Mo, 23:10 Uhr
15.10.2018
Regionalplan Nordthüringen vorgestellt
Kompromiss oder Konfrontation?
Im Heringer Schloss wurde am Abend der aktuelle Entwurf zum Regionalplan Nordthüringen vorgestellt. Im Fokus der Nordhäuser stand dabei natürlich die alte Streitfrage um den Gipsabbau im Südharz. Die Fronten sind gewohnt verhärtet. Während die regionale Planungsgemeinschaft um Landrat Jendricke Zugeständnisse an die Gipsindustrie vorschlägt, würde man anderer Stelle lieber weiter auf Fundamentalopposition setzen...
Im nunmehr Jahrzehnte andauernden Streit um den Gipsabbau im Südharz wurde am Abend im Heringer Schloss mit der Vorstellung des ersten Entwurfes zum Regionalplan Nordthüringen die nächste Runde eingeläutet.
Die Materie ist kompliziert, die rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen Bund- und Landesebene, Bergrecht, Naturschutz und Flächennutzungsplänen mannigfaltig. Entsprechend verwanden die Vertrerter der regionalen Planungsgruppe Nordthüringen, also der vier Nordthüringer Kreise, viel Zeit und Aufwand eben jene Rahmenbedingungen erst einmal anzureißen und die Struktur der umfassenden Planungen darzulegen.
Grundlage ist der Landesentwicklungsplan, der 2014 noch von der damaligen Landesregierung auf den Weg gebracht wurde. Der Plan aus Erfurt steckt den Rahmen ab in dem sich die regionalen Überlegungen zur weiteren Entwicklung bewegen können. Wie die aussehen könnten, hat man nach nun bald vier Jahren im Entwurf vorgelegt.
Bei dem rund 70 Seiten starken Dokument handelt es um ein Stück bürokratischer Wertarbeit aus deutscher Feder, ehe man zu dem kam, was die Gäste im Schloss tatsächlich interessierte, gestaltete sich der Abend entsprechend trocken. Die Planer machten kaum anstalten den Fachjargon in Worte zu kleiden, die den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern ein klares Bild von der aktuellen Situation hätten vermitteln können. Auch die dazugehörige Power-Point Präsentation war kein Ruhmesblatt moderner Kommunikation, kleinteilige Texte und vielschichtige Kartenauszüge, die zwischen den Säulen des Ballsaales ohnehin nicht für jeden einzusehen waren, sorgten eher für Frust als für Klarheit. Ein Arbeitsbericht, der gut in jede Dienstberatung gepasst hätte, nicht aber in einen Informationsabend für die Bürgerschaft.
Der aktuelle Entwurf des Regionalplans sieht insgesamt acht Vorranggebiete für den Abbaus von Gips vor:
Hintergrund sind Urteile des Oberverwaltungsgerichtes zu Regionalplänen in Ostthüringen. Hier hatte man sich nicht an Vorgaben aus Erfurt gehalten. Das Gericht erklärte Teile der Pläne als null und nichtig und hinterließ "weiße Flecken" auf den Karten der Planer. Mit dem Wegfall der regionalen Planung sei den Interessen der Unternehmen damit überhaupt erst der Weg geebnet worden, erläuterte Jendricke, dies gelte es am Südharz zu verhindern. Man erwarte im Gegenzug für die Zugeständnisse bei den bestehenden Vorranggebieten rechtsverbindliche Erklärungen der Unternehmen in Zukunft keine Abbaupläne im weiteren Landkreis zu verfolgen. Zudem regte der Landrat an, vom Land auch finanzielle Gegenleistungen in zweistelliger Millionenhöhe zu verlangen. "Den Abbau im Landkreis wird es geben, das ist die Realität. Bisher hatten wir davon nur Streit untereinander, weiter haben wir nichts bekommen", erklärte Jendricke, in anderen Regionen des Landes in denen man ebenfalls mit dem Bergbau zu kämpfen habe, habe man das anders gehandthabt.
Bei Verbänden wie dem BUND und einzelnen Anwesenden stieß der Vorschlag der Planungsgruppe auf deutlichen Widerstand. Zum einen dürfe es keine Ausweitung der Vorrangflächen geben, erklärte eine Vertreterin des Verbandes, man habe bereits fast "drei Kohnsteine" ausgewiesen, das sei ausreichend. Zudem sollte die Kategorie "Vorbehaltsfläche" ganz aus dem Regionalplan gestrichen werden, da ein Zeitraum von mindestens 25 Jahren weit über den bisherigen Planungshorizont von 15 Jahren hinausgehe.
In den Abbaugebieten Hohe Schleife und Ellrich gebe es zudem keine qualitativ hochwertigen Gipse, dennoch sehe der Plan vor hier Ausweitungen vorzunehmen. Zudem forderte man die Auffnahme eines "Ausstiegsszenarios" für die Zukunft. Der BUND verstehe sich nicht als Gegner der Gipsabbauenden Unternehmen, man wolle nicht von jetzt auf gleich alle Werke schließen und Arbeitsplätze vernichten, so die Sprecherin weiter, im Gegenteil, nur durch eine stärkere Konzentration auf Innovation im Gips-Recycling könnten Arbeitsplätze überhaupt langfristig gerettet werden.
