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Fr, 07:17 Uhr
02.08.2019
Lichtblick

Welcher Gebrauch geht in die Irre?

Um nicht böswillig oder versehentlich missverstanden zu werden: 1. Kinder sind ein hohes Gut und/oder sollten es sein. Sie zu schützen gehört zu unserer ureigenen Bestimmung...


2. Kinder können und dürfen nicht „gebraucht“ werden. Das widerspricht ihrem Wesen und Ihrer Bestimmung als Mensch. Wo immer Menschen „gebraucht“ werden (ob als Kinder, als „Kanonenfutter“ im Krieg, als „billige Arbeitskräfte“, als Prostituierte oder Prostituierter…) geht ihre Bestimmung zu Bruch, werden sie unmenschlich behandelt, ist dem ohne Einwände zu widersprechen.
3. Kinder sind in besonderer Weise schützenswert, weil sie nicht den Hauch einer Chance gegen Erwachsene haben, die ihnen kräftemäßig und oft auch intellektuell häufig unterlegen sind, viele Dinge wie fehlendes Wissen nicht mit Erfahrung ausgleichen können. Sie bedürfen deshalb des Schutzes der Allgemeinheit. Wer ihnen diesen versagt, verhält sich unsozial und stellt sich außerhalb der Zivilisation.

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In der Vergangenheit ist das, GOTT sei es geklagt, auch in Kirchen oft nicht genügend mit Leben gefüllt worden. Katholische wie evangelische Einrichtungen bzw. Personen wurden überführt, dass Sie Kindern körperliche, seelische und sexuelle Gewalt antaten.

Das ist nicht gründlich genug aufzuklären und ans Tageslicht zu holen. Dabei haben die beiden Kirchen unterschiedliche Tempi an den Tag gelegt und hatten verschieden hohe Hürden zu nehmen, nun aber sind sie an einer ernsten Aufklärung interessiert und das ist gut so. Vor allem aber ist es notwendig, damit erlittenes Unrecht aufgearbeitet werden kann. Den Opfern dieser Verfehlungen sollte unsere ganze Aufmerksamkeit und Fürsorge gelten, dabei aber nicht vergessen werden, dass es immer einzelne Menschen(gruppen) waren, die den Kindern Gewalt antaten. Es war nicht „die Kirche“, wenngleich gewisse, ihr innewohnende Strukturen das unterstützt haben und manches Schweigen oder Verdrängen in der Vergangenheit unerträglich ist.

Doch, und das darf keineswegs böswillig oder versehentlich als Relativierung verstanden werden, der Ärztliche Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ulm, Jörg Fegert, sagt: „Wir haben in Deutschland ungefähr doppelt so viele Fälle im Sport wie in der Kirche“. Was in Katholischer und Evangelischer Kirche (ich nenne immer beide, weil ich dem Vorwurf entgehen möchte, wir zeigten auf andere um von uns selbst abzulenken, wenngleich die Fallzahlen schon ihre eigene Sprache sprechen) schon unfassbar ist, wurde erst vor wenigen Tagen, am 13. Juli in der ARD zum ersten Mal intensiver angefasst.

Wäre dies bei Kirche passiert, hätten die Überschriften „Skandal“ und noch weniger Schmeichelhaftes geheißen. Doch nach dem TV-Bericht ist es seltsam still und das bei hochgerechneten 200.000 Fällen!
Von den von Fegert befragten 1.800 Leistungsportler hatte ein Drittel sexuelle Übergriffe erlebt.

Wohl deshalb, weil alle, die mit ausgestrecktem Finger auf die Kirche zeigten, nun merken, dass Ihnen das Thema doch näher rückt als bisher gedacht und drei Finger ihrer Hand auf sich selbst weisen. Agnostiker konnten ja bisher immer sagen: Nur gut, dass mein Kind nicht in kirchlichen Einrichtungen war, da konnte ihm nichts passieren!“

Doch nun rückt das Thema ganz bedrohlich nah. Kaum ein Kind, dass nicht in einem Sportverein aktiv ist und das soll u.U. vom Trainer oder Betreuer unsittlich berührt worden sein oder Schlimmeres? Berichte wie die der Ex-Fußballerin Nadine, die jahrelang von ihren Betreuern missbraucht und vergewaltigt worden war (Deutschlandfunk), schrecken auf und verstören. Nur ja nicht weiter nachfragen, denn vielleicht betrifft es ja auch mein Kind? Oder das des Nachbarn.

Als es um die Kirche ging, da konnten wir uns trefflich empören, das hat ja unsere Vorurteile bestätigt, das wussten ja schon vorher, auch wenn wir keinerlei Ahnung von Kirche haben und noch nicht einmal in einer waren. Doch nun? Mitten im Alltag, mitten im Leben, mitten unter Leuten, von denen wir womöglich sogar ein gutes Urteil haben? Sind unsere (Vor)Urteile womöglich alle naiv oder sogar dumm?

