Fr, 18:19 Uhr
29.05.2015
Streifzug durch die Reichsstadt
Aller guten Dinge sind drei: das Stadtarchiv konnte heute gleich mit mehreren Nachrichten aufwarten. So wird es eine satte Sonderausgabe der "Nordhäuser Nachrichten" geben, in Sachen Digitalisierung wurde ein weitere Schritt getan und auch zur Zukunft des Archivs gibt es "handfeste" Informationen...
Zum heutigen Pressetermin konnte das Nordhäuser Stadtarchiv gleich mit drei guten Nachrichten aufwarten. Die erste betraf die neue Ausgabe der "Nordhäuser Nachrichten".
Die Stiftung will zu diesem Zweck einmal im Jahr Fachkonferenzen im nahen Mühlhausen abhalten, neben Nordhausen die zweite ehemalige Reichsstadt auf Thüringer Boden. Die Nordhäuser Geschichtsfreunde wollen über die Sonderausgabe die Aktivitäten der Stiftung "mit unseren begrenzten Mitteln flankieren", sagte Stadtarchivar Dr. Wolfram Theilemann.
Im Fokus steht ein Jubiläum, dessen sich kaum ein Nordhäuser bewusst sein dürfte: vor 200 Jahren erlangte die Stadt die volle Reichsfreiheit. Zwar war Nordhausen schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts reichsfrei geworden, das heißt sie unterstand nur dem Kaiser und keinen anderen weltlichen oder kirchlichen Fürsten wie die meisten anderen Städte im Thüringer Raum, zur "vollen" Reichsfreiheit aber fehlten ihr zwei wichtige Ämter: das des Schultheißen und das der Vogtei.
Beide Ämter wurden von Kaisern und Königen über die Jahrhunderte immer wieder gewinnbringend an andere "Mächtige" verpachtet, die so in die Stadt hineinregieren konnten. Erst 1715 gelang es Nordhausen beide Ämter für ein hübsches Sümmchen zu erstehen. Auch wenn die Blütezeit der Reichsstädte da schon vorbei war blieb der Schritt nicht ohne Folgen, erklärten Stadtarchivar Theilemann und Historiker Paul Lauerwald. Denn erst jetzt besaß die Stadt die Freiheit weitgehende Reformen umzusetzen, wie das etwa unter Bürgermeister Riemann geschah.
Im Sonderheft ist natürlich noch mehr zu finden. Etwa ein Beitrag zu einer mittelalterlichen Hinrichtung in der Grafschaft Hohenstein, eine Quellenbetrachtung zur Eröffnung der Nordhäuser Synagoge im Jahr 1845 und Alltagsgeschichte aus der Zeit der preußischen Besatzung. Herr Lauerwald hat außerdem einen ausführlichen Artikel zum Münzwesen der Stadt beigesteuert. Der Numismatiker betrachtet dabei die Vor- und die Nachteile, welche die Münzprägung für die Stadt mit sich brachte, wie "die Nordhäuser schlau wurden" und in der Folge das Münzwesen bald ganz ignorierten.
Zumindest für die anfängliche Recherche kann man sich den Weg nun sparen. Dank der Hilfe von Annette Birkenholz und anderer Ehrenamtler konnte der Urkundenbestand jetzt vollständig auf digitale Findmittel übertragen werden. Die 30jährige Studentin des Archivwesens von der Fachhochschule Potsdam hat die bisherigen Hilfsmittel, Findbücher aus den 1930er Jahren und Karteikarten aus den 1970er Jahren, in eine Datenbank übertragen, sodass man vom heimischen Rechner aus den Fundus des Stadtarchivs durchforsten kann.
Wer etwa wissen will wann die "Neustadt", das ist das Gebiet um den Lohmarkt bis zum Neuen Weg, zu Nordhausen kam, der kann unter www.archive-in-thueringen.de das Nordhäuser Archiv dazu durchsuchen. Zu finden sind dort allerdings nicht die vollen Dokumente, sondern nur kurze Zusammenfassungen des Inhalts, sogenannte Regesten. Dafür ist der Umfang recht groß. Im Gegensatz zum Aktenmaterial war der Urkundenbestand des Archivs von den Zerstörungen des Jahres 1945 weniger betroffen. Insgesamt wurden 2643 Urkunden erfasst. Die älteste stammt aus dem Jahr 1158, die jüngste aus den 1850er Jahren. Ob alle erfassten Urkunden auch physisch noch vorhanden sind wird derzeit erarbeitet.
Im kommenden Frühjahr soll etwa ein Zehntel des Bestandes dann auch in Bildform über die Seite www.monasterium.net digital erscheinen.
