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Do, 19:03 Uhr
15.10.2020
BETRACHTET:

Satire der üblen Sorte?

Gestern war ich in Braunschweig. Zufällig kam ich mit einem Einheimischen ins Gespräch. Nachdem er hörte, einen Nordhäuser vor sich zu haben, fragte er mich, ob ich kürzlich die Sendung „Dieter Nuhr im Ersten“ gesehen hätte. Ich verneinte. Ich sollte sie mir mal ansehen. Heute tat ich es über die ARD-Mediathek...


Nuhr ist Kabarettist. In der ARD hat er einen Sendeplatz. Der Mann hatte großes Glück, nicht schon vor 31 Jahren gestorben zu sein. Beinahe hätte ihn damals der Schlag getroffen. Bei einem Kurztrip, der ihn am 10. November 1989 nach Nordhausen führte. Was er da sah, habe ihm die Sprache verschlagen. Seinen Eindruck schilderte er am 8. Oktober in der Sendung „Nur im Ersten“. Dass er Nordhausen seinerzeit wieder lebend verließ, ist wohl nur ein glücklicher Zufall.

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Was seine Augen erblickten, habe er noch nie gesehen. Nirgends wo anders: Schwarz, verdreckt, baufällig, rußig, ölig. Besonders die Innenstadt. Ein Bild wie im Krieg. Rauchgeschwängert die Luft. Wohl um nicht zu ersticken, sei er mit Tüchern vor dem Mund schockiert durch die Straßen gewandelt. Allenthalben habe die Gefahr gelauerte. Herab fallende Ziegel von Dächern maroder Häuser hätten beispielsweise sein schöpferisch tätiges Haupt treffen können. Der Mann muss einen Schutzengel gehabt haben, dies alles unbeschadet überlebt zu haben.

Durfte er, Dieter Nuhr, so übel über Nordhausen im Fernsehen schwadronieren? Er darf das. Der Mann ist Satiriker. Als solcher erfreut er sich einer gewissen Narrenfreiheit. Ein Öltropfen kann da schon zu einem ganzen Fass mutieren. Ein Teerfleck zum Teerteich, die Stadt wegen stickiger Luft zu einer Räucherhöhle ohnegleichen werden.

Zweifellos lag bei entsprechender Wetterlage eine Smogglocke über der Stadt, geschuldet der Kohlefeuerung der Haushalte. Die rabenschwarzen Rauchfahnen, die dem Schornstein des Heizkraftwerkes entwichen, verdeutlichten, weithin sichtbar, ein übles Wahrzeichen hierzulande. Von den Kümmelhütten in der Altstadt möchte man erst gar nicht sprechen. Dennoch bin ich überzeugt: Der kürzlich verstorbene letzte DDR-Bürgermeister Peter Heiter hätte innerlich gekocht, wenn er noch von Nuhrs Eindrücken über seine Stadt, wie er sie liebevoll nannte, gehört hätte. Satire hin oder her. Heiter war ein pragmatischer Bürgermeister. Entsprechend seinen damaligen Möglichkeiten wirkte er für das Wohl der Bürger.

Schon zu Zeiten des Komikers Kurztrip lag Nordhausen nicht mehr in Schutt und Asche. Neue Wohnviertel waren entstanden. Kultur, Bildungs- und Gesundheitswesen keine Stiefkinder. Theater und Jugendklubhaus florierten. Betriebsambulanzen in jeder größeren Firma. Vielleicht hätte Heiter noch daran erinnert, dass Ostdeutschland Reparationen an die Sowjetunion zahlen musste, während der andere Teil Milliarden aus dem Marschallplan erhielt.

„Nun ja, Nordhausen war im 2. Weltkrieg zu 75 Prozent zerstört worden. 8800 Tote hinterlassend. Langsam heilen die Wunden“ – dieser Satz aus des Satirikers Mund hätte schon relativiert.

Wie kann man Dieter Nuhr von seinem Albtraum, der ihn womöglich heute noch, schweißgebadet, nachts aus dem Schlafe schreckt, befreien? Indem man ihn nach Nordhausen holt, um das Heute auf ihn einwirken zu lassen? Um ihn zu helfen, die Dämonen, die hier über ihn herfielen, niederzuringen? Vielleicht in der Hoffnung, demnächst werde er danach bei einer weiteren Sendung Rosen über die Stadt schütten? Möglich wäre es. Ich würde ihn dennoch nicht einladen. Weder als Stadt noch als Medium. Für mich war es Satire übler Sorte.

