derselben verlangte Fürberichtung auf den Fall nur zu verstehen sagen mögte, wann von einem oder den andern contravections Fall [Zuwiderhandlung] etwas bekand werden mögte..."
Hier fehlt der Schlussteil des Schreibens, und die Syntax, also der Satzbau, erscheint recht verwirrend. Jedenfalls ist in der Anrede ein Arzt genannt, welcher am Schreiben aus der Kanzlei in Neustadt mitgewirkt hat.
Die Bezugnahme auf ein Aktenzeichen ist zu verstehen als: fol. =folio, das Blatt; b bedeutet die Rückseite (d.h. gezählt wurden die Blätter mit Angabe von Vorder- oder Rückseite durch die Buchstaben "a" und "b" ) ; seq. = sequens (das Partizip, nicht das Substantiv Sequenz) bedeutet "folgend". Offensichtlich gingen die Meinungen über eine Handlungsdringlichkeit seitens der Behörden auseinander, und ein höflicher Hinweis auf ähnliche Fälle einer Zuwiderhandlung (eigentlich sollte da stehen: contravention) geben Einblick in die stärker empfundene Dringlichkeit einer Amtshandlung, solches zu unterbinden, aus der Sicht der Landesregierung in Hannover. Das Ende eines Briefes aus Neustadt, bzw. die Ab- oder Zweitschrift für die Aktenablage gibt Aufschluss über das weitere Verfahren: "... so habe bißdahin billig Anstand genommen. Nachdem mir aber, ohngeachtet der verschiedenen gehaltenen Nachfragen nicht bekand, daß ernanter Hampe fortfahren zu courieren, so will mir auch leicht fallen, die mir deßhalb abgeforderte Verantwortung hiermit zu thun. der ich mit allen respect beharre,…
Mit demselben Datum unterzeichnet findet sich in den Akten ein Vermerk darüber, dass Johann Caspar Hampe einer Frau Medikamente zukommen ließ, sie aber seinen Anweisungen nicht folgte. Wahrscheinlich liegt dem Vermerk eine Beschwerde zugrunde und Caspar Hampe rechtfertigte sich unter Hinweis auf zusätzliche, der Heilung zuträgliche Verhaltensweisen. Der Preis für die Artznei wird mit zwölf Thalern angegeben. Um zu erfassen, welchen Wert diese Geldmenge hatte hilft ein Blick in eine Abhandlung über den Bergbau und Hüttenbetrieb im Bodetal. Die gleiche Zeit und das gleiche Herrschaftsgebiet betreffend lesen wir dort: "Ein Schmiedemeister verdiente im 18. Jahrhundert in der Woche bis zu vier Thaler oder im Monat 16 Thaler. Ein Hüttenschreiber bekam ca. 240 Thaler/Jahr, d.h. im Monat ca. 20 Thaler. Setzt man in grober Vereinfachung das Nettogehalt bspw. heute mit 4.000,- DM an, so beträgt die Relation etwa 1Thaler=200 DM." Die weitere Umrechnung auf Euro ergibt somit eins zu einhundert, mit gewisser, hier aber nicht bedeutungsschwerer Unsicherheit.
Der Vermerk gehört offenbar zu dem Schreiben selben Datums, wie das Antwortschreiben aus Hannover zeigt: "Auf des von Johann Caspar Stampen übergebene memorial, seinen fernern Aufenthalt zu Nieder-Sachswerfen betreffend zur resolution [zum Beschluss] ertheilet: daß ihm zwar das laboriren oder Verfertigung der medicamente und Ihren Verkauf in quantitaet zu dem..... auch sein fernerer Aufenthalt in Nieder-Sachswerfen zuerstattet, hingegen alle medicinischen Curen untersagt werden, mit der ernstlichen Bedeutung, wenn er sich solcher nicht enthalten wird, mit ihm nach Ausweisung der Landes-Ordnungen verfahren werde. Hannover den 19ten Dez. 1754, Königl. Groß-Britt. -- Geheimste-Räthe. "
Gehen wir davon aus, dass diese Untersagungsverfügung den Hampe zum Unterlassen und Einstellung seiner vermeintlichen Quacksalberei geführt hat, anno 1754 im hannoverischen Niedersachswerfen.
