Do, 09:01 Uhr
09.10.2025
Meine Meinung
Der Tag, der alles verändert(e)
Ach, was wird im goldenen Herbst nicht alles gefeiert: der 3. Oktober, der 9. November. Diese Tage sollen uns Deutsche an die wieder errungene Einheit erinnern. Für mich gibt es noch einen Tag, der in meinem Leben nahezu alles veränderte. Der war heute vor 36 Jahren…
Zehntausende in Leipzig (Foto: Bundesarchiv, Friedrich Gahlbeck / CC-BY-SA 3.0)
Wenn es sowas wie ein Schicksal gibt, dann soll es so sein. Dieses Schicksal brachte mich am 9. Oktober des Jahres 1989 nach Leipzig. Mit 30 anderen Menschen studierte ich an der damaligen Fachschule für Journalistik. Jeden Monat eine Woche direkt - dann Fernstudium.
Die Studien-Woche des Oktober 1989 begann am 9. Oktober, die ersten Erosionen der einstigen DDR, meines Heimatlandes, beherrschten die Medien, die man eigentlich als DDR-Bürger nicht verfolgen sollte oder vielleicht auch nicht wahrhaben wollte. Ungarn machte die Grenze zu Österreich auf. Tausende DDR’ler machten sich auf in den Westen. Manche ließen sogar ihre Kinder zurück. Das war damals total unverständlich, im historischen Blick zurück immer noch. Man tauschte sein Kind nicht einfach so gegen die eventuelle Freiheit.
Nach einem aufregenden Studium” in der Nähe der Leipziger Rennbahn grummelte es an diesem Tag in unserer Seminargruppe. Die Leitung der Fachschule mahnte vor Besuchen der Innenstadt. Sechs Kommilitonen machten sich mit mir auf eine abenteuerliche Reise in das Leipziger Zentrum. Der ÖPNV war lahmgelegt.
Das, was sich mir damals bot, war ein Bild, gefüllt mit Angst, mit Hoffnung und Zuversicht. Es waren - das wurde später bekannt - nicht 30.000, nicht 70.000, sondern mehr als 100.000 Frauen und Männer auf dem Ring” unterwegs. Die Exaktheit dieser Zahlen ist unwichtig, vielmehr sollten wir in Deutschland-Ost und vor allem endlich mal auch in Deutschland-West jener Menschen gedenken, die sich an diesem 9. Oktober und zwei Tage zuvor in Plauen wagten, gegen die allmächtige Partei- und Staatsführung auf die Straße zu gehen.
Während in Plauen noch Feuerwehrfahrzeuge als Wasserwerfer gegen die Demonstranten eingesetzt wurden, verlief die erste Groß-Demo in Leipzig friedlich. Dafür gesorgt hatten zum Beispiel die sogenannten Leipziger Sechs”, denen neben zwei SED-Funktionären auch ein Theologe auch der Kabarettist Bernd-Lutz Lange und der Kapellmeister des Gewandhauses, Kurt Masur angehörten. Deren Aufruf war im Leipziger Stadtfunk zu hören. Vielleicht hatte auch der "große Bruder" seine Hände mit im Spiel.
Der Ausgang des 9. Oktober vor 36 Jahren ist bekannt, er ist der Beginn der friedlichen Revolution in der damaligen DDR. Mehr: er ist der Ausgang, das Initial dessen, was dann in der DDR einsetzte. Das war zuerst nicht der Drang nach Wiedervereinigung, es waren die Forderungen nach einer anderen DDR. Die Geschichte danach - so basisdemokratisch die Runden Tische” auch waren - wurde anders geschrieben. Auch diese Revolution fraß ihre Kinder - statt der Bürgerbewegten und des Neuen Forums übernahmen im Jahr danach CDU und SPD die Rathäuser, Landratsämter und Landesverwaltungen. Die Alt-BRD übernahm die Neu-BRD und besetzte mit ihrer damals "dritten Reihe" aus Politik, Justiz, Polizei und Verwaltung in mittlerweile dritter Generation die entscheidenden Posten von Rügen bis zum Fichtelberg.
Die Treuhand verrichtete ihre Arbeit im wirtschaftlichen Bereich, der Osten dieses Landes wurde abgewickelt und verramscht. Es gab schließlich 17 Millionen neue Kunden. Dem Land wurde fast keine Chance für einen eigenen Neubeginn gegeben. Der Leitsatz, Rückgabe vor Entschädigung stufte Ossis in Bürger zweiter Klasse zurück. Nichts, aber auch garnichts galt mehr wie früher. Millionen Biographien waren nicht mehr das Papier wert, auf dem sie niedergeschrieben waren. Menschen mit wissenschaftlichen Abschlüssen verdingten sich - wenn überhaupt - an der Lidl-Kasse. Wenn sie Glück hatten. Aus Lehrern wurden Versicherungsverkäufer. Die Liste ließ sich endlos fortsetzen. Ausnahmen gab es.