Dem Kabarettisten könnte die Stadt trotz alledem dankbar sein. Er erwähnte sie vor einem Millionenpublikum, machte auf sie aufmerksam. Von Neugier geplagt, werden sich wohl viele Menschen auf den Weg machen, um zu sehen und zu riechen, ob es hier immer noch stinkt, qualmt und schmierig ist.
Kurt Frank
Autor: psg

Kommentare
Herr Taft
15.10.2020, 19.59 Uhr
Die Sicht des Dieter Nuhr...
... Ist wie eine mentale Zeitkapsel. Er war kurz nach dem DDR-Kollaps, der auf dem Tiefpunkt des Regimes erfolgte, in der Stadt. Es ist schön, den Vergleich zur Gegenwart zu ziehen. Zeigt doch der Vergleich, was sich in 30 Jahren getan hat...und ganz ehrlich, die Voraussetzungen waren schlecht, Geld nicht vorhanden, Engagement häufig auch nicht... Trotzdem, haben Nordhausens Bürger und ihre Stadtverwaltung die Karre aus dem tristen Dreck gezogen. Nordhäuser, seit stolz, auf das, was ihr geschafft habt und stellt euch vor, was ihr in den nächsten 30 Jahren schaffen könnt!

Ich finde die Idee gut, Dieter Nuhr einzuladen. Im Grunde kann er nach diesen Äußerungen gar nicht ablehnen, wenn man das richtig anstellt.
Wolfi65
15.10.2020, 20.39 Uhr
Wenn dem Nuhr die Stadt nicht passt
Dann sollte er doch in seinen geliebten alten Bundesländern bleiben.
Dort kann man noch über seine 30 Jahre alten Beobachtungen lachen.
Vor allem die, welche den Osten nur aus der Tagesschau kennen.
Bautzen, Dresden, Mauer und Staatsicherheit.
Das war es dann auch schon mit dem Wissen über den Osten.
Hauptsache man weiß wo in Barcelona der Puff ist.
Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man nu(h)r noch lachen.
Helena2015
15.10.2020, 21.18 Uhr
Diese Sendungen ...
sind meiner Meinung Schwachsinn höchster Stufe!
Die tummeln sich ja leider auf jedem Programm!
In DE ist es echt fast wie in Amerika möglich, mit jedem erdenklichen Schwachsinn Geld zu verdienen!
Aber darüber kann ich als geborener Nordhäuser nur lächeln. Es war bei Weitem nicht so, wie er es beschrieb! Keine Ahnung wie er zu diesen Alpträumen kommt!
Vielleicht war er vorher bei seinen Recherchen zu oft in Bahnhofs- bzw. hinter den Bahnhofsvierteln westlicher Großstädte!
Natürlich gab es bei uns Ofenheizung und Dampflocks!
Aber wir taten unser Bestes unter den damaligen Umständen und Müll lag definitiv nicht herum.
Es gab verfallene Viertel, die gab es im Westen auch schon immer!
Und ganz ehrlich mal, der Westen erfuhr doch auch einen Aufschwung und verdiente kräftig am Wiederaufbau des Ostens, mal ganz davon abgesehen, wie viele Fördergelder- und -Mittel dabei flossen!
Es herrscht ja oft auch heute noch die Meinung, Ostdeutsche sind dümmer als Westdeutsche, auch wieder eine Meinung, die sich nicht belegen lässt!
Ich selbst absolvierte die mittlere Reife, mein Erstes Kind war ein sogenanntes Wendekind, aber heute ist es erfolgreich als Unternehmensberater in Westdeutschland.
Mein zweites Kind wurde nach der Wendezeit geboren und ehrlich? Hätte ich ihm nicht alles an Allgemeinbildung selbst beigebracht, wäre es in der westdeutschen Schulpolitik auf der Strecke geblieben!
Das ist keine Lüge, bitte schauen Sie sich, lieber Herr Nur doch einmal die derzeitige Bildungspolitik an! Will mich hierzu gar nicht weiter äußern!
Nun, nur noch wenige Menschen schauen überhaupt noch öffentlich-rechtliches Fernsehen und 60 % der derzeitigen Schulabgänger hätten wohl nur noch die Chance auf Satire zu hoffen!
Ach nein, Irrtum, da hapert es ja wieder an Deutschkenntnissen und damit meine ich nicht nur die Neubürger in DE.
Aber die Einladung nach NDH sollte stehen und es wäre auch nicht mehr als fair, sich den Einwohnern zu stellen!
Nur Mut, wir sind nett und beißen nicht!
In diesem Sinne, vielleicht sollten Sie Ihre angeblichen Recherchen in Zukunft einmal überdenken!
Ich werde es leider nicht mitbekommen, denn öffentlich-rechtliches Fernsehen ist ein NoGo für mich!
Herr Schröder
15.10.2020, 21.21 Uhr
Satire halt
So was kann man aushalten
GerKobold
15.10.2020, 22.18 Uhr
ist doch nur Satire...und OK!
er hätte auch jede andere Stadt wählen können,es war doch fast so damals in der DDR...ich denke nur an Bitterfeld usw. ich mag Dieter Nuhr er polarisiert ist klar ,aber das ist gute Satire und ist doch gut so ,das er fast alles sagen kann..als er Greta kritisiert hatte ....der Pocher ist mir da viel unsymphatischer und meist unter der Gürtelinie und nicht besonders klug...gut das es jeder anders sieht

