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Do, 12:17 Uhr
17.11.2011

Kein Harztor

Gestern Abend hat der Thüringer Landtag das neue Gemeindeneugliederungsgesetz ohne die Landgemeindefusion von Ilfeld und Niedersachswerfen beschlossen. Insgesamt wurden vier Gemeindefusionen in Thüringen aus dem Gesetz herausgenommen, da diese nicht im Interesse der angrenzenden zentralen Orte liegen. Auch Niedersachswerfen und Ilfeld...


Zentrale Orte sind große Städte wie Nordhausen, diee eine Zentralfunktion für die Region wahrnehmen und zugleich auch eine starke Stadt-Umlandverpflechtung besitzen. „Aus Sicht der Stadt Nordhausen begrüßen wir diese Entscheidung des Landtages“, erklärte der Nordhäuser Bürgermeister Matthias Jendricke (SPD).

Jendricke betonte weiterhin, dass bei den zurückgehenden Finanzzuweisungen grundsätzlich die kommunalen Strukturen in der Region überdacht werden müssen und somit auch die Gründung einer Landgemeinde unter dem Dach einer Verwaltungsgemeinschaft unsinnig ist. „Die Entscheidung des Landtages ist zudem auch ein wichtiges Signal in die Region, dass aus Sicht des Landes eine engere Verwaltungsverpflechtung der Umlandgemeinden mit der Rolandstadt gewollt ist. Im Prinzip kann man es auch als Denkzettel für die Politiker bezeichnen, welche immer wieder behaupten, dass es nach Nordhausen keine Eingemeindungen mehr zugelassen werden, weil sonst der Landkreis weiter geschwächt wird“, erklärte Jendricke.

Die Stadt Nordhausen hatte bereits im Sommer eine negative Stellungnahme zur angedachten Gemeindefusion von Ilfeld und Niedersachswerfen abgegeben (siehe dazu auch im Archiv der nnz)

Hier ist der Wortlaut der Stellungnahme:

Zum o. a. Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 nimmt die Stadt Nordhausen nachfolgend Stellung.

Die Stadt Nordhausen lehnt den Zusammenschluss der Gemeinden Niedersachswerfen und Ilfeld im Landkreis Nordhausen zu einer Landgemeinde unter dem Dach der Verwaltungsgemeinschaft "Hohnstein/Südharz" in ihrem unmittelbaren Umfeld und in direkter Nachbarschaft wegen der sich widersprechenden Entwicklungsziele der Stadt Nordhausen und der zu vermutenden fehlenden dauerhaften Leistungsfähigkeit der neuen Gemeinde sowie der VG "Hohnstein/Südharz" ab.

Begründung:

Wie in der Begründung zum o. a. Gesetzentwurf richtig festgestellt wurde, bestehen zwischen Niedersachswerfen und der Stadt Nordhausen intensive Verflechtungsbeziehungen.

1. Niedersachswerfen und die Stadt Nordhausen (mit ihren Gemarkungen Salza, Krimderode und Rüdigsdorf) haben eine etwa 6 km lange gemeinsame Grenze, wovon etwa 1,3 km direkt zusammenhängende Siedlungsbereiche durchschneiden (Wohnen, Gewerbe und Industrie am Kohnstein sowie Am Zoll).