Ralf Napiralla und Tim Schäfer
Literaturhinweise
Autor: redSchon in alter Zeit gab es Verdachtsfälle auf Quacksalberei auch im Südharzort Niedersachswerfen, die amtlich-hoheitlich verfolgt worden sind. 1754 berichtet die Archivakte des LA Sachsen-Anhalt A19k II,Nr.61 von einem Vorgang gegen einen gewissen Marktschreier Johann Caspar Hampe in Niedersachswerfen. Die schwer lesbaren Handschriften hat Ralf Napiralla, der Ortschronist von Appenrode ist, für uns dankenswerterweise übertragen. So steht geschrieben: "Deren Edlen Ehrenvollsten hochgelehrten, unseren sonders günstigen Herren und Freunden, gräflich-stolbergischen zur Hohnsteinischen Cantzley, Cantzler, Cantzlei-Direktion und Räthe zu Neustadt untem Hohnstein", lautet die Anschrift auf einem Couvert.
Die ausschweifigen Titel sind weniger ein Akt üppiger Höflichkeit, vielmehr wird man davon ausgehen müssen, dass solches auf höchste Anornung geschah, um jedem Amt im Staate den nötigen Respekt zu erweisen. Der Brieftext lautet weiter: "Unsere freundliche Dienste zuvor, Edle Ehrenvollst hochgelehrte, sondersgünstige Herren und Freunde! Wir sind glaubwürdig berichtet, daß zu Nieder-Sachswerfen sich ein Marktschreier Namens Hampe aufgehalten, und durch viele solche Brüder gewöhnliche Pralereien die dortigen Unterthanen an sich ziehen und durch seine Curen unglücklich machen - auch allerhand Unwahrheiten, als ob er für hier anbestellet sey, ausstreuen solle.... nun solche Leute um so weniger im Lande zu dulden sind, als sie arme und gemein Leute zu verführen wissen und um ihre Gesundheit bringen; so wollen die Herren ihre Curen völlig untersagen, und, wenn er sich gelüstet laßen sollte, solch weiteren in hiesigem Lande zu unternehmen, ihr rein consilium abeundi [die Empfehlung sich zu entfernen] aus hiesiger Landen ertheilen, allenfalls auch sich daraus zu begeben, anhalten. Wir verbleiben übrigens denen Herrn zu freundlichen Diensten geflissen. Hannover, den 12ten Junii 1754, Königlich Groß. Britannischer zur Churfürstlichen Braunschweig-Lüneburgischen Regierung Verordneter Geheim-Räthe". Niedersachswerfen gehörte seinerzeit zur hannoverschen Provinz Hildesheim. Diese Nachricht vom Umtrieb eines Quacksalbers sorgte also bei der Landesregierung in Hannover für allgemeine Besorgnis, offenbar sind lange und zumeist ungünstige Erfahrungen mit fahrenden Heilern der Anlass. Das Wort Quacksalber kommt aus dem Niederländischen von kwakken für schwatzen, prahlen und salven für salben, der Kwakksalver ist also ein prahlerischer Salbenkrämer.
Am Briefkopf ersichtlich ist der Eingangsvermerk des Schreibens in der Kanzlei in Neustadt, angegeben mit 18. Juni 1754. Ein Antwortschreiben aus Hannover besagt:
"Welchergestalt nach Einigung ihro rescripts [schriftliche Antwort] vom 19ten Junii den Empirico [ein sich ausschließlich auf die Erfahrung stützender Heiler] Johann Caspar Hampe die publication gedachte rescripts und der hohen Verordnung von Hochweise Landesregierung geschehen und ihn selben Zuge bedeutet worden, fürderhin alle praxi medicam [medizinische Tätigkeiten] einzustellen, solches wollen für[rstlich] Hochwohl und hochedelgeb. aus dem fol. 3b seq befund C. protokoll angegebener acten des mehren [öfter] zu ersehen hochgeneigtest gerufen. als ich nun geglaubt, daß der von derselben verlangte Fürberichtung auf den Fall nur zu verstehen sagen mögte, wann von einem oder den andern contravections Fall [Zuwiderhandlung] etwas bekand werden mögte..."
Hier fehlt der Schlussteil des Schreibens, und die Syntax, also der Satzbau, erscheint recht verwirrend. Jedenfalls ist in der Anrede ein Arzt genannt, welcher am Schreiben aus der Kanzlei in Neustadt mitgewirkt hat.
