Sa, 08:00 Uhr
01.06.2019
Ehemaliger Nordhäuser Intendant in Dresden
Auch in Kultur verlief Wende zu schnell
In Nordhausen währte sein Gastspiel nur zwei Jahre, aber Michael Schindhelm hinterließ als Regisseur einen starken Eindruck. Nun bemüht er sich in Dresden darum, dass das sächsische Florenz zur Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2025 gekürt wird...
Der gebürtige Thüringer kam 1990 als Referent des Intendanten der Nordhäuser Bühnen an der Promenade. Nach dem Verbund mit dem Loh-Orchester Sondershausen stieg er zum Direktor der gemeinsamen Kultureinrichtung auf. In der Folgezeit wirkte Schindhelm in Gera und Altenburg.
Von 2005 an setzte sich sein rasanter Aufstieg in leitende Funktionen in Berlin fort: an der Komischen Oper, der Staatsoper Unter den Linden und der Deutschen Oper. Weil nach seiner Auffassung die Hauptstadt nicht genügend Geld für die Kultur aufwendet, gab er enttäuscht auf.
Die vielseitige Karriere als Berater, Kurator und Kulturmanager führte ihn in die USA und nach Moskau, nach Dubai und Hongkong sowie als Regisseur und Moderator eines Talk-Salons in die Schweiz. Er schrieb Bücher und Libretti, war als Übersetzer und Filmemacher sowie als Ideengeber tätig.
Aus Eisenach stammend, machte er sein Abitur in einer Spezialklasse in Merseburg und studierte in Woronesch in der UdSSR. Danach wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für physikalische Chemie an der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin. In der Abteilung Theoretische Chemie teilte er sich ein Büro mit der jungen Angela Merkel.
Ich erlebe bis heute das Gefühl, dass Dresdner in ihrer Stadt nichts zu sagen sagen, bedauert Schindhelm. Es besteht ein nachhaltig wirkender kollektiver Kränkungszustand, hervorgerufen durch Verlust, Enttäuschung und Desillusionierung. Er könne es sehr gut verstehen, dass die Leute das Gefühl hätten, bevormundet zu werden. Für das Kulturbürgertum bleibe nur der Leserbrief, erklärt der 59-jährige.
In Dresden sei eine Verbindung von Hochkultur und Straßenpopulismus möglich, meint Schindhelm. Sonst hätte mich das hier nicht interessiert. Vorher
hatte er ähnliche Aufgaben in Essen und Weimar abgelehnt. Es geht hier nicht ausschließlich um kulturpolitische Institutionen oder Probleme der Kreativwirtschaft, sondern wie Leute, die völlig verschiedener Meinung sind, die Differenzen auszutragen, anstatt sich abzuschotten. Das kann Kultur.
Die Kultur sei ein gesamtgesellschaftliches Parlament zum gegenseitigen Austausch, bemerkt Schindhelm. Nach der Wende 1989 hätten der Kultur die Mittel gefehlt, um die Unterschiede zu artikulieren und offen auszutragen. Diese Versuche seien fehlgeschlagen, weil auch ostdeutsche Kulturinstitutionen zu schnell
abgewickelt oder vom Westen übernommen worden seien.
m.n.
Anmerk. d. Red.: Michael Schindhelm kam zu Lesungen mehrfach nach Nordhausen. Vor seiner ersten Lesung führte die nnz mit dem Mann ein Interview.
Autor: redDer gebürtige Thüringer kam 1990 als Referent des Intendanten der Nordhäuser Bühnen an der Promenade. Nach dem Verbund mit dem Loh-Orchester Sondershausen stieg er zum Direktor der gemeinsamen Kultureinrichtung auf. In der Folgezeit wirkte Schindhelm in Gera und Altenburg.
Von 2005 an setzte sich sein rasanter Aufstieg in leitende Funktionen in Berlin fort: an der Komischen Oper, der Staatsoper Unter den Linden und der Deutschen Oper. Weil nach seiner Auffassung die Hauptstadt nicht genügend Geld für die Kultur aufwendet, gab er enttäuscht auf.
Die vielseitige Karriere als Berater, Kurator und Kulturmanager führte ihn in die USA und nach Moskau, nach Dubai und Hongkong sowie als Regisseur und Moderator eines Talk-Salons in die Schweiz. Er schrieb Bücher und Libretti, war als Übersetzer und Filmemacher sowie als Ideengeber tätig.
Aus Eisenach stammend, machte er sein Abitur in einer Spezialklasse in Merseburg und studierte in Woronesch in der UdSSR. Danach wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für physikalische Chemie an der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin. In der Abteilung Theoretische Chemie teilte er sich ein Büro mit der jungen Angela Merkel.
Ich erlebe bis heute das Gefühl, dass Dresdner in ihrer Stadt nichts zu sagen sagen, bedauert Schindhelm. Es besteht ein nachhaltig wirkender kollektiver Kränkungszustand, hervorgerufen durch Verlust, Enttäuschung und Desillusionierung. Er könne es sehr gut verstehen, dass die Leute das Gefühl hätten, bevormundet zu werden. Für das Kulturbürgertum bleibe nur der Leserbrief, erklärt der 59-jährige.
In Dresden sei eine Verbindung von Hochkultur und Straßenpopulismus möglich, meint Schindhelm. Sonst hätte mich das hier nicht interessiert. Vorher
hatte er ähnliche Aufgaben in Essen und Weimar abgelehnt. Es geht hier nicht ausschließlich um kulturpolitische Institutionen oder Probleme der Kreativwirtschaft, sondern wie Leute, die völlig verschiedener Meinung sind, die Differenzen auszutragen, anstatt sich abzuschotten. Das kann Kultur.
Die Kultur sei ein gesamtgesellschaftliches Parlament zum gegenseitigen Austausch, bemerkt Schindhelm. Nach der Wende 1989 hätten der Kultur die Mittel gefehlt, um die Unterschiede zu artikulieren und offen auszutragen. Diese Versuche seien fehlgeschlagen, weil auch ostdeutsche Kulturinstitutionen zu schnell
abgewickelt oder vom Westen übernommen worden seien.
m.n.
Anmerk. d. Red.: Michael Schindhelm kam zu Lesungen mehrfach nach Nordhausen. Vor seiner ersten Lesung führte die nnz mit dem Mann ein Interview.
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