Die ehemalige CDU-Staatssekretärin Inge Klaan forderte die Planer dazu auf alles zu tun um Neuverritzungen zu verhindern, man müsse sich etwas einfallen lassen und könne nicht einfach blind den Vorgaben des Landes folgen. Barbara Rinke, BUND-Mitglied und ehemalige Oberbürgermeisterin Nordhausens, pochte auf den Koalitionsvertrag, der vorsieht keine neue Gipsabbaugebiete zu genehmigen. Der aktuelle Entwurf müsse verbessert werden, man müsse sehen an welchen Stellen "man noch bohren" könne.
Die Gipsindustrie belüge die Menschen, erklärte ein weiterer Redner, man habe lange Entwicklungen verschlafen und verklappe noch heute REA-Gips in großen Mengen, als Vertreter der Bürger dürfe die Politik hier in keiner Weise nachgeben.
Karin Busch, Ortsteilbürgermeisterin aus Steigerthal, kritisierte die Veranstaltung als "befremdlich und bürgerfern", eine Einschätzung die mancher Besucher nach den formalen Erläuterungen und einer dem Anlass unangemessenen Präsentation der Planer wohl geteilt haben dürfte.
Am Ende kam man auch im jüngsten Schlagabtausch nicht viel weiter, doch die Lösung im Generationen überspannenden Streit konnte und sollte im Heringer Schloss auch nicht gefunden werden. Das weitere Verfahren sieht vor, dass Gemeinden, Verbände und andere Betroffene ihre Stellungnahmen zum ersten Entwurf nun bei der regionalen Planungsgemeinschaft in Sondershausen einbringen können. Daraufhin wird ein weiterer Entwurf erarbeitet. Allein das Ende dieses Weges könnte noch einmal zwei Jahre oder mehr entfernt liegen. Und wenn die Vergangenheit einen Maßstab liefert, dann dürfte das letzte Wort auch dann noch lange nicht gesprochen sein.
Angelo Glashagel
Autor: redIm nunmehr Jahrzehnte andauernden Streit um den Gipsabbau im Südharz wurde am Abend im Heringer Schloss mit der Vorstellung des ersten Entwurfes zum Regionalplan Nordthüringen die nächste Runde eingeläutet.
Die Materie ist kompliziert, die rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen Bund- und Landesebene, Bergrecht, Naturschutz und Flächennutzungsplänen mannigfaltig. Entsprechend verwanden die Vertrerter der regionalen Planungsgruppe Nordthüringen, also der vier Nordthüringer Kreise, viel Zeit und Aufwand eben jene Rahmenbedingungen erst einmal anzureißen und die Struktur der umfassenden Planungen darzulegen.
Grundlage ist der Landesentwicklungsplan, der 2014 noch von der damaligen Landesregierung auf den Weg gebracht wurde. Der Plan aus Erfurt steckt den Rahmen ab in dem sich die regionalen Überlegungen zur weiteren Entwicklung bewegen können. Wie die aussehen könnten, hat man nach nun bald vier Jahren im Entwurf vorgelegt.
Bei dem rund 70 Seiten starken Dokument handelt es um ein Stück bürokratischer Wertarbeit aus deutscher Feder, ehe man zu dem kam, was die Gäste im Schloss tatsächlich interessierte, gestaltete sich der Abend entsprechend trocken. Die Planer machten kaum anstalten den Fachjargon in Worte zu kleiden, die den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern ein klares Bild von der aktuellen Situation hätten vermitteln können. Auch die dazugehörige Power-Point Präsentation war kein Ruhmesblatt moderner Kommunikation, kleinteilige Texte und vielschichtige Kartenauszüge, die zwischen den Säulen des Ballsaales ohnehin nicht für jeden einzusehen waren, sorgten eher für Frust als für Klarheit. Ein Arbeitsbericht, der gut in jede Dienstberatung gepasst hätte, nicht aber in einen Informationsabend für die Bürgerschaft.
Vorrang und Vorbehalt
Ganz ohne Fachtermini kommt man in der Materie freilich nicht aus. So definiert der Plan zur Rohstoffsicherung nach den Vorgaben des Landes sogenannte Vorranggebiete und Vorbehaltsflächen für die kurz- und mittelfristige sowie die langfristige Rohstoffversorgung des Freistaates wie auch des Bundes. Letztere sollen mit einer Laufzeit von mindestens 25 Jahren mögliche Nutzungsflächen vor einer "Überplanung" schützen.Der aktuelle Entwurf des Regionalplans sieht insgesamt acht Vorranggebiete für den Abbaus von Gips vor:
- Stempeda / Alter Stolberg
- Nordhausen / Kohnstein
- Woffleben / Hageborn
- Appenrode / Rüsselsee
- Woffleben / Hohe Schleife
- Branderode / Röseberg
- Ellricher Klippen
- Ellricher Klippen-Süd
Kompromiss oder Konfrontation?