Die Bezugnahme auf ein Aktenzeichen ist zu verstehen als: fol. =folio, das Blatt; b bedeutet die Rückseite (d.h. gezählt wurden die Blätter mit Angabe von Vorder- oder Rückseite durch die Buchstaben "a" und "b" ) ; seq. = sequens (das Partizip, nicht das Substantiv Sequenz) bedeutet "folgend". Offensichtlich gingen die Meinungen über eine Handlungsdringlichkeit seitens der Behörden auseinander, und ein höflicher Hinweis auf ähnliche Fälle einer Zuwiderhandlung (eigentlich sollte da stehen: contravention) geben Einblick in die stärker empfundene Dringlichkeit einer Amtshandlung, solches zu unterbinden, aus der Sicht der Landesregierung in Hannover. Das Ende eines Briefes aus Neustadt, bzw. die Ab- oder Zweitschrift für die Aktenablage gibt Aufschluss über das weitere Verfahren: "... so habe bißdahin billig Anstand genommen. Nachdem mir aber, ohngeachtet der verschiedenen gehaltenen Nachfragen nicht bekand, daß ernanter Hampe fortfahren zu courieren, so will mir auch leicht fallen, die mir deßhalb abgeforderte Verantwortung hiermit zu thun. der ich mit allen respect beharre,…
Mit demselben Datum unterzeichnet findet sich in den Akten ein Vermerk darüber, dass Johann Caspar Hampe einer Frau Medikamente zukommen ließ, sie aber seinen Anweisungen nicht folgte. Wahrscheinlich liegt dem Vermerk eine Beschwerde zugrunde und Caspar Hampe rechtfertigte sich unter Hinweis auf zusätzliche, der Heilung zuträgliche Verhaltensweisen. Der Preis für die Artznei wird mit zwölf Thalern angegeben. Um zu erfassen, welchen Wert diese Geldmenge hatte hilft ein Blick in eine Abhandlung über den Bergbau und Hüttenbetrieb im Bodetal. Die gleiche Zeit und das gleiche Herrschaftsgebiet betreffend lesen wir dort: "Ein Schmiedemeister verdiente im 18. Jahrhundert in der Woche bis zu vier Thaler oder im Monat 16 Thaler. Ein Hüttenschreiber bekam ca. 240 Thaler/Jahr, d.h. im Monat ca. 20 Thaler. Setzt man in grober Vereinfachung das Nettogehalt bspw. heute mit 4.000,- DM an, so beträgt die Relation etwa 1Thaler=200 DM." Die weitere Umrechnung auf Euro ergibt somit eins zu einhundert, mit gewisser, hier aber nicht bedeutungsschwerer Unsicherheit.
Der Vermerk gehört offenbar zu dem Schreiben selben Datums, wie das Antwortschreiben aus Hannover zeigt: "Auf des von Johann Caspar Stampen übergebene memorial, seinen fernern Aufenthalt zu Nieder-Sachswerfen betreffend zur resolution [zum Beschluss] ertheilet: daß ihm zwar das laboriren oder Verfertigung der medicamente und Ihren Verkauf in quantitaet zu dem..... auch sein fernerer Aufenthalt in Nieder-Sachswerfen zuerstattet, hingegen alle medicinischen Curen untersagt werden, mit der ernstlichen Bedeutung, wenn er sich solcher nicht enthalten wird, mit ihm nach Ausweisung der Landes-Ordnungen verfahren werde. Hannover den 19ten Dez. 1754, Königl. Groß-Britt. -- Geheimste-Räthe. "
Gehen wir davon aus, dass diese Untersagungsverfügung den Hampe zum Unterlassen und Einstellung seiner vermeintlichen Quacksalberei geführt hat, anno 1754 im hannoverischen Niedersachswerfen.
Ralf Napiralla und Tim Schäfer
Literaturhinweise
- Theodor Mayer-Steineg u. Karl Sudhoff, Illustrierte Geschichte der Medizin, 5. Aufl. o.J. Lizenzausgabe Voltmedia Paderborn, 2006
- Jost Perfahl, Hrsg., Von den Geheimnissen der Natur, Die Weisheit des Paracelsus, München 1990
- Johann Gottfried Hoche, Vollständige Geschichte der Grafschaft Hohenstein, Halle 1790, aufgelegt durch Steffen Iffland, Nordhausen 2000
- Brockhaus-Enzyklopädie, 11. Aufl. 1854-1868, 12. Aufl. 1874-1879, 14. Aufl. 1894-1897, 15. Aufl. 1928-1934,
- Landesarchiv Sachsen Anhalt, A19k II,Nr.61
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