Di, 08:49 Uhr
08.09.2015
Nachgehakt
Die unendliche Geschichte
Runde Jubiläen eignen sich bestens für Rückblicke. So jährte sich 2015 der Skandal um den Baulöwen Jürgen Schneider zum 20. mal. Ein nnz-Leser musste dabei an einen Nordhäuser Problemfall denken, der fast genauso alt ist: die ewige Baugrube am Hagen. Sollte es da eine Verbindung geben? Die nnz hat nachgehakt...
Die unendliche Geschichte am Hagen (Foto: nnz)
Am 18. Mai 1995 endet die Flucht eines ehemaligen Stars der deutschen Baubranche. Unter den Palmen Miamis klicken die Handschellen, der Baulöwe Jürgen Schneider wird nebst Gattin bei laufender Kamera abgeführt. Lang, lang ist's her. So lang, das sich der eine oder andere Artikel und TV Beitrag dem alten Skandal noch einmal widmet.
Das System Schneider beruhte auf ständiger Kreditaufnahme. Mit dem Geld der Banken kaufte der Baulöwe "Sahnestücke" unter den deutschen Großstadtimmobilien um sie zu sanieren und weiter zu verkaufen oder zu vermieten. Immer neue Objekte kamen hinzu, der erhoffte Gewinn allerdings blieb aus. Von einem "Imperium der Hoffnung", sollte später ein Verteidiger Schneiders sprechen. Ein Imperium, das möglich war weil man bei den Banken nicht so genau hinschaute oder vielmehr nicht hinschauen wollte.
Anfang 1994 bricht das System schließlich zusammen, Schneider taucht mit seiner Ehefrau im Ausland unter. Der Prozess wird ihm 1997 gemacht, das Urteil fällt auch wegen der offensichtlichen Fahrlässigkeit der Banken mit einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten vergleichsweise milde aus.
Einst als Großprojekt geplant, heute nur ein Parkplatz - die Baugrube am Hagen (Foto: Angelo Glashagel) Szenenwechsel: Nordhausen Mitte der 90er Jahre. In der Rolandsstadt wird kräftig gebaut, auch wenn die "Sahnestücke" hier nicht unbedingt zu finden sind. In den Boom wird auch eine Projektgesellschaft verwickelt, die sich für den Bereich Wallrothstraße / Vor dem Hagentor interessiert und mit einer groß angelegten Bebauung beginnt. Ein Supermarkt samt Wohn- und Geschäftshaus soll am Hagentor entstehen. Nach der Hälfte aber ist Schluss: die Gesellschaft geht Pleite, ist heutzutage nicht einmal mehr im Handelsregister verzeichnet. Geblieben ist ein Loch, das auch nach 20 Jahren noch als mehr oder minder wilder Parkplatz genutzt wird.
Im Zuge der Rückblicke auf die Schneider Jahre kam die "ewige Grube" nun auch einem nnz-Leser wieder einmal in den Sinn. War da nicht was? War es nicht Schneider, der da gebaut hat? Wenn dem so wäre, dann hätte die Stadt, wie andere Kommunen auch, Entschädigungen erhalten müssen um die Bebauung vollenden zu können. Die nnz hat nachgefragt und die Verwaltung in ihrem langen Gedächtnis gewühlt.
Eine Verbindung mit dem ehemaligen Baulöwen Schneider "ist uns nicht bekannt", hieß es aus dem Fachbereich für Stadtsanierung und Gelder stünden der Stadt in dieser Angelegenheit nicht zu. Für die Pleite gegangene Firma aus Paderborn wird 2008 ein "Nachtragsliquidator" eingesetzt und die Stadt erwirbt das Grundstück aus der Sanierungsmasse rund ein Jahr später. "Wider erwarten" würde es Interessenten für das Grundstück geben, heißt es damals aus dem Rathaus. Sollte sich doch kein Käufer finden, würde die Fläche "temporär" als Parkplatz genutzt. Lange Zeit geschieht nichts, tatsächlich auf den Markt geworfen wird das Areal 2011, von Interessenten spricht man aber erst im Jahr 2013 wieder. Die Stadt sieht eine mehrgeschossige Bebauung des Grundstückes samt Erschließung des Grundstücks sowie die Anbindung der Tiefgaragen vor, die Investoren lehnen dankend ab.
