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Di, 17:41 Uhr
10.04.2012

nnz-Forum: Erinnerung verpflichtet

Mit dem Gedenken am 3. April und einem Rückblick auf ein Geschehen vor 67 Jahren setzt sich ein Nordhäuser Bürger auseinander. Wir veröffentlichen seinen Leserbrief im Forum der nnz....


Als Teilnehmer des Gedenkens am 3. April ist mir erneut bewusst geworden, wovon ich in diesen Artikel spreche und welche Würdigung den Menschen gebührt, die sich mutig und engagiert den nazistischen Umtrieben entgegen stellten. Hochachtung vor unsere Oberbürgermeisterin und allen Teilnehmern an dieser Gedenkfeier. Sie haben Vorbilder in den Menschen, die sogar hinter Stacheldraht ihre menschliche Haltung nicht verleugneten und ungeachtet der grausamen Vergeltung Widerstand leisteten.


Kürzlich las ich in einer Zeitung einen Nachruf für Ludwig Josef Szamzak, der am 04. April 1945 mit anderen Antifaschisten im Lager Mittelbau-DORA ermordet wurde. Die Angehörigen, die ich herzlich grüße, können stolz auf Ludwig sein und sollten sein Leben, seinen Kampf vielen Menschen vermitteln.

Erinnern wir uns. Es war ein Samstag, der 12. März 1944, als viele Häftlinge auf dem Appellplatz zusammen getrieben wurden, um einer öffentlichen Hinrichtung zuzusehen. Mein niederländischer Freund war zugegen und berichtete mir: „Die Opfer, ein älterer Mann, Jahrgang 1909, ein Familienvater aus Gera-Bieblach in Thüringen der sich heimlich ein Radio besorgt hatte und Nachrichten abhörte.

An seiner Seite ein junger russischer Bürge aus Gorodischtsche in der Ukraine. Zu der Zeit erst 23 Jahre alt, der die Freiheit liebte und am 28 November 1943 die Flucht wagte. Er wurde ergriffen und zum Tode verurteilt. Nikolei Potapow sein Name.

Mein Freund sah ihn und wunderte sich über seine roten Hosen die er trug. Die Erklärung dafür: Er wurde vorher furchtbar misshandelt und musste sein eigens Blut aufwischen. Es herrschte Ruhe auf den Platz, nur die Befehle der Henker erklangen.

Der damalige SS-Lagerführer Forster gab eine Begründung ab und befahl die beiden Lagerältesten Georg Thomas der Automechaniker aus München und Ludwig Szymczak, den Bergmann aus Schlesien, zu sich. Sie sollten die Exekution vornehmen. Beide wussten was sie erwartet, wenn sie den Befehl verweigerten. Jahrelange Haft lag bereits hinter ihnen, Zuchthaus – das KZ Dachau und Buchenwald und zu Hause warteten Angehörige auf ihre Rückkehr.

Für einen Außenstehenden eine schwer vorstellbare Situation, eigene Leidensgefährten hinzurichten und das vor tausenden prüfenden Augen. Eine Prüfung auf Leben und Tod. Lautstark verkündeten beide: „Wir verweigern den Befehl!“ Umgehend wurden beide abgelöst, verprügelt und arretiert. Später erhielten sie kleinere Funktionen in der Arbeitsstatistik und in der Bekleidungskammer und setzten unbeirrt ihren Widerstand fort.

Beide Opfer aber wurden von Kapos die sich bereit erklärten auf den Platz gehängt. Einer von ihnen wurde Lagerältester, eine Würdigung durch die SS. Georg und Ludwig, die so mutigen politischen Häftlinge wurden Ende 1944 erneut verhaftet und kamen bis 4. April 1945 in den Arrest. Hier erlebten sie die Massenexekution im März 1945 und vielleicht auch die Einlieferung und die Misshandlung an einem Nordhäuser Bürger, der sich nicht von seiner jüdischen Frau und seinen beiden Kindern trennen ließ. Das war im Februar 1945.

Ludwig verlor sein Leben am 4. April 1945, mit ihm die Dresdner Christian Beham, Heinz Schneider, Georg Gammisch, Otto Runki aus Leipzig und der Kurier aus Frankfurt/Main, Paul Luzius. Sie wurden kurz vor Ende des Krieges ermordet und sie starben, weil sie die Menschen, weil sie die Freiheit liebten. Sie gaben ihr Leben auch für unsere und nachfolgende Generationen und sind in diesem Sinne unvergessen und verpflichtend
Reinhard Gündel
Autor: nnz

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Die im Forum dargestellten Äußerungen und Meinungen sind nicht unbedingt mit denen der Redaktion identisch. Für den Inhalt ist der Verfasser verantwortlich. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.
Kommentare
H.Buntfuß
10.04.2012, 18.44 Uhr
Das Böse
„Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen:“ (Einstein)
Marie
11.04.2012, 08.59 Uhr
Erinnerung verpflichtet
ich bekomme Gänsehaut wenn ich das lese. Aufgewachsen bin ich in Frieden und "Wohlstand" und kann mir nicht im entferntesten vorstellen, welches enorme Leid die Menschen in dieser Zeit ertragen mussten.Ich wünsche mir sehr, es auch niemals kennen lernen zu müssen. Es ist wichtig, dass in dieser Weise gemahnt wird.

Zeitzeugen, die berichten, mit Namen und Hintergrundinformationen, damit die Menschen ein Gesicht bekommen. Und das immer wieder, nicht nur an Gedenktagen. Wir, die wir das nicht erleben mussten, vergessen viel zu schnell was passieren könnte, wenn man nicht aufpasst.
Alex Gösel
11.04.2012, 14.49 Uhr
Eine Frage hätte ich...
dann doch noch, mein lieber Herr Gündel!

Wurden die beiden Lagerältesten, die den Befehl verweigerten, nicht an Ort und Stelle durch die SS hingerichtet? (bzw. ging man "humaner Weise" nicht hinter dem Bunker oder ähnlichem?)

Dem von Harald gebrachten Einstein-Zitat kann ich mich nur voll anschliessen!
H.Buntfuß
20.04.2012, 16.43 Uhr
Erinnerung verpflichtet
Liebe Fragestellerin, Frau Marie!
Danke für Ihren Kommentar, Ihr Interesse für das historische Geschehen. Ja ich stimme Ihnen zu, es übersteigt jegliche Vorstellungskraft und erst jetzt wieder haben uns Überlebende des Holocaust in der Gedenkstätte Mittelbau-DORA, in Ellrich und Harzungen von ihren schrecklichen Erlebnissen erzählt und uns erneut bewusst gemacht, was passieren könnte, wenn man nicht rechtzeitig Einhalt gebietet.

Darüber hinaus verweist die jetzige Ausstellung in der Gedenkstätte „Von Auschwitz in den Südharz. Sinti und Roma im KZ Mittelbau-DORA“ auf diese Zeit hin. Übrigens auch Menschen aus Nordhausen und Umgebung, kommen hier zu Wort. Zu Ihrer Anfrage: Was geschah mit den beiden Lagerältesten?

Beide waren zu diesem Zeitpunkt noch unabkömmlich, hatten große langjährige Lagererfahrung und das System brauchte sie für Verwaltungsaufgaben. Sie wurden also zunächst vom Tode verschont, aber keinesfalls von Strafen im Arrest. Am 04. April 1945 in den Abendstunden als Nordhausen brannte und Todesmärsche, Transporte das Lager verließen wurden sie und andere im Gefängnishof des Lagers erschossen.
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