Das sei "ein großer Schritt nach vorne", sagte Theilemann, da man jetzt eine unabhängige Einschätzung habe, mit der auch der Stadtrat weiterarbeiten könne. Restaurator Christian Lindhorst hat sowohl das Stadt- wie auch das Kreisarchiv, das Finanz- und Vermögensarchiv, das Bauarchiv und das Museumsdepot in Augenschein genommen. Demnach bestehen sowohl bauliche wie auch personelle Risiken. Hinzu kommen Wasser- und Brandschutzprobleme. Für das Stadtarchiv selber bestehe keine akute Gefahr.
Objekte wie das ehemalige Waisenhaus, in dem das Museumsdepot untergebracht ist, oder die Unterbringung des Bauarchives in den tiefsten Kellern des Neuen Rathauses, seien auf lange Sicht aber nicht tragbar, resümierte Theilemann das Gutachten.
Mit dem Gutachten könnten die Pläne zu einer Zusammenlegung der Archive neuen Schwung erhalten. Das sei logistisch wie ökonmisch sinnvoll, so Theilemann. Zuletzt war eine Unterbringung in der Breitscheidstraße im Gespräch. Ein zweites Gutachten müsste im nächsten Schritt die Eignung entsprechender Vorschläge prüfen.
Angesichts der Haushaltslage ist aber fraglich, wann die Arbeit an dem Thema wieder aufgenommen werden kann.
Gegenüber den heißen Tagesthemen wie Sport und Kultur hat das Archivwesen allerdings einen entscheidenden Vorteil: die Aufbewahrung von Dokumenten ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe. Die Stadt muss dem Bürger gegenüber Nachweise über ihr Tun erbringen können.
Angelo Glashagel
Autor: redZum heutigen Pressetermin konnte das Nordhäuser Stadtarchiv gleich mit drei guten Nachrichten aufwarten. Die erste betraf die neue Ausgabe der "Nordhäuser Nachrichten".
Nordhausen und die Reichsfreiheit
Das Sonderheft fällt mit 40 Seiten ordentlich dick aus. Möglich gemacht wurde das Doppelheft, das fünf Euro kosten soll, durch die Unterstützung der Lesser-Stiftung. Deren Vorsitzender, Andreas Lesser, seines Zeichens Nachfahre des Nordhäuser Historikers Friedrich-Christian Lesser und Ehrenbürger der Stadt, hatte anlässlich des 20jährigen bestehens des Tabakspeichers angemahnt, das man dass Reichsstädtische Erbe wieder mehr in den Mittelpunkt rücken müsse.Die Stiftung will zu diesem Zweck einmal im Jahr Fachkonferenzen im nahen Mühlhausen abhalten, neben Nordhausen die zweite ehemalige Reichsstadt auf Thüringer Boden. Die Nordhäuser Geschichtsfreunde wollen über die Sonderausgabe die Aktivitäten der Stiftung "mit unseren begrenzten Mitteln flankieren", sagte Stadtarchivar Dr. Wolfram Theilemann.
Im Fokus steht ein Jubiläum, dessen sich kaum ein Nordhäuser bewusst sein dürfte: vor 200 Jahren erlangte die Stadt die volle Reichsfreiheit. Zwar war Nordhausen schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts reichsfrei geworden, das heißt sie unterstand nur dem Kaiser und keinen anderen weltlichen oder kirchlichen Fürsten wie die meisten anderen Städte im Thüringer Raum, zur "vollen" Reichsfreiheit aber fehlten ihr zwei wichtige Ämter: das des Schultheißen und das der Vogtei.
Das Stadtarchiv konnte unter anderem die neue Sonderausgabe der Nordhäuser Nachrichten vorstellen (Foto: Angelo Glashagel)
Beide Ämter wurden von Kaisern und Königen über die Jahrhunderte immer wieder gewinnbringend an andere "Mächtige" verpachtet, die so in die Stadt hineinregieren konnten. Erst 1715 gelang es Nordhausen beide Ämter für ein hübsches Sümmchen zu erstehen. Auch wenn die Blütezeit der Reichsstädte da schon vorbei war blieb der Schritt nicht ohne Folgen, erklärten Stadtarchivar Theilemann und Historiker Paul Lauerwald. Denn erst jetzt besaß die Stadt die Freiheit weitgehende Reformen umzusetzen, wie das etwa unter Bürgermeister Riemann geschah.
