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Mi, 18:17 Uhr
15.07.2020
IM GESPRÄCH MIT TORSTEN MEIßNER, VORSITZENDER DER KREISJÄGERSCHAFT

War der Todesschuss berechtigt?

Die nnz hatte in den zurückliegenden Wochen wiederholt und mehrfach über unterschiedliche Aspekte der Jagd berichtet. Nun konnten sich nnz-Autor Kurt Frank mit dem Vorsitzenden der Kreisjägerschaft ausführlich unterhalten...

Pflanzaktion im Revier Lipprechterode, die gemeinsam mit Bürgern der Gemeinde, den lokalen Jägern und dem Forstamt Bleicherode durchgeführt wurde. (Foto: privat) Pflanzaktion im Revier Lipprechterode, die gemeinsam mit Bürgern der Gemeinde, den lokalen Jägern und dem Forstamt Bleicherode durchgeführt wurde. (Foto: privat)
nnz: Was besagt derzeit in Zahlen und Fakten die Statistik der Kreisjägerschaft?

Torsten Meißner: Unsere Mitgliederzahl ist in den vergangenen Jahren etwas gesunken, was sicher auch der demographischen Entwicklung zuzuschreiben ist. Da wir derzeit keine eigene Jägerausbildung durchführen, fehlen uns natürlich auch einige, die wir früher direkt nach bestandener Prüfung als Mitglied begrüßen durften. Dennoch sind wir aktuell wieder bei einer stabilen Mitgliederzahl von 380 und freuen uns auch, viele junge Jäger in unseren Reihen zu haben. Ganz neu im erweiterten Vorstand ist unser Obmann für Junge Jäger, der ebenfalls im erweiterten Vorstand einer Unterorganisation Junge Jäger Thüringen des Landesjagdverbandes ist.

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nnz: Ist es für junge Jäger ohne eigenes Revier nicht schwer, in der jagdlichen Praxis anzukommen?

Torsten Meißner: Gerade für junge Jäger ohne eigenes Revier ist es schwer in der jagdlichen Praxis anzukommen und auch Jagdmöglichkeiten zu erhalten. Wir sind aber guter Dinge in Zusammenarbeit mit dem Landesjagdverband und unserem Obmann für junge Jäger genau dies voranzutreiben und auch ein gewisses Netzwerk zu schaffen und somit die Integration zu ermöglichen. Wir erhoffen dadurch auch eine Öffnung von privaten Jagdrevieren und deren Pächtern.

nnz: Klaus Thiemrodt ist ein Weidmann alter Schule, Vorsitzender der Hegegemeinschaft Rotwild und Leiter der Jagdschule in Ilfeld. Sechs Monate intensive Ausbildung. Seine Schüler sollen später dem Weidwerk keine Schande bereiten. Ein Mann mit besonderen Verdiensten?

Torsten Meißner: Klaus Thiemrodt ist eines unserer aktivsten Mitglieder im Verein und ebenfalls im erweiterten Vorstand der Jägerschaft. Wir können stets auf seine Unterstützung bauen und sind dankbar für die viele private Freizeit, die er unserem Verein opfert. Die Absolventen seiner Jagdschule haben das grüne Abitur mit Sinn und Verstand erworben. Wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn wir auch wieder mehr Absolventen der Jagdschule in unseren Reihen begrüßen könnten. Anmerken möchte ich jedoch, dass man Jäger nicht nur durch eine Prüfung, sondern den Willen weiter zu lernen und vor allem durch die eigene innere Einstellung wird.

Torsten Meißner mit seinem Hund Salut. (Foto: privat) Torsten Meißner mit seinem Hund Salut. (Foto: privat) nnz: Wer Lust und Laune hat, kann die Jagderlaubnis auch wesentlich schneller und vielleicht auch leichter erwerben. Betreiber loben ihre Schnellkurse als alternativlos für Leute, denen die Zeit fehle, sich länger vorzubereiten. Schnellverfahren? Ihre Meinung?

Torsten Meißner: Ich und auch eine Vielzahl unserer Jäger halten von derartigen Schnellkursen nichts. Ein Verständnis für den Wald, Wild und Naturschutz kann man in einem Bulimie-Craskurs nicht erwerben.

nnz: Der Deutsche Jagdverband lobt ein steigendes Interesse der Deutschen an der Jägerei. Die Wälder seien voller Wild, weshalb es mehr Jäger brauche. Bedarf es derer auch mehr im Südharz, um womöglich noch mehr Wild zu schießen?

