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Di, 11:00 Uhr
29.09.2015
Nordhäuser Entwicklungskonzept steht

Arm aber sexy

Weltoffen, wirtschaftlich kraftvoll, Familienfreundlich mit Bildung, Kultur, Lebensqualität und regionalem Führungsanspruch - so soll Nordhausen im Jahr 2030 aussehen. Den Weg dahin soll das "ISEK" zeigen. Nach Eineinhalb Jahren wurden am Montagabend die Ergebnisse präsentiert. Viel neues ist nicht dabei, Notwendig war der Aufwand wohl aber doch...

Endlich fertig: das "Integrierte Stadtentwicklungskonzept" für das Jahr 2030 (Foto: Angelo Glashagel) Endlich fertig: das "Integrierte Stadtentwicklungskonzept" für das Jahr 2030 (Foto: Angelo Glashagel)
"ISEK" das steht für "Integriertes Stadtentwicklungskonzept", für viel Arbeit in Workshops, Zusammenkünften und Arbeitsgruppen und für viele Worte, die ihre Sinnhaftigkeit erst noch unter Beweis stellen müssen.

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Im April 2014 hatte man damit begonnen, das alte Entwicklungskonzept aus dem Jahr 2008 auf den Prüfstand zu stellen. Die Vision damals ging bis in das Jahr 2020, sechs Jahre später wollte man sehen wie weit man gekommen ist und wie Nordhausen eigentlich 2030 aussehen soll.

Und das sollten bitte schön nicht Behörden, Amtsträger und Parteibuchinhaber entscheiden, sondern möglichst viele Interessengruppen der Stadt. Insgesamt 55 Bürger wurden direkt eingeladen, der Rest kam auf eigenes Bestreben zur Auftaktveranstaltung in die Wiedigsburg. Politiker, Banker, Senioren, Hoch- und Breitenkultur, Naturliebhaber, Wirtschaftsbosse, Rad- und Autofahrer, Sportler und Architekten - alle saßen sie an einem Tisch und tauschten sich darüber aus, was gut ist an Nordhausen, wo seine Stärken liegen, wie man es in Zukunft gern hätte und auch wo eklatante Schwächen zu finden sind.

Am Ende steht dieser Satz: Nordhausen am Harz ist eine weltoffene Bürgerstadt mit führender Rolle im "Dreiländereck Harz". Unsere Stärke beruht auf wirtschaftlicher Kraft, Lebensqualität, Familienfreundlichkeit, ganzheitlicher Bildung und kultureller Vielfalt."

Das ist Nordhausens Leitbild für das Jahr 2030. Zusammen mit der Fortschreibung des ISEK durch das Büro "GRAS" aus Dresden unter Mitwirkung der Stadtverwaltung ergeben sich daraus eine ganze Reihe an Leitlinien und Ansprüche, an denen sich zukünftige Entscheidungen messen lassen müssen, zumindest in der Theorie. Es sei "ein anspruchsvoller Strauch voll schöner Blumen um den man sich kümmern muss", sagte Hermman Sträb vom Entwicklungsbüro GRAS.

War es das dann nach eineinhalb Jahren? Nein, zum Glück nicht. Hinter dem geschliffenen, kleinen Satz steckt mehr Arbeit und mehr Gedanke, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Die Ausführungen der Stadtplaner zur Präsentation waren allerdings eher allgemeiner Natur, und teils so schwammig, das man schon Teil des ISEK-Prozesses gewesen sein muss, um deren Sinngehalt ahnen zu können.

Das Interesse war verhalten (Foto: Angelo Glashagel) Das Interesse war verhalten (Foto: Angelo Glashagel) Wie sehen die Herausforderungen der Zukunft aus? - Demographischer Wandel, Fachkräftesicherung, Klimaschutz, Haushaltskonsolidierung und "Aktivierung des bürgerschaftlichen Engagements". Banale Erkenntnisse. Wie will man dem Begegnen? Mit sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit. Geht es etwas genauer? In den fünf Handlungsfeldern, die sich aus dem Leitbild ergeben. Noch genauer? Mit Projekten zur:
  • Verbesserung der Umsetzungsbedingungen beitragen
  • Sicherung der Zukunftsfähigkeit für die Stadtentwicklung
  • als Impulsgeber für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung
Ah, ja. Was sonst.

Fairerweise muss man sagen das der Rahmen der Veranstaltung eine tiefergehende Vorstellung des Konzeptes kaum erlaubt hat, auch ohne ins Detail zu gehen war man gut zwei Stunden beschäftigt. Und ein paar Vorschläge wie das alles klappen könnte mit den hehren Zielen für das Jahr 2030, hatte man ja auch parat.

Nur sind die wenigsten davon tatsächlich "neu". Bürgerstiftung Hohenrode, Nelecom, AG Kreative Altstadt? Gibt es schon eine Weile. Die Wirtschaftszonen weiter ausbauen, die Ansieldung neuer Industriebetriebe fördern, Brachen schließen, bessere Vernetzung von Schulen und Ausbildern, der Ausbau der Radwege in den Ortsteilen. Belebung und weitere Sanierung der Altstadt? Allgemeinplätze die alle Jahre wieder in so ziemlich jeden Wahlprogramm auftauchen. Aber es gibt auch ein paar "frischere" Ideen, wie den Ausbau der Zorgeauen und der Kiesgewässer als Naherholungsgebiete und touristische Highlights.

