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Do, 15:00 Uhr
10.11.2016
Engagementpreis für Nordhäuser Lotsenprojekt

Auszeichnung für die Basis

Ob eine Gesellschaft, den ihr gestellten Herausforderungen erfolgreich begegnen kann, hängt nicht allein von denjenigen ab, die das Land lenken und leiten, sondern auch von denen, die ganz nah dran sind am Geschehen und eigene Ideen und Lösungen entwickeln. Für eben solches Engagement an der Basis wurde eine Nordhäuser Initiative jüngst mit dem Thüringer Engagementpreis 2016 ausgezeichnet...

Auszeichnung für Nordhäuser Lotsenprojekt (Foto: Schrankenlos e.V.) Auszeichnung für Nordhäuser Lotsenprojekt (Foto: Schrankenlos e.V.)

Am vergangenen Freitag erhielten die "Integrationslotsen" die Auszeichnung der Thüringer Ehrenamtsstiftung. Die Initiative einiger Studenten hatte ihre Heimat schon im Mai 2015 beim Verein Schrankenlos gefunden. Dass aus der kleinen Gruppe junger Leute bald eine Truppe mit zwischenzeitlich rund hundert ehrenamtlichen Mitgliedern aus allen Altersklassen und Sozialschichten entstehen würde, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen.

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Die Zeit wollte es so, die Situation im Spätsommer des vergangenen Jahres verlangte nach zivilgesellschaftlichem Engagement, nach Leuten, die mehr tun wollten als Kleider, Spielzeug und Alltagswaren zu spenden. Auf die Herausforderungen, die der Exodus aus den Krisen- und Kriegsgebieten des Nahen Ostens mit sich brachte, war niemand vorbereitet, Lücken gab es viele, vor allem da wo mit Sachspenden nicht zu helfen war. Die Integrationslotsen organisierten damals über das Bundesprogramm "Demokratie Leben" Kleinstprojekte, versuchten da anzupacken, wo es drückte.

"In der Zeit ist wirklich viel chaotisch gelaufen, da standen noch ganz andere Sachen als jetzt im Vordergrund", erinnert sich Vanessa Prack. Mit Kollegin Dagmar Hellwig betreut sie heute die Integrationslotsen vom Weltladen aus. Neben der Vermittlung der Spenden standen die Sprachkurse schon damals ganz oben auf der Agenda, daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die große Welle der Hilfsbereitschaft ist indes längst vorüber, die Notwendigkeiten sind heute andere. Spenden brauche man zur Zeit weit weniger aber Fahrräder wären immer wieder gerne gesehen, sagt Prack, sie helfen das Mobilitätsproblem der Flüchtlinge zu lösen. Motorisierter Verkehr, insbesondere ein deutscher Führerschein, ist teuer, Muskelkraft ist es nicht. Damit sie auch auf zwei Rädern sicher durch den Verkehr kommen, haben die Lotsen eine mobile Fahrradwerkstatt organisiert, bei der man einmal im Monat zusammen die Drahtesel in Schuss hält und sich nebenbei auch in Verkehrssicherheit übt. Es gibt einen Nähkurs und Sportangebote, auch bei schlechtem Wetter. Man hat einen kleinen Gemeinschaftsgarten und einen eritreisch-orthodoxen Gebetsraum eingerichtet und die Sprachkurse erweitert.

Vanessa Prack und Dagmar Hellwig koordinieren die Nordhäuser Integrationslotsen (Foto: Angelo Glashagel) Vanessa Prack und Dagmar Hellwig koordinieren die Nordhäuser Integrationslotsen (Foto: Angelo Glashagel) Der Kern der Lotsen-Idee folgt dabei dem Prinzip einer Patenschaft: jeder Lotse hat eine Person oder Familie, die er oder sie begleitet und in Alltagsdingen unterstützt. Die Lotsen begleiten "ihre" Geflüchteten bei Amtsterminen, greifen den Kindern bei den Hausaufgaben unter die Arme oder organisieren Freizeitangebote. Bei den ersten Treffen sind auch die Sozialarbeiter des Schrankenlos mit dabei. "Es müssen sich beide Seiten auf die jeweils andere einlassen", sagt Hellwig, schließlich muss es auch zwischenmenschlich passen. Durch den persönlichen Kontakt mit den Menschen vor Ort will man den Neuankömmlingen die Integration in die hiesige Gesellschaft erleichtern. "Wir haben aber auch einen Wandel bei unseren Ehrenamtlichen beobachten können", sagt Vanessa Prack, Anfangs hatten viele einfach nur helfen wollen, durch den Kontakt sei das Verständnis für die Flüchtlinge gewachsen und einige echte Freundschaften entstanden.

"Wir haben ein tolles Team von Ehrenamtlichen, die viel machen und viel helfen.", sagt Prack. Rund 70 Integrationslotsen sind im Moment in Nordhausen aktiv, Vanessa und Dagmar unterstützen ihre Leute indem sie vermitteln, Fort- und Weiterbildungen organisieren und neue Helfer gewinnen. Einmal im Monat kommen die Lotsen zusammen, sprechen untereinander. "Man muss offen sein und Probleme auch ansprechen können", sagt Dagmar Hellwig, es gelte das Schrankenlos-Prinzip: Weltoffen, solidarisch, dialogisch.