Torsten Meißner: Hier kann ich mich dem Statement eines Leser und den Aussagen von Klaus Thiemrodt und Nils Neu im nnz-Artikel „Wir brauchen mehr Jäger, um mehr Wild zu schießen?“ nur anschließen. Eine qualifizierte Ausbildung, gesundes Augenmaß als auch die ganzheitliche Betrachtung der Zusammenhänge und die dadurch differenziert zu betrachtenden Biotopbedingungen sollten mehr Gewicht beigemessen werden als einen radikalen Abschuss zu fordern. Wir werden sicher auf Grund der aktuellen waldbaulichen Situation nicht umhin kommen, die Bestände an Aufforstungsflächen als auch zum Teil lokal erhöhte Wilddichten weiter zu regulieren. Hier dem Wild aber allein die Schuld zuzuweisen ist eine Fehlentscheidung. Wir brauchen auch wieder Ruhezonen für das Wild und einen gemeinsamen Ansatz von Wald und Wild. Gerade im Bund sind jetzt die Weichen mit dem neuen Bundesjagdgesetz zu stellen, um Wald mit Wild wieder als ganzheitliches Ökosystem zu betrachten. Wald ist nicht nur „Holzacker“, sondern auch Lebensraum.

Blühstreifen im Revier Kleinfurra. Ein Verdienst des leider schon verstorbenen Hartmuth Bauer, dessen Vermächtnis weitergeführt wird. In der ausgeräumten Feldflur mit riesigen Raps-, Mais- und Getreidefeldern, die keinen Platz für Wildkräuter, Nahrung für Rebhühner und Hasen, lassen, sah Bauer die Hauptursache für den Insekten und Artenschwund. (Foto: privat) Blühstreifen im Revier Kleinfurra. Ein Verdienst des leider schon verstorbenen Hartmuth Bauer, dessen Vermächtnis weitergeführt wird. In der ausgeräumten Feldflur mit riesigen Raps-, Mais- und Getreidefeldern, die keinen Platz für Wildkräuter, Nahrung für Rebhühner und Hasen, lassen, sah Bauer die Hauptursache für den Insekten und Artenschwund. (Foto: privat)
nnz: Felix Findeisen sieht sich als Forstmitarbeiter und Jäger dem Erhalt der Artenvielfalt verpflichtet. Er möchte mit dem Wolf leben, obwohl der vier Schafe seiner Familie bei Herrmannsacker riss. Könnte seine Meinung eine Ausnahme unter der Jägerschaft sein?

Torsten Meißner: Ein Streitthema, was aktuell häufiger betrachtet wird und zu kontroversen Diskussionen führt. Ja, auch unter uns Jägern gibt es verschiedene Auffassungen. Ich möchte jedoch behaupten, dass niemand in unseren Reihen ein gestärktes Interesse hegt, einen Wolf zu erlegen, wie es so gern behauptet wird. Ja, der Wolf ist bei uns angekommen. Und dies nicht erst seit diesem Jahr, sondern auch bereits, genetisch bewiesen, seit 2018 bei einem Schafriss im Teichtal. In wie weit wir es in Deutschland, in einem der dichtbesiedelsten Ländern Europas jedoch erlauben können, den Wolf überall zuzulassen, müssen andere entscheiden. Doch wo es die Bedingungen erlauben, wird er sicher auch seinen Platz in Deutschland haben.

nnz: Was besagt eigentlich eine Studie vom Bundesamt für Naturschutz über den Wolf?

Torsten Meißner: Die weist für Deutschland potentiell und theoretisch etwa 700 bis 1400 Wolfs-Territorien und damit Rudel aus. Was bei einer durchschnittlichen Rudelgröße von 6 bis 8 Tieren eine Zahl von im Mittelwert über 7000 Individuen bedeuten würde. Hierzu sei angemerkt, dass man in Schweden, einem Flächenland mit etwa 21 Prozent größerer Fläche als Deutschland und lediglich knapp 10,2 Millionen Einwohnern nur eine Gesamtpopulation von 300 Tieren zulässt.

nnz: Über so einen Wolfs-Bestand würden sich die Weidetierhalter hierzulande besonders freuen?