Mehr als man auf den ersten Blick vermuten würde - übergeordnete Porjektideen zum Nordhäuser ISEK (Foto: Angelo Glashagel) Mehr als man auf den ersten Blick vermuten würde - übergeordnete Porjektideen zum Nordhäuser ISEK (Foto: Angelo Glashagel)
Den Kern des Problems hatte Hermann Sträb schon ganz zu Anfang benannt: die Haushaltskonsolidierung. Nach den Überlegungen des ISEK wird Nordhausen noch bis 2025 damit beschäftigt sein, finanzielle Spielräume zurückzugewinnen. Vorher liegen die Möglichkeiten der Umsetzung von monetärer Seite bei nahezu Null, das gab auch Sträb unumwunden zu. Nordhausen will also momentan ein bisschen wie Berlin sein: Arm aber sexy. Zumindest in naher Zukunft.

Vieles ließe sich mit wenig bis gar keinem Geld realisieren - etwa eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung. Darum geht es unter anderem in dem euphemistisch umschriebenen Punkt "Aktivierung des bürgerschaftlichen Engagements". Für andere Maßnahmen wie eine Sanierung der Stadtmauer oder eine Wiedereröffnung des Mühlgrabens braucht man jede Menge Geld. Also nur "nice to have" - schön wenn mans hat, wie die Angelsachsen sagen würden.

Die Pläne sind weitreichend und letztlich nur ein Ziel, das man anstreben kann, aber wohl kaum erreichen wird. In gut 15 Jahren werden noch einige Unwägsamkeiten auf die Stadt warten, die kein Plan vorhersehen kann. Man denke an das Dauerthema dieser Tage.

Hat sich das alles also nicht gelohnt? Rausgeschmissenes Geld, ein bisschen Bürgerbeteiligung als Balsam für Volkes Seele? Nein, ein paar Gründe, die den Aufwand rechtfertigen gibt es schon. Wenn kein eigenes Geld da ist, muss man sehen wo man es herbekommen kann und da schlägt die Stunde der Förderprogramme, Modellprojekte, Ausschreibungen und Initiativen. Wer als Kommune an die gut gefüllten Fördertöpfe rankommen will, der braucht ein ISEK samt Leitbild. Ohne Konzept(e) keine Förderung, ohne Förderung keine Investitionen. Punkt.

Der zweite Aspekt ist der der Bürgerbeteiligung. Ja, es ist auf den ersten Blick nur ein magerer Satz stehen geblieben, aber eine Menge dessen was zu später Stunde in Arbeitsgruppen diskutiert wurde, soll sich in dem fertigen und sehr viel detailreicherem Konzept wiederfinden, versichern die Stadtplaner von GRAS. Und darauf werden sich die Entscheidungsträger, wie immer sie auch in den kommenden 15 Jahren heißen mögen, berufen können, wenn es einmal an die Umsetzung geht. "Die Bürger" haben mitgemacht.

Es gäbe im 21. Jahrhundert sicher noch andere Möglichkeiten, die Bürger hier einzubeziehen. Stichwort: Internet. Nur muss "der Bürger", sprich die Masse, solche Angebote dann auch nutzen und ein grundlegendes Interesse an der Materie haben. Die Nutzung der Online-Anfragen an den Stadtrat ist da kein erhebendes Beispiel.

Niemand kann wissen, wie die Entwicklung der kommenden 15 Jahre aussehen wird. Aber immerhin hat man mal darüber gesprochen, wie sie aussehen könnte. Was aus dem ISEK wird, liegt jetzt in der Hand von Stadtrat und Verwaltung, die müssen die Vorgaben umsetzen.

Die nächste Zukunftsinitiative steht auch schon in den Startlöchern: Nordhausen gehört zu den 52 ausgewählten Städte, Gemeinden und Landkreisen, die im Wettbewerb „Zukunftsstadt“ gemeinsam mit Bürgern, Wissenschaft, lokaler Politik, Wirtschaft und Verwaltung eine ganzheitliche und nachhaltige Vision 2030+ für ihre Kommune entwickeln sollen. Ziel für die Rolandsstadt ist es, energetischer Vorreiter in Thüringen zu werden. Bürgerbeteiligung ausdrücklich erwünscht. Und ein bisschen Geld für die klamme Stadtkasse winkt dann vielleicht auch. Es könnte also, trotz knapper Kassen, noch einiges passieren in den nächsten Jahren.
Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
Kruemelmonster
29.09.2015, 15.19 Uhr
die Frage ist doch,
was hat Nordhausen was andere vergleichbare Städte dieser Größe oder in der Region nicht haben? Wo genau macht den Charme oder Reiz dieser Stadt aus? Hier sollten die Planer, Beteiligten und Mitarbeiter am Konzept schauen, wie sich Alleinstellungsmerkmale entwickeln lassen. Die Gründung der FH zu damaliger Zeit war da sicherlich schon mal ein guter Anfang...
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