Im Sonderheft ist natürlich noch mehr zu finden. Etwa ein Beitrag zu einer mittelalterlichen Hinrichtung in der Grafschaft Hohenstein, eine Quellenbetrachtung zur Eröffnung der Nordhäuser Synagoge im Jahr 1845 und Alltagsgeschichte aus der Zeit der preußischen Besatzung. Herr Lauerwald hat außerdem einen ausführlichen Artikel zum Münzwesen der Stadt beigesteuert. Der Numismatiker betrachtet dabei die Vor- und die Nachteile, welche die Münzprägung für die Stadt mit sich brachte, wie "die Nordhäuser schlau wurden" und in der Folge das Münzwesen bald ganz ignorierten.
Digital ist besser
Gute Nachrichten gab es auch für Lokalhistoriker und solche die es vielleicht einmal werden wollen. Wer zur Geschichte der Stadt oder der umliegenden Gemeinden recherchieren wollte, der musste bisher immer im Stadtarchiv vorstellig werden und durfte dann dort die "Findmittel", sprich Karteikarten, nach relevanten Informationen durchstöbern.Zumindest für die anfängliche Recherche kann man sich den Weg nun sparen. Dank der Hilfe von Annette Birkenholz und anderer Ehrenamtler konnte der Urkundenbestand jetzt vollständig auf digitale Findmittel übertragen werden. Die 30jährige Studentin des Archivwesens von der Fachhochschule Potsdam hat die bisherigen Hilfsmittel, Findbücher aus den 1930er Jahren und Karteikarten aus den 1970er Jahren, in eine Datenbank übertragen, sodass man vom heimischen Rechner aus den Fundus des Stadtarchivs durchforsten kann.
Wer etwa wissen will wann die "Neustadt", das ist das Gebiet um den Lohmarkt bis zum Neuen Weg, zu Nordhausen kam, der kann unter www.archive-in-thueringen.de das Nordhäuser Archiv dazu durchsuchen. Zu finden sind dort allerdings nicht die vollen Dokumente, sondern nur kurze Zusammenfassungen des Inhalts, sogenannte Regesten. Dafür ist der Umfang recht groß. Im Gegensatz zum Aktenmaterial war der Urkundenbestand des Archivs von den Zerstörungen des Jahres 1945 weniger betroffen. Insgesamt wurden 2643 Urkunden erfasst. Die älteste stammt aus dem Jahr 1158, die jüngste aus den 1850er Jahren. Ob alle erfassten Urkunden auch physisch noch vorhanden sind wird derzeit erarbeitet.
Im kommenden Frühjahr soll etwa ein Zehntel des Bestandes dann auch in Bildform über die Seite www.monasterium.net digital erscheinen.
Wie geht es mit dem Archiv weiter?
Auch in Sachen Zukunft der Nordhäuser Archive hat sich etwas getan. Stadtarchivar Theilemann konnte erstmals ein Gutachten zum Zustand der einzelnen Objekte und ihrer archivarischen Möglichkeiten vorstellen.Das sei "ein großer Schritt nach vorne", sagte Theilemann, da man jetzt eine unabhängige Einschätzung habe, mit der auch der Stadtrat weiterarbeiten könne. Restaurator Christian Lindhorst hat sowohl das Stadt- wie auch das Kreisarchiv, das Finanz- und Vermögensarchiv, das Bauarchiv und das Museumsdepot in Augenschein genommen. Demnach bestehen sowohl bauliche wie auch personelle Risiken. Hinzu kommen Wasser- und Brandschutzprobleme. Für das Stadtarchiv selber bestehe keine akute Gefahr.
Objekte wie das ehemalige Waisenhaus, in dem das Museumsdepot untergebracht ist, oder die Unterbringung des Bauarchives in den tiefsten Kellern des Neuen Rathauses, seien auf lange Sicht aber nicht tragbar, resümierte Theilemann das Gutachten.
Mit dem Gutachten könnten die Pläne zu einer Zusammenlegung der Archive neuen Schwung erhalten. Das sei logistisch wie ökonmisch sinnvoll, so Theilemann. Zuletzt war eine Unterbringung in der Breitscheidstraße im Gespräch. Ein zweites Gutachten müsste im nächsten Schritt die Eignung entsprechender Vorschläge prüfen.
Angesichts der Haushaltslage ist aber fraglich, wann die Arbeit an dem Thema wieder aufgenommen werden kann.
Gegenüber den heißen Tagesthemen wie Sport und Kultur hat das Archivwesen allerdings einen entscheidenden Vorteil: die Aufbewahrung von Dokumenten ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe. Die Stadt muss dem Bürger gegenüber Nachweise über ihr Tun erbringen können.
Angelo Glashagel
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