Immer gut über etwas Lachen zu könne in heutigen"Coronazeiten"

Bleibt alle Gesund!
Nordthüringer
16.10.2020, 01.07 Uhr
Üble Satire?
Nein, Herr Frank, das ist keine üble Satire.
Das ist ganz normale Satire und diese ist durchaus bekömmlich.

Dieter Nuhr erwähnte Nordhausen in seiner Sendung lediglich ein mal und beschrieb die auf ihn wirkenden Eindrücke mit dem ihm eigenen Sarkasmus.

Auch wenn es DDR-Verklärer nicht gern hören oder
vielleicht auch schon vergessen haben:
Städte im damaligen Osten waren nunmal geprägt von grauen, verschmutzten Hausfassaden, maroder Bausubstanz, löchrigen und holperigen Wegen und Strassen sowie von Industrie-, Kohleheizungs- sowie 2-Takt-Abgasen
geschwängerter Luft.

Zu seinem "Pech" tourte Nuhr gerade in Göttingen und
Nordhausen war nicht sehr weit entfernt.
Ebensogut hätte er nach Altenburg, Zittau oder Stendal
fahren können, um die gleichen Eindrücke zu gewinnen.

Laden Sie Nuhr ein, Herr Frank, zeigen Sie ihm die veränderte Stadt, aber verstricken Sie sich nicht weiter in Wehleidigkeiten ...
Erpel1311
16.10.2020, 07.16 Uhr
@Helena2015
Warum regen Sie sich denn so auf? Es ist doch nur Satire. Vielleicht kennen Sie das nicht wenn Sie nur die Privaten Sender schauen. Da gibt's wahrscheinlich sowas nicht.
Gut das es solche Sendungen gibt bei den öffentlich rechtlichen gibt.
Leser X
16.10.2020, 07.20 Uhr
Auch ein Satiriker kann nicht aus seiner Westhaut
Satirik ist nicht immer nur Satirik. Manchmal ist sie auch ehrlich. In dem Fall hat sie gezeigt, dass westdeutsche Arroganz locker mal eben drei Jahrzehnte mit Leichtigkeit überdauert hat. Jedenfalls bei diesem Herrn.