Mit der Nord-Süd-Brücke hat man inzwischen eine neue Finanzierungsquelle gefunden und aus den Kleinstangeboten sind feste Größen in der Flüchtlingshilfe geworden. Das Chaos der ersten Tage und Wochen ist dem Alltag gewichen, die eigentliche Aufgabe heißt heute nicht mehr den Zuzug verwalten, sondern erfolgreicher Integration den Boden bereiten.

Für diese Arbeit wurden die Lotsen jetzt mit dem ersten Preis der Ehrenamtsstiftung ausgezeichnet. Die Mitbewerber kamen aus dem gesamten Freistaat und ganz unterschiedlichen Bereichen, die meisten der abgegebenen Stimmen konnten am Ende die Nordhäuser auf sich vereinen. Mit der Ehrung ist auch ein Obulus in Höhe von 5000 Euro verbunden, was man mit dem Geld machen wolle, darüber spreche man gerade, sagte Prack.

Zu tun gibt es nach wie vor genug, auch wenn die Grenzen zur Zeit weit weniger Menschen passieren als im vergangenen Jahr. Dem Ehrenamt komme eine wichtige Rolle zu, man dürfe sich aber auf Seiten der Politik und der Verwaltungen nicht nur auf das Ehrenamt verlassen. "Es müssen weiterführende Strukturen geschaffen werden. Wir brauchen mehr qualitativ hochwertige Sprachkurse für alle Zuwanderer, unabhängig von ihrem Herkunftsland, mehr berufliche Integration", sagt Vanessa Prack. "und wir brauchen die Offenheit und Hilfsbereitschaft unserer Mitbürger". Neue "Lotsen" sind immer gerne willkommen. Wer Interesse hat kann sich via E-Mail an lotsen@schrankenlos.net melden oder Vanessa Prack unter 0174 209 87 04 anrufen.
Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
alexa
10.11.2016, 21.31 Uhr
Respekt!
In Nordhausen habe ich häufig das Gefühl, im Sumpf der "besorgten Bürger" festzustecken (siehe die zum Glück NICHTrepräsentative nnz-Umfrage 44% AFD-Wähler).

Die Initiative der Lotsen macht Hoffnung, dass es hier doch eine Menge Leute gibt, die statt zu nölen lieber anpacken und den Leuten helfen, die blöderweise im falschen Land, zur falschen Zeit auf die Welt gekommen sind. Nordhausen könnte durch diese Menschen gewinnen. Die Lotsen leisten wichtige Arbeit, dass das gelingt! ... Weiter so!

Stufe II wäre dann noch, die wütenden "besorgten Nordhäuser Bürger" zu re-integrieren. Die bilden gerade eine wachsende Parallelgesellschaft und man muss die Sorgen ernstnehmen (siehe Brexit, Trump ...Le Pen)
Ich stehe auch als Re-Integrations-Lotsin zur Verfügung ;-)
Günther Hetzer
11.11.2016, 09.04 Uhr
@alexa
Über die Aussagekraft von Umfragen lässt sich in der vergangenen Zeit ja durchaus streiten. Was ist repräsentativ und was nicht…? Jedenfalls sind mir solche Onlinebefragungen wesentlich lieber, wie Umfragen einiger Meinungsforschungsinstitute. Denn gerade in Medien (wie hier) mit einer Leserschaft die breitgefächert ist, lassen sich die Ergebnisse nicht durch die Wahl von Ort und Zeit der Befragung beeinflussen. Natürlich sind 44% ein Wert, der in der Realität wohl kaum zu erreichen ist.

Jedoch Bleiben unter Abzug jener, welche am Wahltag nicht an die Wahlurnen treten (die meisten wahrscheinlich aus Bequemlichkeit)jedoch hier den Haken bei der AfD gesetzt haben und jenen welche über verschiedene IP´s mehrfach gewählt haben, hier in der Region Ergebnisse um die 30% durchaus realistisch.

Folgenden Satz dürfen Sie mir, sofern Sie das möchten, einmal erklären:
„...und den Leuten helfen, die blöderweise im falschen Land, zur falschen Zeit auf die Welt gekommen sind...“
Ich finde diesen Satz dann doch zu einfach. Denn auch wenn der Satz auf die vorherrschenden Zustände in einigen Teilen der Welt hinweisen soll, stellt er für mich keine Begründung dar, weshalb er rechtfertigt das diese Menschen zum Teil ein dutzend sichere Länder durchqueren und somit sogar gegen geltendes Recht verstoßen. (Ich beschränke mich hier auf zwei Sätze, gern erkläre ich Ihnen aber weshalb diese Aussage sehr dünn und absoluter Schwachsinn ist)

Zudem verstehe ich auch nicht, inwiefern Nordhausen durch diese Menschen gewinnen soll? Da es sich um Asylsuchende handelt und Asyl ein temporäres Recht ist, muss man davon ausgehen, nein es sollte das Ziel sein, dass der Aufenthalt zeitlich begrenzt ist. Selbst wenn (und davon muss man ja wohl ausgehen) es sich nicht um Asyl im klassischen Sinne handelt und diese Menschen hier bleiben, sehe ich darin keinen Gewinn für Nordhausen. Jedoch haben Sie sicher ein dutzend nachvollziehbarer Argumente, oder?

Ich nehme Ihre Hilfe als Re-Integrations-Lotsin gern in Anspruch, bitte helfen Sie mir bei oben genannten Punkten.
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