Torsten Meißner: Die erlitten bereits immense Schäden durch den Wolf. Jetzt mag der eine oder andere anmerken, dass es Entschädigungen gibt und auch der Herdenschutz verbessert werden muss, was jedoch so nicht der Wahrheit entspricht. Ich persönlich habe im vergangenen Jahr einen Schäfer von der Bundesliegenschaft in Ohrduf kennen gelernt. Der Schutzzaun hatte die erforderliche Höhe, doch der eigene Hund sprang mit einem Satz darüber. Was sollte den Wolf davon abhalten? Für das gerissene Tier gibt es Entschädigungen, nicht jedoch für die stressbedingten Totgeburten oder die ausbleibende Fruchtbarkeit der anderen Schafe. Alles in allem ein sehr differenziert zu betrachtendes Thema. Zu wünschen wäre eine ehrliche Berichterstattung, um damit auch die Akzeptanz zu schaffen und Lösungen zu finden.

Vor Beginn der Wiesenmahd stellt Torsten Meißner in seinem Revier Wildscheuchen auf. Sie dienen neben der Vermeidung von Wildschäden in Feldern und Schälschäden in Wäldern vor allem einer effektiven Rehkitzrettung. (Foto: privat) Vor Beginn der Wiesenmahd stellt Torsten Meißner in seinem Revier Wildscheuchen auf. Sie dienen neben der Vermeidung von Wildschäden in Feldern und Schälschäden in Wäldern vor allem einer effektiven Rehkitzrettung. (Foto: privat)
nnz: Immer weniger Insekten und Wildkräuter in Wald und Flur. Erschreckend der Vogelschwund der letzten 20 Jahre. Bei Schwalben und Rebhühnern beispielsweise bis zu 90 Prozent. Worin sehen Sie Ursachen für den Artenschwund und wie kann das Weidwerk dagegen halten?

Torsten Meißner: Wir bemerken diese Entwicklung leider auch bei unserem gesamten Niederwild. Dies mag viele Gründe haben. Die mittlerweile überhand nehmende Anzahl an Waschbären, der sich ausbreitende Marderhund, aber natürlich die fehlenden Biotope und Blühstreifen in unserer kulturgeprägten Landschaft. Im Gegensatz zu vielen, die nur davon reden, tun die Jäger einiges. So haben wir in den vergangenen Jahren mehrere Fußballfelder große Blühstreifen, Wildäcker und Hecken angelegt, um dem Niederwild eine Chance zu geben

nnz: Gewisse Politiker in Thüringen plädieren für Windräder in Wäldern. Wie bewerten Sie das Ansinnen – Energiegewinnung oder Umweltzerstörung?

Torsten Meißner: Wer die angestrebten Klimaziele erreichen und bis 2050 vollkommen auf erneuerbare Energien umsteigen will, muss Kompromisse finden. Hier kann es nicht, wie bei einigen Parteien üblich, nach dem Motto gehen: „Wasch mich aber nicht nass“. Ich bin persönlich der Meinung, dass Windkraftanlagen im Wald nichts verloren haben. Denn gerade hier befinden sich die Ruhezonen des Wildes und vieler leider selten gewordener anderer Tierarten wie Schwarzstorch und Uhu. Nebenbei angemerkt hat die ach so Grüne Politik für mich jedes Mitspracherecht verloren, wenn von einem grünen Umweltministerium das Ablassen des Stausees in Kelbra veranlasst wird, um Vogelschutz zu betreiben. Hier zeigt sich fehlende Kenntnis der Zusammenhänge in der Natur und des Ökosystems. Meine Tochter konnte mir aus dem Schulunterricht bereits erklären, welche Fehler hier begangen wurden.

nnz: In einem Teich bei Lipprechterode wurde ein verwundeter Hirsch erschossen. Der Vorfall führte zu heftigen Diskussionen. Wird nach Abschluss des noch laufenden Verfahrens über das Ergebnis die Öffentlichkeit informiert?

Torsten Meißner: Wir bitten um Verständnis, dass wir auf Grund aktueller Ermittlungen keine weiteren Aussagen treffen. Denn wir haben Strafanzeige als Verein gegen Unbekannt gestellt, da ein anonymes Schreiben mit gefälschten Kopfbogen der Jägerschaften Nordhausen und Worbis erstellt wurde, indem es unter anderem um Verleumdungen der für die Jagd Verantwortlichen ging. Zu dem Vorfall Hirsch im Teich laufen die Ermittlungen noch. Diese werden zeigen, ob der Hirsch von seinem Leiden, gemäß Tierschutzgesetz, an dieser Stelle hätte erlegt werden dürfen. Wir werden über das Ergebnis informieren.
Die Fragen an Torsten Meißner stellte Kurt Frank
Autor: psg

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