Zuletzt stellte die Stadt die Flächen den Projektentwicklern und Baufirmen zur Verfügung, die mit dem Bau der Marktpassage eine andere Brachfläche beseitigten. Aktuell bereite man einen neuen Anlauf vor, die Fläche endlich zu verkaufen. Derzeit würde ein Verkehrswertgutachten durch den Gutachterausschuss erarbeitet, hieß es aus dem Rathaus.
Alles beim alten also, auch nach gut zwanzig Jahren. Die Grube wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben. Vielleicht ist es an der Zeit, über andere Nutzungsmöglichkeiten nachzudenken. Lässt man der Natur ein wenig Raum, dürfte diese sich das Areal schnell zurückerobern, der Vormarsch der Pflanzen ist schon jetzt recht deutlich. Ein Biotop im Herzen der Stadt wäre immerhin alle mal schöner als die graubraune Grube. Oder man wartet noch einmal zwanzig Jahre. Dann kann man die Wunde im Stadtbild vielleicht sogar unter Denkmalschutz stellen, als eine Sehenswürdigkeit, ein Symbol für das auf und ab der wilden 90er.
Angelo Glashagel
Autor: redDie unendliche Geschichte am Hagen (Foto: nnz)
Am 18. Mai 1995 endet die Flucht eines ehemaligen Stars der deutschen Baubranche. Unter den Palmen Miamis klicken die Handschellen, der Baulöwe Jürgen Schneider wird nebst Gattin bei laufender Kamera abgeführt. Lang, lang ist's her. So lang, das sich der eine oder andere Artikel und TV Beitrag dem alten Skandal noch einmal widmet.
Das System Schneider beruhte auf ständiger Kreditaufnahme. Mit dem Geld der Banken kaufte der Baulöwe "Sahnestücke" unter den deutschen Großstadtimmobilien um sie zu sanieren und weiter zu verkaufen oder zu vermieten. Immer neue Objekte kamen hinzu, der erhoffte Gewinn allerdings blieb aus. Von einem "Imperium der Hoffnung", sollte später ein Verteidiger Schneiders sprechen. Ein Imperium, das möglich war weil man bei den Banken nicht so genau hinschaute oder vielmehr nicht hinschauen wollte.
Anfang 1994 bricht das System schließlich zusammen, Schneider taucht mit seiner Ehefrau im Ausland unter. Der Prozess wird ihm 1997 gemacht, das Urteil fällt auch wegen der offensichtlichen Fahrlässigkeit der Banken mit einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten vergleichsweise milde aus.
Einst als Großprojekt geplant, heute nur ein Parkplatz - die Baugrube am Hagen (Foto: Angelo Glashagel) Szenenwechsel: Nordhausen Mitte der 90er Jahre. In der Rolandsstadt wird kräftig gebaut, auch wenn die "Sahnestücke" hier nicht unbedingt zu finden sind. In den Boom wird auch eine Projektgesellschaft verwickelt, die sich für den Bereich Wallrothstraße / Vor dem Hagentor interessiert und mit einer groß angelegten Bebauung beginnt. Ein Supermarkt samt Wohn- und Geschäftshaus soll am Hagentor entstehen. Nach der Hälfte aber ist Schluss: die Gesellschaft geht Pleite, ist heutzutage nicht einmal mehr im Handelsregister verzeichnet. Geblieben ist ein Loch, das auch nach 20 Jahren noch als mehr oder minder wilder Parkplatz genutzt wird.
Im Zuge der Rückblicke auf die Schneider Jahre kam die "ewige Grube" nun auch einem nnz-Leser wieder einmal in den Sinn. War da nicht was? War es nicht Schneider, der da gebaut hat? Wenn dem so wäre, dann hätte die Stadt, wie andere Kommunen auch, Entschädigungen erhalten müssen um die Bebauung vollenden zu können. Die nnz hat nachgefragt und die Verwaltung in ihrem langen Gedächtnis gewühlt.