Für den Landkreis wäre das eine kleine Revolution. Bisher lautete das Mantra immer: "Keine Neuverritzung!". Das scheint nun zu bröckeln. Wenn man in der Vergangenheit den Weg der Klage vor Gericht gegangen war, sei man immer "auf die Nase gefallen", sagte Landrat Matthias Jendricke, man könne nicht mehr allein auf Restriktion setzen sondern müsse die Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, die man habe und den Abbau dort verdichten wo er bereits stattfindet um ein weiteres ausgreifen auf den weiteren Landkreis zu verhindern.
Der erste Entwurf zum neuen Regionalplan Nordthüringen wurde in Heringen vorgestellt (Foto: Angelo Glashagel)
Hintergrund sind Urteile des Oberverwaltungsgerichtes zu Regionalplänen in Ostthüringen. Hier hatte man sich nicht an Vorgaben aus Erfurt gehalten. Das Gericht erklärte Teile der Pläne als null und nichtig und hinterließ "weiße Flecken" auf den Karten der Planer. Mit dem Wegfall der regionalen Planung sei den Interessen der Unternehmen damit überhaupt erst der Weg geebnet worden, erläuterte Jendricke, dies gelte es am Südharz zu verhindern. Man erwarte im Gegenzug für die Zugeständnisse bei den bestehenden Vorranggebieten rechtsverbindliche Erklärungen der Unternehmen in Zukunft keine Abbaupläne im weiteren Landkreis zu verfolgen. Zudem regte der Landrat an, vom Land auch finanzielle Gegenleistungen in zweistelliger Millionenhöhe zu verlangen. "Den Abbau im Landkreis wird es geben, das ist die Realität. Bisher hatten wir davon nur Streit untereinander, weiter haben wir nichts bekommen", erklärte Jendricke, in anderen Regionen des Landes in denen man ebenfalls mit dem Bergbau zu kämpfen habe, habe man das anders gehandthabt.
Bei Verbänden wie dem BUND und einzelnen Anwesenden stieß der Vorschlag der Planungsgruppe auf deutlichen Widerstand. Zum einen dürfe es keine Ausweitung der Vorrangflächen geben, erklärte eine Vertreterin des Verbandes, man habe bereits fast "drei Kohnsteine" ausgewiesen, das sei ausreichend. Zudem sollte die Kategorie "Vorbehaltsfläche" ganz aus dem Regionalplan gestrichen werden, da ein Zeitraum von mindestens 25 Jahren weit über den bisherigen Planungshorizont von 15 Jahren hinausgehe.
In den Abbaugebieten Hohe Schleife und Ellrich gebe es zudem keine qualitativ hochwertigen Gipse, dennoch sehe der Plan vor hier Ausweitungen vorzunehmen. Zudem forderte man die Auffnahme eines "Ausstiegsszenarios" für die Zukunft. Der BUND verstehe sich nicht als Gegner der Gipsabbauenden Unternehmen, man wolle nicht von jetzt auf gleich alle Werke schließen und Arbeitsplätze vernichten, so die Sprecherin weiter, im Gegenteil, nur durch eine stärkere Konzentration auf Innovation im Gips-Recycling könnten Arbeitsplätze überhaupt langfristig gerettet werden.
Die ehemalige CDU-Staatssekretärin Inge Klaan forderte die Planer dazu auf alles zu tun um Neuverritzungen zu verhindern, man müsse sich etwas einfallen lassen und könne nicht einfach blind den Vorgaben des Landes folgen. Barbara Rinke, BUND-Mitglied und ehemalige Oberbürgermeisterin Nordhausens, pochte auf den Koalitionsvertrag, der vorsieht keine neue Gipsabbaugebiete zu genehmigen. Der aktuelle Entwurf müsse verbessert werden, man müsse sehen an welchen Stellen "man noch bohren" könne.
Die Gipsindustrie belüge die Menschen, erklärte ein weiterer Redner, man habe lange Entwicklungen verschlafen und verklappe noch heute REA-Gips in großen Mengen, als Vertreter der Bürger dürfe die Politik hier in keiner Weise nachgeben.
Karin Busch, Ortsteilbürgermeisterin aus Steigerthal, kritisierte die Veranstaltung als "befremdlich und bürgerfern", eine Einschätzung die mancher Besucher nach den formalen Erläuterungen und einer dem Anlass unangemessenen Präsentation der Planer wohl geteilt haben dürfte.
Am Ende kam man auch im jüngsten Schlagabtausch nicht viel weiter, doch die Lösung im Generationen überspannenden Streit konnte und sollte im Heringer Schloss auch nicht gefunden werden. Das weitere Verfahren sieht vor, dass Gemeinden, Verbände und andere Betroffene ihre Stellungnahmen zum ersten Entwurf nun bei der regionalen Planungsgemeinschaft in Sondershausen einbringen können. Daraufhin wird ein weiterer Entwurf erarbeitet. Allein das Ende dieses Weges könnte noch einmal zwei Jahre oder mehr entfernt liegen. Und wenn die Vergangenheit einen Maßstab liefert, dann dürfte das letzte Wort auch dann noch lange nicht gesprochen sein.
Angelo Glashagel
Kommentare
Bisher gibt es keine Kommentare.
Kommentare sind zu diesem Artikel nicht möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.