2. Niedersachswerfen und Nordhausen haben sich 1993 zur Entwicklung einer ehemaligen Industriebrache unterhalb des Kohnsteins (ca. 45 ha) zu einem Planungsverband (PV) "Industriegebiet Kohnstein" (nach § 205 BauGB) zusammengeschlossen. Auf diesen Planungsverband haben die Stadt Nordhausen und die Gemeinde Niedersachswerfen folgende ihnen nach dem BauGB obliegenden Aufgaben übertragen: die verbindliche Bauleitplanung, die Erschließung (einschließlich Grundstücksneuordnung, Erlass einer Erschließungs-beitragssatzung sowie Erhebung von Erschließungsbeiträgen) und die Entwicklung dieses Gebietes (Unternehmensansiedlungen). Dazu wurden, unterstützt mit Mitteln aus der GA-Förderung, durch den PV bisher rund 5.8 Mio € investiert. Die Zweckbindungsfrist für die GA-Mittel besteht noch bis 2018. Durch den PV wurden ein Bebauungsplan (rechtverbindlich seit 07/2000) sowie dessen erste Änderung (verbindlich seit 03/2009) aufgestellt. An diesem Standort konnten bisher 13 Unternehmen angesiedelt und 164 Arbeitsplätze geschaffen bzw. langfristig gesichert werden. Die Auslastung des Gebietes beträgt 94 % (siehe Anlage).

Die Bildung der Landgemeinde Niedersachswerfen-Ilfeld würde einen erheblichen Aufwand zur notwendigen Anpassung der Satzungen, der Verträge, des Finanzhaushalts usw. des PV nach sich ziehen. Aktuelles Beispiel für den Aufwand sind derzeit die notwendigen, komplizierten Anpassungen an anderer Stelle der Stadt, im Planungsverband "Industriegebiet Goldene Aue", resultierend aus der Bildung der Landgemeinde Stadt Heringen/Helme.

3. Niedersachswerfen und Ilfeld sind funktional trotz Verwendung unterschiedlicher Begriffe in der Raumordnung und Landesplanung der vergangenen Jahre durchgängig der Stadt Nordhausen zugeordnet. Sie befinden sich jeweils im:

- Nahbereich der Stadt Nordhausen (Regionaler Raumordnungsplan Nordthüringen, verbindlich seit 1999),

- Stadt- und Umlandraum Nordhausen (LEP Thüringen, 2004)

- Grundversorgungsbereich der Stadt Nordhausen (Regionalplan NT, Planfassung zur Genehmigung, 2010),

- Mittelzentralen Funktionsraum mit eindeutiger Ausrichtung auf Nordhausen, dies impliziert den grundzentralen Versorgungsbereich (LEP 2025, 1. Entwurf, 2011). Nachfolgend dazu ein entsprechender Auszug aus dem Entwurf 2011 [Zitat]:

"2.3.2 G Bei Veränderung kommunaler Gebietsstrukturen soll den mittelzentralen Funktionsräumen bei der Abwägung mit konkurrierenden Belangen ein besonderes Gewicht beigemessen werden. Eine administrative Zerschneidung dieser Funktionsräume soll vermieden werden.

Begründung

Die mittelzentralen Funktionsräume bilden auch für zukünftige administrative Gebietsstrukturen geeignete funktionale Einheiten, sowohl als Teil flächengrößerer administrativer Einheiten (Landkreis) als auch als Klammer für flächenkleinere Strukturen (Gemeinden). Günstige Erreichbarkeitsvoraussetzungen, tatsächliche Interaktionen bzw. Verflechtungsbeziehungen und die für Thüringen charakteristischen Mittelzentren als Repräsentanten der vielfältigen Thüringer Kulturlandschaft werden in Einklang gebracht und leisten somit einen Beitrag zu stabilen und zweckmäßigen kommunalen Strukturen. Allerdings sind auch sonstige, insbesondere örtliche und fachliche Belange für die Bildung zukunftsfähiger Gebietsstrukturen von Bedeutung. Bei den mittelzentralen Funktionsräumen handelt es sich nicht zwingend um die Abgrenzung zukünftiger Gemeinden." [Zitat Ende]

4. Im unmittelbaren Nahbereich des höherrangigen Zentrums (Nordhausen) würde ein Zusammenschluss der beiden Gemeinden (Niedersachswerfen und Ilfeld) auch in diesem Sinn "keinen Beitrag zu stabilen und zweckmäßigen kommunalen Strukturen" im ohnehin zu kleinen Kreis Nordhausen leisten können.