Jetzt geht diese Generation in Rente. Ein Teil kann gut davon leben. Ich auch. Ein anderer Teil ist immer noch auf Stütze” angewiesen, hangelte sich nach 1990 von einer ABM in die andere, hatte drei oder vier Qualifizierungsmaßnahmen hinter sich gebracht, wurde zwangsverrentet. Und nun? Mit 62, 63, 64, 65…? Da muss er oder sie wieder zum Amt? Muss im unsanierten Plattenbau wohnen, weil die karge Rente aufgestockt werden muss?
Und muss sich von schlauen Wessis, die immer noch ganz oben in den Hierarchien das Sagen haben, vorhalten lassen, dass sie doch in Freiheit leben könnten. Während die Wirtschaft dank grün-linker Politweisheit kollabiert, die Bildung gegen die Wand fährt, Flüge und Züge wegen fehlender Belegschaft im Cockpit oder auf Stellwerken abgesagt werden, täglich rund 1600 Ukrainer im Flixbus allein von Berlin aus nach Kiew reisen, 46.000 Millionen Euro für illegale Einwanderer ausgegeben und andere Milliarden Euro für komplett verrückte Gender-Projekte in AllerWelt überwiesen werden. Die Aufzählung könnte beliebig erweitert werden.
Und dann wundern sich ach so schlaue Menschen in den politischen Schaltzentralen, warum die Ossis eigentlich so undankbar sind und immer noch nicht akzeptieren, wen sie zu wählen haben? Und sie wundern sich, warum sie immer noch kritisch sind gegenüber dem, was die da oben so veranstalten”. Die Antwort ist einfach: Sie haben eine ungeheure Erfahrung in Demokratie. Während bei unseren Brüdern und Schwestern jenseits der Elbe seit 1945 alles so geblieben ist, haben wir Menschen im Osten eine Diktatur zum Teufel gejagt, mit dem Runden Tisch eine neue Form der Demokratie probiert und letztlich (vielleicht vergeblich) der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vertraut.
Auf jeden Fall: Wir im Osten haben immer noch eine besondere Antenne dafür, ob im Staate Dänemark” etwas schief läuft oder nicht. Diese Gewissheit macht mir Mut, wenn ich an den 9. Oktober vor 36 Jahren zurückdenke.
Peter-Stefan Greiner
Autor: psg
Zehntausende in Leipzig (Foto: Bundesarchiv, Friedrich Gahlbeck / CC-BY-SA 3.0)
Wenn es sowas wie ein Schicksal gibt, dann soll es so sein. Dieses Schicksal brachte mich am 9. Oktober des Jahres 1989 nach Leipzig. Mit 30 anderen Menschen studierte ich an der damaligen Fachschule für Journalistik. Jeden Monat eine Woche direkt - dann Fernstudium.
Die Studien-Woche des Oktober 1989 begann am 9. Oktober, die ersten Erosionen der einstigen DDR, meines Heimatlandes, beherrschten die Medien, die man eigentlich als DDR-Bürger nicht verfolgen sollte oder vielleicht auch nicht wahrhaben wollte. Ungarn machte die Grenze zu Österreich auf. Tausende DDR’ler machten sich auf in den Westen. Manche ließen sogar ihre Kinder zurück. Das war damals total unverständlich, im historischen Blick zurück immer noch. Man tauschte sein Kind nicht einfach so gegen die eventuelle Freiheit.
Nach einem aufregenden Studium” in der Nähe der Leipziger Rennbahn grummelte es an diesem Tag in unserer Seminargruppe. Die Leitung der Fachschule mahnte vor Besuchen der Innenstadt. Sechs Kommilitonen machten sich mit mir auf eine abenteuerliche Reise in das Leipziger Zentrum. Der ÖPNV war lahmgelegt.
Das, was sich mir damals bot, war ein Bild, gefüllt mit Angst, mit Hoffnung und Zuversicht. Es waren - das wurde später bekannt - nicht 30.000, nicht 70.000, sondern mehr als 100.000 Frauen und Männer auf dem Ring” unterwegs. Die Exaktheit dieser Zahlen ist unwichtig, vielmehr sollten wir in Deutschland-Ost und vor allem endlich mal auch in Deutschland-West jener Menschen gedenken, die sich an diesem 9. Oktober und zwei Tage zuvor in Plauen wagten, gegen die allmächtige Partei- und Staatsführung auf die Straße zu gehen.