Können wir uns und unseren Instinkten unter Umständen gar nicht vertrauen und das Böse ist näher als wir ahn(t)en? Nur ja nicht weiterdenken, lieber auf die zeigen, bei denen wir es schon immer wussten, aber doch nicht bei uns! Das ist doch gar zu grausam.

In einem Bericht aus den USA sah ich eine Mutter, die fassungslos von einem Sportmediziner sprach. Er untersuchte ihre Tochter, Sie selbst war im Raum stand hinter dem Mediziner, während dieser ihre Tochter zwischen die Beine fasste. Sie bekam es nicht mit und wollte, als ihre Tochter ihr das im Nachgang der Untersuchung unter Tränen erzählte, ihr keinen Glauben schenken. Es ist uns näher als wir glauben, es ist sogar sehr viel näher.

Fachleute weisen darauf hin, dass die meisten Missbräuche überhaupt in familiären Zusammenhängen passieren und auf Vertrauensverhältnissen gründen (nur ca. sechs Prozent geschehen durch dem Kind Fremde - Inländer wie Ausländer). Das sind mehr als in Sport und Kirche zusammen, wobei einerseits die Dunkelziffer sehr hoch ist und die hochgerechneten Zahlen nur einen Abglanz der Wirklichkeit bieten können.

Doch über Missbrauch wird selten offen gesprochen, zumal die Täter nicht davor zurückschrecken, Kindern und Jugendlichen den Tod der Eltern oder vergleichbares anzudrohen, wenn Sie anderen davon erzählen.

Nun gibt es ja Zeitgenossen, die die Todesstrafe für Kindermissbrauch (das dieses Wort an sich absurd ist, wurde, denke ich, deutlich, da Kinder überhaupt nicht gebraucht werden dürfen) fordern. Dieser menschlich halbwegs verständliche Impuls, ist aber kurzsichtig.
Zum einen folgt er dem Denken, dass wenn die Ursache für ein Übel weg ist, das Problem gelöst ist. „Missbraucher tot, Kind gerettet“.

Das bewegt sich auf der intellektuellen Ebene von Drachentötergeschichten, wobei niemand danach fragt, wie es sintemals der vom Drachen geraubten Prinzessin erging und wie es heute dem vergewaltigten Kind oder Jugendlichen geht, dass/der/die davon sein/ihr Leben lang gezeichnet sein wird.

Zum anderen zeigen Länder mit Todesstrafe, dass sich der gewünschte Effekt der „Abschreckung“ nicht einstellt. Vielmehr ist die Straftatrate in solchen Ländern besonders hoch.

Wenn wir danach fragen, wie es den Opfern geht, so können sie aus dem Tod des Täters keinen positiven Nutzen ziehen. Es wird Ihr zerstörtes Urvertrauen in die Gattung Mensch nicht wiederherstellen.
Zudem würden sich viele derer, die Aufkleber wie „Todesstrafe für Kinderschänder“ an ihren Autos kleben haben, wundern, wie viele Freunde, treue Väter und fürsorgliche Onkel und Tanten (ja, auch Frauen sind Täterinnen oder ermöglichen die Tat) sie in ihrem Umfeld verlören. Es könnte sehr einsam um sie werden.

Ich plädiere dafür, und das wäre ein echter Lichtblick in dieser Diskussion, dass wir allen diesen Übergriffen, ob in Kirche, Sport oder Gesellschaft, mit gleicher Intensität nachgehen, gleich stark verurteilen und sie möglichst von vornherein verhindern. Das heißt nicht, generelles Misstrauen aber eine gehörige Portion Aufmerksamkeit, vor allem aber das Ablegen aller Vorurteile. Einem Kind oder Jugendlichen ist es egal, ob es vom Vater, vom Onkel, dem Trainer oder einem Geistlichen Gewalt erfährt. In jedem Fall ist es abscheulich und verurteilenswert. Es darf und kann nicht um Bestätigung von „liebevoll gepflegten Vorurteilen“ gehen, sondern einzig und allein um den Schutz von Menschen. Das wiederum speist sich für mich aus der Tatsache, dass wir GOTTes Ebenbild sind und alle gleich wertvoll. Es geht schließlich um unsere (Kindes)Kinder, das muss uns alles wert sein.

Herzliche Einladung zum Nachdenken und Handeln.
Ein gesegnetes, aufmerksames und dem andern zugewandtes Wochenende,
Ihr Superintendent Kristóf Bálint, Bad Frankenhausen

Die evangelische Kirche hat eine Hotline für Opfer sexueller Gewalt eingerichtet. Sie ist unter 0800.5040112 oder zentrale@anlaufstelle.help oder www.anlaufstelle.help zu erreichen.
Weitere Hilfe unter: https://beauftragter-missbrauch.de/praevention/was-ist-sexueller-missbrauch/wo-findet-missbrauch-statt oder https://silberdistel-ludwigsburg.de/fragen-antworten
Autor: red

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