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Mo, 07:48 Uhr
14.01.2019
Standing Ovation im Bergwerk

„Von der Themse an die Donau“

Einsame Spitze und die Beobachtung: „an der Spitze ist es einsam“, das waren die Eindrücke vom diesjährigen Neujahrskonzert des Loh-Orchesters Sondershausen unter Tage, einem Konzertsaal des Erlebnisbergwerks Sondershausen in 670m Tiefe. Das beliebte Konzert, das wieder komplett ausverkauft war, stand unter dem Motto „Von der Themse an die Donau“.

Konzert im Bergwerk (Foto: Gisela Reinhardt) Konzert im Bergwerk (Foto: Gisela Reinhardt)
Der unterhaltsame Abend begann mit populärer Musik aus England, darunter dem bekannten „Greensleeves“ und Edward Elgars berühmtem Marsch aus seinen „Pomp and Circumstance“ („Land of Hope and Glory“), der heimlichen englischen Nationalhymne. Die „English Folk Song Suite“ von Ralph Vaughan Williams gilt als eine der berühmtesten Kompositionen für eine Militärkapelle.

Henry Woods „Fantasia on British Sea Songs“, die aus neun Teilen besteht, die die Schlacht von Trafalgar aus der Sicht eines Seemanns beschreiben, sorgten für besondere Freude beim Publikum.

Im Teil „Jack the Lad“ wurde das Stück so schnell gespielt, dass man befürchten musste, die Streicher entfachen mit ihren Bögen Feuer. Das mit klatschende Publikum musste alles geben, um diesem Tempo zu folgen. Interessant war auch, dass die vertraute Melodie, die bei uns als "Tochter Zion" bekannt ist, in England kein Weihnachtslied, sondern ein patriotischer Marsch ist.

Henry Wood, der Gründer der Londoner Promenade Concerts, hat ihn in seine "Fantasia on British Sea Songs" eingebaut, die alljährlich zum Abschluss der "Last night of the Proms" zelebriert und gefeiert wird, die zum nationalen Kulturgut gehört und bei der die steifen Briten außer Rand und Band geraten.

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Die Proms sind eine traditionelle Sommerkonzertreihe in London, bei denen alljährlich zwischen Juli und September täglich Konzerte mit klassischer Musik stattfinden. Einmal im Jahr verwandelt sich die altehrwürdige Royal Albert Hall in ein Tollhaus. In der mittigen Arena der Londoner Royal Albert Hall können 1350 Prommers, das sind die Spaziergänger, die für ihr Ticket wenig bezahlen, aber nur Stehplätze haben, stehen, und weitere 500 finden Platz in der Galerie.

In die Welt von Johann Strauß tauchte der zweite Teil des Abends ein. Neben Musik aus der Operette „Eine Nacht in Venedig“ und dem berühmten Donauwalzer gab es viele humorvolle Programmpunkte zu erleben.

Für die Faschingsbälle in Wien bestand ein regelrechter Bedarf an Tanzmusik. Das war eine Herausforderung für den Walzerkönig Johann Strauß. 1864 erklang erstmals seine Polka schnell „Vergnügungszug“, die später zu einem der meistgespielten Orchesterwerke von Johann Strauss II wurde.

Der Titel "Annen-Polka", den Johann Strauß (Sohn) 1852 komponierte, bezieht sich auf das in Wien sehr beliebte Annenfest und die zahlreichen Damen mit diesem Namen in den verschiedensten Variationen. All diese Informationen rund um die Programmpunkte des Konzerts präsentierte Michael Helmrath, Generalmusikdirektor der Theater Nordhausen/Loh-Orchester Sondershausen GmbH, gewürzt mit Humor und Esprit, gepaart mit Charme und Erzählkunst. Er bezeichnete seine Informationsvermittlung als „Bildungsauftrag“ und schlug geschickt immer wieder einen Bogen von der Musikgeschichte zur Gegenwart.