Während in Plauen noch Feuerwehrfahrzeuge als Wasserwerfer gegen die Demonstranten eingesetzt wurden, verlief die erste Groß-Demo in Leipzig friedlich. Dafür gesorgt hatten zum Beispiel die sogenannten Leipziger Sechs”, denen neben zwei SED-Funktionären auch ein Theologe auch der Kabarettist Bernd-Lutz Lange und der Kapellmeister des Gewandhauses, Kurt Masur angehörten. Deren Aufruf war im Leipziger Stadtfunk zu hören. Vielleicht hatte auch der "große Bruder" seine Hände mit im Spiel.
Der Ausgang des 9. Oktober vor 36 Jahren ist bekannt, er ist der Beginn der friedlichen Revolution in der damaligen DDR. Mehr: er ist der Ausgang, das Initial dessen, was dann in der DDR einsetzte. Das war zuerst nicht der Drang nach Wiedervereinigung, es waren die Forderungen nach einer anderen DDR. Die Geschichte danach - so basisdemokratisch die Runden Tische” auch waren - wurde anders geschrieben. Auch diese Revolution fraß ihre Kinder - statt der Bürgerbewegten und des Neuen Forums übernahmen im Jahr danach CDU und SPD die Rathäuser, Landratsämter und Landesverwaltungen. Die Alt-BRD übernahm die Neu-BRD und besetzte mit ihrer damals "dritten Reihe" aus Politik, Justiz, Polizei und Verwaltung in mittlerweile dritter Generation die entscheidenden Posten von Rügen bis zum Fichtelberg.
Die Treuhand verrichtete ihre Arbeit im wirtschaftlichen Bereich, der Osten dieses Landes wurde abgewickelt und verramscht. Es gab schließlich 17 Millionen neue Kunden. Dem Land wurde fast keine Chance für einen eigenen Neubeginn gegeben. Der Leitsatz, Rückgabe vor Entschädigung stufte Ossis in Bürger zweiter Klasse zurück. Nichts, aber auch garnichts galt mehr wie früher. Millionen Biographien waren nicht mehr das Papier wert, auf dem sie niedergeschrieben waren. Menschen mit wissenschaftlichen Abschlüssen verdingten sich - wenn überhaupt - an der Lidl-Kasse. Wenn sie Glück hatten. Aus Lehrern wurden Versicherungsverkäufer. Die Liste ließ sich endlos fortsetzen. Ausnahmen gab es.
Jetzt geht diese Generation in Rente. Ein Teil kann gut davon leben. Ich auch. Ein anderer Teil ist immer noch auf Stütze” angewiesen, hangelte sich nach 1990 von einer ABM in die andere, hatte drei oder vier Qualifizierungsmaßnahmen hinter sich gebracht, wurde zwangsverrentet. Und nun? Mit 62, 63, 64, 65…? Da muss er oder sie wieder zum Amt? Muss im unsanierten Plattenbau wohnen, weil die karge Rente aufgestockt werden muss?
Und muss sich von schlauen Wessis, die immer noch ganz oben in den Hierarchien das Sagen haben, vorhalten lassen, dass sie doch in Freiheit leben könnten. Während die Wirtschaft dank grün-linker Politweisheit kollabiert, die Bildung gegen die Wand fährt, Flüge und Züge wegen fehlender Belegschaft im Cockpit oder auf Stellwerken abgesagt werden, täglich rund 1600 Ukrainer im Flixbus allein von Berlin aus nach Kiew reisen, 46.000 Millionen Euro für illegale Einwanderer ausgegeben und andere Milliarden Euro für komplett verrückte Gender-Projekte in AllerWelt überwiesen werden. Die Aufzählung könnte beliebig erweitert werden.
Und dann wundern sich ach so schlaue Menschen in den politischen Schaltzentralen, warum die Ossis eigentlich so undankbar sind und immer noch nicht akzeptieren, wen sie zu wählen haben? Und sie wundern sich, warum sie immer noch kritisch sind gegenüber dem, was die da oben so veranstalten”. Die Antwort ist einfach: Sie haben eine ungeheure Erfahrung in Demokratie. Während bei unseren Brüdern und Schwestern jenseits der Elbe seit 1945 alles so geblieben ist, haben wir Menschen im Osten eine Diktatur zum Teufel gejagt, mit dem Runden Tisch eine neue Form der Demokratie probiert und letztlich (vielleicht vergeblich) der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vertraut.
Auf jeden Fall: Wir im Osten haben immer noch eine besondere Antenne dafür, ob im Staate Dänemark” etwas schief läuft oder nicht. Diese Gewissheit macht mir Mut, wenn ich an den 9. Oktober vor 36 Jahren zurückdenke.
Peter-Stefan Greiner


