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Mo, 14:25 Uhr
15.02.2016
Betrachtung

Woher mit dem Gips?

Der Rohstoffabbau im Landkreis Nordhausen ist nicht nur ein Dauerthema schlechthin, sondern auch ein ewiges Streitthema. Heute stellte die Gipsindustrie des Südharzes Zahlen vor, die diskutabel sind. Dazu eine Betrachtung...


Wer wie ich als Migrant aus Sachsen-Anhalt, einst vor knapp einem Vierteljahrhundert im Südharz aufgenommen wurde, der war schon erschrocken, als er das ersten Mal von Neustadt nach Niedersachswerfen fuhr und die dreckig-weiße Wand des Kohnsteins erblickte. Diese Versündigung an der Natur darf nicht wieder zugelassen werden, war meine erste Reaktion. Und sie ist es auch heute noch.

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Doch bei aller Emotionalität - ein solches Thema muss auf der sachlichen Ebene "behandelt" werden. Dazu gehört die Feststellung, dass alles, was irgendwie von Menschenhand verbaut, war geschaffen wird, eine Rohstoffquelle hat. Nun gibt es nachwachsende Rohstoffe und solche, die nur einmal vorhanden sind. Sie sind endlich.

Wie der Gips. Das wissen die drei gipsabbauenden Unternehmen in der Region. Das wissen die Natur- und Umweltschützer. Das wissen auch die Politiker, die sich immer rühmen, die Rahmenbedingungen, zumindest für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu schaffen.

Zum Wissen der Unternehmen: In der Kenntnis der Endlichkeit wurde vor etwa drei Jahrzehnten der REA-Gips, der bei der Entschwefelung in Braunkohlekraftwerken entsteht, "erfunden". Derzeit sind es sieben Millionen Tonnen, etwa die Hälfte des benötigten Rohstoffes in Deutschland. Da aber die Politiker die Abschaltung der Kohlekraftwerke beschlossen haben, werden diese sieben Millionen Tonnen auf nicht einmal 300.000 Tonnen im Jahr 2050 zurückgehen.

Nahezu alle Experten sind sich einig - der Recycling-Gips kann diese Lücke nicht schließen, es sei denn, es wird nicht mehr gebaut. Keine Häuser, keine Bibliotheken, keine Stadien, keine Geschäfte...

Woher also den Gips, der dato unersetzbar in der Bauindustrie scheint, nehmen. Die Antwort war heute Mittag eindeutig: Der Gipsabbau im Südharz muss intensiviert werden. Die Rohstoffsicherung der Werke steht an erster Stelle. Und: 50 Prozent der deutschlandweiten Rohstoffreserven befinden sich im Südharz.

Dabei geht es den Unternehmen im Landkreis Nordhausen, im Landkreis Osterode am Harz und im Landkreis Mansfeld-Südharz nicht um neue Lagerflächen, sondern um die Ausnutzung der Areale, die sie einst der Treuhand abgekauft haben und die nach dem Bergrecht Ost ihr Eigentum sind. Das wird ihnen Produktionssicherheit und den Beschäftigten Arbeit geben.

Zum Wissen der Natur- und Umweltschützer: Sie stellen sich gegen einen weiteren Abbau, Neuverritzung genannt. Ohne wenn und aber. Die Hardliner wollen nicht mehr diskutieren, es sei zuviel geredet worden. Der moderate Teil will sich zwar nicht an Bagger anketten, will vielleicht noch reden, doch mehr Abbau im Südharz kommt auch für sie nicht in Frage.

Zum Wissen der Politiker. Hier wird es schizophren - in der kommunalen wie in der Landespolitik. Da hatte sich im Wahlkampf 2014 plötzlich und überraschend der damals Noch-Nicht-Ministerpäsident Bodo Ramelow in gipsabbauenden Unternehmen eingeladen und seine Unterstützung beim Finden eines Kompromisses zugesagt. Auf jeden Fall wolle er den Erhalt der Arbeitsplätze unterstützen.

Nun, da er gewählt ist, hat er eine grüne Umweltministerin an seiner "Polit-Backe". Diese Frau hätte am liebsten vermutlich jeglichen Rohstoffabbau verboten. Doch Ramelow muss Frau Siegesmund gewähren lassen, sonst fliegt ihm der ganze Regierungsladen um die Ohren. Dieser rot-rot-grüne Super-GAU birgt für die grüne Randfraktion im Landtag genügend Erpressungspotential.

Im Kommunalen ist die Schizophrenie etwas schwerer zu erkennen. Sicher, bei Empfängen in Unternehmen, in persönlichen Gesprächen, beim Sekt und Häppchen, da freuen sich die Polit-Akteure aus Nordhausen, Ellrich oder Sangerhausen gern darüber, wie sich die Wirtschaft in die Region einbringt. Und wenn es um Sponsoring für große Veranstaltungen wie das Rolandsfest geht, dann ist die Hand nicht groß genug, die da aufgehalten wird. Von der Unterstützung der Sportvereine ganz zu schweigen.

Offiziell aber demonstrieren diese Frauen und Männer immer wieder gern bei Natur- und Umweltschützern mit, wenn es gegen neuen Rohstoffabbau geht. Da werden öffentliche Gelder für Vorkaufsrechte ausgegeben. Wohl wissend, dass die Verfahren letztinstanzlich verloren gehen werden.

Und auch das Argument, dass der Tourismus bei einem weiteren Rohstoffabbau Schaden nehme, ist an den Haaren herbeigezogen und durch Zahlen ganz einfach zu widerlegen. Man muss nicht im Berliner DIW arbeiten, sondern in den Seiten des Thüringer Landesamtes für Statistik "blättern". Waren es im Jahr 2001 rund 186.000 Übernachtungen, die im Landkreis Nordhausen gezählt wurden, so weist die Statistik für das Jahr 2013 noch 170.000 Übernachtungen aus. Mehr noch, die durchschnittliche Verweildauer sank von 2,8 auf 2,4 Tage.

Was ist also zu tun? Es muss ein Kompromiss gesucht werden. Zwischen wirtschaftlichen Interessen und denen der Natur. Wie kann der weitere Abbau gestaltet werden, ohne dass er für die Menschen der Region zur Unerträglichkeit heranwächst? Habe ich in der vergangenen Woche eine Betrachtung mit "Machen statt reden" überschrieben, so muss es in diesem Fall wohl heißen "Reden und dann machen".
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

Kommentare
progips
16.02.2016, 12.25 Uhr
"Reden und dann machen"
Ich muss Hr. Greiner recht geben!

Es wird Zeit das alle Parteien vernünftig miteinander reden und an einem Kompromiss arbeiten. Das derzeitige Gehetze gegen "die böse Industrie" von Seiten einzelner Personen, mit teilweise an den Haaren herbeigezogenen Argumenten, führt leider dazu, das irgendwann eine Menge Menschen arbeitslos werden.
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