Eine Verbindung mit dem ehemaligen Baulöwen Schneider "ist uns nicht bekannt", hieß es aus dem Fachbereich für Stadtsanierung und Gelder stünden der Stadt in dieser Angelegenheit nicht zu. Für die Pleite gegangene Firma aus Paderborn wird 2008 ein "Nachtragsliquidator" eingesetzt und die Stadt erwirbt das Grundstück aus der Sanierungsmasse rund ein Jahr später. "Wider erwarten" würde es Interessenten für das Grundstück geben, heißt es damals aus dem Rathaus. Sollte sich doch kein Käufer finden, würde die Fläche "temporär" als Parkplatz genutzt. Lange Zeit geschieht nichts, tatsächlich auf den Markt geworfen wird das Areal 2011, von Interessenten spricht man aber erst im Jahr 2013 wieder. Die Stadt sieht eine mehrgeschossige Bebauung des Grundstückes samt Erschließung des Grundstücks sowie die Anbindung der Tiefgaragen vor, die Investoren lehnen dankend ab.
Zuletzt stellte die Stadt die Flächen den Projektentwicklern und Baufirmen zur Verfügung, die mit dem Bau der Marktpassage eine andere Brachfläche beseitigten. Aktuell bereite man einen neuen Anlauf vor, die Fläche endlich zu verkaufen. Derzeit würde ein Verkehrswertgutachten durch den Gutachterausschuss erarbeitet, hieß es aus dem Rathaus.
Alles beim alten also, auch nach gut zwanzig Jahren. Die Grube wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben. Vielleicht ist es an der Zeit, über andere Nutzungsmöglichkeiten nachzudenken. Lässt man der Natur ein wenig Raum, dürfte diese sich das Areal schnell zurückerobern, der Vormarsch der Pflanzen ist schon jetzt recht deutlich. Ein Biotop im Herzen der Stadt wäre immerhin alle mal schöner als die graubraune Grube. Oder man wartet noch einmal zwanzig Jahre. Dann kann man die Wunde im Stadtbild vielleicht sogar unter Denkmalschutz stellen, als eine Sehenswürdigkeit, ein Symbol für das auf und ab der wilden 90er.
Angelo Glashagel
Kommentare
Wolfi65
08.09.2015, 10.42 Uhr
Absolutes Unverständnis für den Eigentümer
Wenn man doch jetzt endgültig zu dem Schluss gekommen ist, das auch in absehbarer Zeit es nicht zu einem "Lückenschluss" kommen wird, muss man doch den Eigentümer des Bebauten Nachbargrundstückes fragen, wieso er seine Tiefgaragen nicht gegen Unbefugtes Betreten und Befahren, nur durch einen Bauzaun sichert.
Es sieht seit Jahren aus, als würde man in die Tiefgaragen hineinschauen, wie in eine Puppenstube.
Oder hat das Geld am Ende nicht gereicht und Schneider wollte durch den Anbau eine Trennmauer überflüssig machen?
Im Winter kann sich die kalte und feuchte Luft schön in die Tiefgarage ziehen.
Da hat der Mieter eines dortigen Stellplatzes wohl schlechte Karten, den der Marder und anderes Getier wird sich von den Bauzaun nicht abhalten lassen.
Am Ende werden sich potenzielle Einbrecher und Tagediebe über den leichten Einstieg in dieses Haus freuen.
Es sieht seit Jahren aus, als würde man in die Tiefgaragen hineinschauen, wie in eine Puppenstube.
Oder hat das Geld am Ende nicht gereicht und Schneider wollte durch den Anbau eine Trennmauer überflüssig machen?
Im Winter kann sich die kalte und feuchte Luft schön in die Tiefgarage ziehen.
Da hat der Mieter eines dortigen Stellplatzes wohl schlechte Karten, den der Marder und anderes Getier wird sich von den Bauzaun nicht abhalten lassen.
Am Ende werden sich potenzielle Einbrecher und Tagediebe über den leichten Einstieg in dieses Haus freuen.
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Altstadtbewohner
08.09.2015, 11.37 Uhr
Danke NNZ
Zeigt noch jedem das man da ohne Probleme Zutritt hat. Der Autodiebstahl in Nordhausen scheint wohl noch zu gering.
Erst denken dann handeln/schreiben.
Erst denken dann handeln/schreiben.
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Bleistift und Lineal
08.09.2015, 11.46 Uhr
@altstadtbewohner
...als wenn das ein geheimnis wäre... ;o)
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