Sollte er nochmal aufkreuzen, so kann man das sicher nicht verhindern. Wir haben ja heute die Reisefreiheit. Aber einladen sollte man ihn nicht.
diskobolos
16.10.2020, 08.30 Uhr
Satire darf nicht nur, sondern soll sogar...
mit dem Finger in die Wunde pieksen. Offenbar haben nicht alle dafür Verständnis. Nuhr war früher besser. Mein Eindruck ist, ihm gehen die Geistesblitze aus. Kann aber auch am Zustand der Welt liegen, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Die Witzfigur Trump kann Satire kaum überhöhen. Migration, Klima, Corona. Alles nicht zum Lachen.
Was NDH zur Wendezeit betrifft, hat Nuhr leider Recht. Aber auch wir waren bei unseren Westfahrten nicht nur begeistert. Häuser, mit Graffiti beschmiert, so hoch die Hände reichen, Bettler, Drogenhandel kannten wir so nicht.
Echter-Nordhaeuser
16.10.2020, 08.35 Uhr
Liebe Nordhäuser
Solche Leute braucht man nicht nach Nordhausen einladen. Satire hin oder her was man da zeigt ist so ein Schwachsinn weiß nicht wie man sich sowas anschauen kann für sowas bezahle ich noch GEZ schade ums Geld.
Gudrun1974
16.10.2020, 08.44 Uhr
NDH sollte sich nicht lächerlich machen
@Herr Schröder hat Recht, es ist Satire, und wer die knappe Minute zu Nordhausen tatsächlich gesehen hat, der weiß, dass Dieter Nuhr die Überspitzung genutzt hat, um klarzumachen, dass die Aussage "damals war ALLES besser" so nicht stimmen kann.
Man sollte die Kiste jetzt nicht so hochfahren mit Einladung von Nuhr etc, sonst macht man sich tatsächlich lächerlich.
Wie Bitte
16.10.2020, 09.02 Uhr
Satire? Lest mal von Christoph Nix -
- "Rabenjagd".
In diesem Buch verarbeitet der ehemalige Intendant des Theaters Nordhausen seine Eindrücke von 1996. Wer meint, Nuhr dürfe so nicht in satirischer Art und Weise über das Nordhausen von 1989 sprechen, dem werden sich beim ernstgemeinten autobiographischen Roman Nix' die Nackenhaare aufstellen. Und nach eigenem Bekunden bekam Herr Nix viel Beifall und Zustimmung von seinen westdeutschen Kollegen für das Buch.

Und, ganz nebenbei: wer sich von Herrn Nuhr für die Darstellung der Stadt von vor 31 Jahren auf den Schlips getreten fühlt, ist etwas dünnhäutig. Nordhausen war damals fürwahr keine Schönheit, ich sage nur "Kohlenhof mitten in der Stadt". Umso stolzer können wir doch sein, wie es heute hier aussieht und Herrn Nuhr reden lassen. Er erzählt das einmalig im TV und verschwindet dann auf Nimmerwiedersehen in der Mediathek. So what.
Nix' Buch nehme ich wesentlich übler.
MHI
16.10.2020, 09.32 Uhr
Meine Fresse!
Kann sich denn niemand mal freuen das sich seither viel verändert hat? Und zwar zum sehr, sehr guten in Nordhausen.
Ich war 1987 das erste mal in Nordhausen (ich komme aus Dresden) und was soll ich sagen - genau so wie Dieter Nuhr es beschrieben hat, war es hier. Na und. War halt so. Als ich aus dem Bahnhof rausgekommen bin und die Bahnhofstraße hoch gelaufen bin das dachte ich nur meine Fresse, wo bin ich hier gelandet. Dem Dieter ging es auch nicht anders. Aber so war es doch überall im Osten. Die Altstädte sahen doch überall zum vergessen aus. Wer das leugnet ist geschichtsvergessen.

Also freut Euch das es besser geworden ist - und zwar viel besser - vor allem in Nordhausen. Zumindest was die Infrastruktur, die Luftqualität (bis auf van Asten) und die Bauwerke betrifft.

Da hat kein Wessi über Ossis gelästert so wie das hier gleich wieder alle vorjammern. Da hat nur jemand seine Eindrücke wiedergegeben. Vielleicht etwas überspitzt, aber in der Sache absolut richtig. Wird man doch wohl mal aushalten können.
Fischkopp66
16.10.2020, 12.07 Uhr
Zum Glück
Hat er nur über die Stadt gesprochen und nicht über den und Humor der Nordhäuser, aber wie auch, er hätte keinen gefunden. Obwohl es im Rathaus ja genug Clowns gibt.
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