Pointierte, intelligente Unterhaltung, die das Publikum in große Freude versetzte. Dabei war es egal, ob er, bezugnehmend auf die Wärme im Konzertsaal Oscar Wilde zitierte: „Die klimatischen Bedingungen in der Hölle sind sicherlich unerfreulich, aber die Gesellschaft dort wäre von Interesse“, die Gender Mainstreaming Politik auf die Schippe nahm oder über die Kuriositäten des Wiener Friedhofs sprach, auf dem Johannes Brahms, Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schubert beerdigt sind und die dort einen Postkasten haben sollen.

„Schon immer haben die Wiener und der Tod ein ganz besonderes Verhältnis zueinander. Böse Zungen sagen, der Tod selbst muss Wiener sein. Zärtlich wird dieser von den Wienern besungen, und über ihn gescherzt.“ Er ergänzt lächelnd: „Ihr letztes Auto wird ein Kombi sein“. Als Gast fühlte man sich zwischen den einzelnen Musikstücken köstlich unterhalten und amüsiert.

Michael Helmrath ist seit der Spielzeit 2016/17 als Generalmusikdirektor des Theaters Nordhausen / Loh-Orchesters Sondershausen tätig. Wenn er auf die Bühne kommt, sind alle Augen im Saal auf den Dirigenten gerichtet. Konzentriert mit präzisen und gleichzeitig dynamischen Hand- und Taktstockbewegungen gibt er den Takt vor. Niemand merkt, dass hinter dieser scheinbaren Leichtigkeit bei der Aufführung eine Menge Arbeit steckt.

Michael Helmrath sprüht auf der Bühne voller Temperament. Er lebt die Musik, bringt das Werk zur musikalischen Entfaltung und sorgt mit seinem Ensemble für das Erleben der Musik. Natürlich ist es nicht der Dirigent, der den Klang produziert, sondern das Orchester. Beim Musizieren offenbaren die Musiker ihr Herz und man spürt die Freude der Musiker, ihre Musik so perfekt wie möglich zu präsentieren.

Neben bekannten Ensemblemitgliedern, gibt es viele junge Gesichter im Orchester. Die Generationen und den eigenen Anspruch an die Musik zu verbinden, ist sicher manchmal eine Herausforderung. Doch wenn der Dirigent beide Arme hebt, sagt schon die Körpersprache: Alles hört auf mein Kommando. Das ist Autorität. Michael Helmrath, der sich am Ende des Konzerts nicht retten konnte, vor den Wünschen des Publikums nach Zugabe, wirkte freudig gelöst.

Lautstark unterstrichen die Gäste ihren Wunsch durch Standing Ovation, frenetischen Jubel und nicht enden wollenden Applaus mit Händen und Füßen. Immer wieder nahmen die Musiker Platz für eine erneute Zugabe. Michael Helmrath reagierte geduldig. Man konnte seine Freude und seinen Stolz auf sein Orchester spüren. Immer wieder wies er mit seinem Arm auf seine Musiker. Es war grandios.

Auf dem Weg von der Konzerthalle zu den Aufzügen, nach dem Konzert, ging Michael Helmrath allein auf der salzbedeckten Straße. Er stand in der langen Warteschlange und wirkte hier in der Reihe der wartenden Gäste bescheiden, verlassen und ein bisschen einsam. Er sah erschöpft aus und nichts deutete auf den temperamentvollen Dirigenten des Konzertes hin. Ist es an der Spitze einsam?

Es gibt eine Distanz zwischen dem Ensemble und demjenigen, der die letzte Entscheidung treffen muss, das ist auch in der Arbeitswelt so. Führungsmomente sind sehr einsam. Als Chef muss man manchmal Entscheidungen treffen, die unpopulär, aber notwendig sind. Chefdirigent Christoph von Dohnanyi sagte dazu: „Als Künstler ist man in gewisser Weise immer einsam, aber man hat als Partner immer die Kunst. In der Kunst ist die einzige Autorität, die ernst zu nehmen ist, das Werk.“

„Ein Orchester ist ein ganz gutes Bild unserer Gesellschaft, das man mit einem Führungsstil überzeugen muss, der Resultate bringt.“ Das ist der Preis des Chef-seins, wenn alle anderen nach einem Konzert beim Bierchen gemeinsam ihren Adrenalinspiegel senken, ist es an der Spitze einsam!
Gisela Reinhardt








Autor: ik

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