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Mi, 13:20 Uhr
20.03.2019
Notfallverbund erhält Ausrüstung

Erste Hilfe für Kulturgüter

Manche Katastrophen machen große Schlagzeilen, sei es der Brand der Anna-Amalia Bibliothek oder der Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Vielen Kulturgütern drohen viel alltäglichere Gefahren. Auf den Fall der Fälle ist man jetzt auch in Nordhausen bestens vorbereitet um die Kulturschätze der Region sichern zu können...

Neue Ausrüstung für den Nordhäuser Notfallverband - v.r.: Torsten Heß, Ralf Seeber, Jutta Krauth und Jörg Dietrich (Foto: Angelo Glashagel) Neue Ausrüstung für den Nordhäuser Notfallverband - v.r.: Torsten Heß, Ralf Seeber, Jutta Krauth und Jörg Dietrich (Foto: Angelo Glashagel)

Katastrophen und Havarien kündigen sich in der Regel nicht an. Ist der Ernstfall eingetreten, ist Handlungsfähigkeit gefragt. Das gilt für den "großen" Katastrophenschutz, aber auch für "kleinere" Vorfälle, nicht nur bei der Rettung von Menschen, sondern auch für den Erhalt unwiderbringlicher Kulturgüter.

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Gemeint sind damit nicht allein Gemälde, antike Möbel und andere Artefakte der Vergangenheit, sondern auch Dokumente und Unterlagen aus Archiven, Museen und Depots. Wer sich ein wenig in der Nordhäuser Geschichte auskennt, der kann erahnen wieviel der eigenen Vergangenheit durch Brände und andere Katastrophen über die Jahrhunderte verloren gegangen ist.

Die Feuerwehr mag wissen wie man einen Brand löscht, die Expertise wie man aber ein unbezahlbares Gemälde oder ein ganzes Hängeregister sicher aus der Katastrophenzone befördert, die liegt anderswo, bei den Profis vor Ort. Um dem Verlust von Kulturgütern möglichst gering zu halten oder gleich ganz zu verhindern wurden in Deutschland nach einschlägigen Erfahrungen wie dem Elbhochwasser in Dresden oder dem Brand der Anna-Amalia deswegen sogenannte Notfallverbünde aufgebaut.

Einen solchen gibt es auch in Nordhausen, über die städtischen Museen und die Gedenkstätte Mittelbau-Dora, den Archiven von Stadt und Kreis bis zum Kirchenarchiv sind diverse Institutionen vertreten und haben sich gegenseitige Hilfe zugesichert.

Seit heute steht der Verbund nun auch materiell auf sicheren Füßen. In Person von Ralf Seeber übergab der Dachverband der Thüringer Kultureinrichtungen, der Kulturrat, heute ein umfangreiches Notfallset an den Nordhäuser Notfallverbund. "Unser Ziel ist es Kulturgüter fachgerecht zu sichern und transportieren zu können, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche", erklärte Seeber. 40 Jahre war er bei der Feuerwehr tätig und als erster Einsatzleiter beim Brand der Anna-Amalia Bibliothek vor Ort. "In der Hochphase des Brandes hätte eine solche Ausrüstung die Lage nicht verbessert. Die Feuerwehr wird immer zuerst Menschen retten und dann den Brand eindämmen. Die Sicherung von Sachwerten steht erst an dritter Stelle", sagte Seeber. Der Vorteil des Systems komme erst danach zum tragen. "Vom Brand der Bibliothek ist mir ein Bild besonders im Kopf geblieben: historische Bücher, die auf dem historischen Pflaster vor der Bibliothek lagen. Die sollten dort nicht sein aber die Retter wussten damals schlicht nicht wohin damit."

Ralf Seeber erläuterte die Notfallausrüstung (Foto: Angelo Glashagel) Ralf Seeber erläuterte die Notfallausrüstung (Foto: Angelo Glashagel)

Die Ausrüstung nach Feuerwehrstandard sollen solche Szenarien in Zukunft verhindern. Neben Nass- und Trockensauger, LED-Lichtelementen und Schutzkleidung finden sich in den Rollwagen eine ganze Reihe Dinge, mit denen die Feuerwehr nichts anfangen könnte, für Archivare und Museumskuratoren aber Gold wert sein können. Eine Wäscheleine zum Beispiel, oder Zahnstocher, Pinsel und Löschpapier.

Für die insgesamt fünf Notfallverbünde in Thüringen hat man insgesamt knapp 300.000 Euro ausgegeben. Die Notfallausrüstung schlägt dabei mit knapp 25.000 Euro zu Buche. Im Laufe des Jahres will man zudem ein in Weimar stationiertes Spezialfahrzeug anschaffen. Man könne dann innerhalb von zwei Stunden im ganzen Freistaat zur Tat schreiten, sollte dies nötig werden, sagt Seeber.

Das Verständnis und das nötige Geld zu bekommen sei nicht immer leicht, gerade wenn es um Dinge gehe, die nicht sofort gebraucht werden, erklärte der Vorsitzende des Nordhäuser Notfallverbundes, Torsten Heß, Museologe an der Gedenkstätte Mittelbau Dora, für die Kultur gelte das noch mehr als für die Feuerwehr. Entsprechend dankbar ist man das sich die Thüringer Staatskanzlei der Sache angenommen hat und die Notfallverbünde in den kommenden fünf Jahren unterstützt.

Die Hoffnung ist freilich das der Verbund nie zum Einsatz kommen muss. Im Idealfall kann Jahre lang nichts passieren. Oder es kann ganz schnell gehen. Allein in Weimar habe man im vergangenen Jahr drei Vorfälle gehabt, erzählt Seeber, einen Brand an der Orangerie und zwei Wasserrohrbrüche.

Ausufernde Brände mögen selten sein, Wassereinbrüche sind für Museen und Archive eine Alltagsgefahr. Gerade Archive sind selten in speziellen Räumlichkeiten untergebracht. Fallbeispiel Stadtarchiv Nordhausen: über die Pfingstfeiertage 2018 vergisst eine Reinigungsfirma einen Wasseranschluss zu schließen, drei Tage lang läuft das Wasser im Neuen Rathaus. Eine Etage tiefer liegt das Stadtarchiv, voller Dokumente aus der tausendjährigen Geschichte der Stadt. Die Katastrophe war da, der Notfallverbund wurde aktiviert und konnte handeln. "Die Ausrüstung die wir jetzt haben wäre damals sehr hilfreich gewesen", erzählt Heß. Für das nächste mal ist man besser vorbereitet. Hoffentlich lässt die Havarie möglichst lange auf sich warten.
Angelo Glashagel
Autor: red

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