Das Land Thüringen sollte vielmehr das grundsätzliche Landesinteresse definieren, mit gestärkten und größeren Städten den Funktionalaufbau des Landes nachhaltig zu stärken. Zudem ist es von landespolitischer Bedeutung, die Stadt Nordhausen als größtes Zentrum in Nordthüringen durch weitere Eingemeindungen über die Schwellenmarke von 50.000 Einwohnern zu bringen, damit eine geordnete und zukunftsträchtige Landesentwicklung auch im Norden des Freistaates stattfinden kann.

5. Niedersachswerfen und Ilfeld gehören zu den drei Kommunen im Landkreis mit der mit Abstand höchsten Pro-Kopf-Verschuldung (rund 1.200 € je EW). Die derzeitige Finanzsituation auf allen Ebenen und die zu erwartenden Veränderungen mit erheblichen Auswirkungen auf die Kommunalhaushalte (Bevölkerungsrückgang, Änderungen im kommunalen Finanzausgleich, sinkende Steuereinnahmen und Finanzzuweisungen, Steigerung der Ausgaben u. v. m.) lassen aus unserer Sicht keineswegs den Schluss zu, dass durch diesen beabsichtigten Zusammenschluss der beiden Gemeinden sozusagen automatisch eine dauerhaft leistungsfähige Gemeinde entstehen würde. Insofern kann der Optimismus des Verfassers der Begründung zum Gesetzentwurf keineswegs geteilt werden.

6. Über die Abstimmungsergebnisse der in der VG verbleibenden vier selbständigen Gemeinden gibt es in der Gesetzesbegründung keine Ausführungen. Eine "Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit [der VG] durch den Wegfall einer Gemeinde" (lt. Begründung zum Gesetzentwurf S. 26) ist nicht zu erwarten. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass es neben der notwendigen Strukturanpassung in der neuen Landgemeinde aufgrund der Stimmenverhältnisse in der neuen Gemeinschaftsversammlung wegen der verbleibenden 4 verhältnismäßig kleinen "Rest-Gemeinden" schwierig werden kann, (sach-)gerechte Entscheidungen herbeizuführen. Da neben der bestehenden Verwaltung der VG künftig noch ein zusätzlicher hauptamtlicher Bürgermeister für die Landgemeinde tätig werden soll, kann zudem keinesfalls von Synergieeffekten in der Verwaltungseffizienz ausgegangen werden.

7. Trotz der Darstellung von übereinstimmenden Gemeinderatsbeschlüssen bleibt festzustellen, dass die Gemeinderäte ohne ein formelles Bürgervotum entschieden haben und somit gänzlich fraglich ist, ob die Struktur der beabsichtigten Landgemeinde tatsächlich dem Wunsch der Bürgermehrheit entspricht.

8. Ilfeld und Niedersachswerfen sind über die Gleise der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) und den Betrieb des Combino Duo der Verkehrsbetriebe Nordhausen GmbH direkt in den ÖPNV der Stadt Nordhausen, in das Straßenbahnnetz, eingebunden. Diese Verkehrsleistungen werden organisiert, durch die stadteigene Stadtwerke-Tochtergesellschaft und die HSB, welche ebenso eine Gesellschaft mit städtischer Beteiligung ist (10 % Beteiligung).

9. Schließlich ist noch festzustellen, dass die überdimensionale Gewerbe- und Einzelhandelsentwicklung, insbesondere in Niedersachswerfen sowie der zusätzliche Wohnungsneubau in Ilfeld allein auf die Potentiale der Stadt Nordhausen ausgerichtet sind.
Autor: nnz

Kommentare
Eiche
17.11.2011, 14.37 Uhr
siehe Punkt 7
Dieser Abschnitt (Punkt 7) ist sehr gut formuliert und entspricht wohl der Wahrheit!
Die formulierten Begründungen der Stadt Nordhausen sind zu verstehen.
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