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Sa, 16:02 Uhr
08.02.2025
Bundesweit zweitstärkster Anstieg

Thüringer leiden öfter unter Angststörungen

Plötzliches Herzrasen, Brustschmerz, Erstickungsgefühle, Schwindel, Panik: Immer mehr Menschen in Thüringen leiden an Angststörungen. Laut Hochrechnung der KKH Kaufmännische Krankenkasse waren dort 2023 rund 150.000 Menschen betroffen...

Mit Blick auf 2008 bedeutet das einen Anstieg auf gut das Doppelte (plus rund 110 Prozent). Zum Vergleich: Im Jahr 2008 diagnostizierten Ärzte bei 3,3 Prozent der KKH-Versicherten in Thüringen chronische Angstzustände, Panikattacken & Co., 2013 waren es 4,8 Prozent, 2018 lag der Anteil bereits bei 6,0 und 2023 schließlich bei 7,0 Prozent – eine kontinuierliche Steigerung also.

Im Bundesländervergleich liegt Thüringen an zweiter Stelle. Den stärksten Anstieg verzeichnet die KKH mit rund 111 Prozent in Sachsen, den geringsten hingegen mit gut 62 Prozent in Hessen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei gut 77 Prozent.

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Angst – Schutzschild oder Belastung?
Doch warum nehmen Ängste derart zu? Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben genetischen und neurobiologischen Einflüssen spielen auch psychische Faktoren wie traumatische Kindheitserlebnisse etwa in Form von körperlicher oder seelischer Gewalt eine Rolle. Als Risiken für Angststörungen gelten aber auch langanhaltende Belastungen und chronischer Stress, etwa bedingt durch den politischen und gesellschaftlichen Dauerkrisenmodus der vergangenen Jahre, andauernde berufliche Belastungen oder Konflikte in der Familie.

„Jeder Mensch hat manchmal Angst. Das ist ganz natürlich. Angst hat auch eine wichtige Schutzfunktion. Sie versetzt den Körper in Alarmbereitschaft, damit er in Gefahrensituationen schnell reagieren kann. So dienen Herzrasen und beschleunigte Atmung dazu, einen Teil des vegetativen Nervensystems zu aktivieren und uns auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion vorzubereiten“, erläutert Dr. Aileen Könitz, Ärztin und Expertin für psychiatrische Fragen bei der KKH. Aber auch Sorgen um die Arbeit, die Familie oder die Zukunft können in gewisser Weise schützen. Solange sie sich in einem gesunden Maß bewegen und nicht Überhand nehmen, können sie helfen, Risiken richtig einzuschätzen, unbedachte Handlungen und kritische Situationen zu vermeiden.

Wenn die Angst um Sicherheit und Frieden, die Sorge vor dem Jobverlust oder die Angst vor dem Zerfall der Familie jedoch immer mehr den Alltag bestimmt alles andere überschattet und sich nicht mehr kontrollieren lässt, kann sie zu einer großen Belastung werden statt zu schützen. Das trifft vor allem auf Menschen zu, die eine geringere Widerstandskraft haben und anfälliger für psychische Erkrankungen sind.

„Viele Betroffene entwickeln eine sogenannte generalisierte Angststörung“, erläutert Aileen Könitz. „Das heißt, die Ängste lassen sich irgendwann nicht mehr auf bestimmte Dinge oder Situationen beschränken, sondern sind einfach immer präsent, häufig übersteigert und realitätsfern.“ Menschen mit einer solchen Diagnose können sich zum Beispiel in einem Augenblick fürchten, dass ihr Partner auf dem Weg zur Arbeit überfallen wird oder ihr Kind auf dem Schulweg einen Unfall erleidet. Im nächsten Moment denken sie, dass sie selbst schwer erkranken könnten oder das eigene Haus abbrennt. Sie machen sich praktisch über alles Sorgen, auch über weniger gravierende Dinge, etwa, dass der Bus zu spät kommt oder sie ihren Schlüssel verlieren könnten. Die ständigen Befürchtungen schränken das Leben stark ein und beeinflussen das alltägliche Verhalten erheblich. Betroffene ziehen sich häufig immer mehr zurück, was zu sozialer Isolation führen kann. „Sich ständig zu ängstigen, ist auch emotional und körperlich sehr erschöpfend. Depressive Verstimmungen, Konzentrations- und Schlafstörungen können die Folge sein“, erläutert Aileen Könitz.

Allein aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ist für Betroffene meist unmöglich. Deshalb rät die Expertin zu professioneller Hilfe. Der erste Weg führt in der Regel zur Hausärztin oder zum Hausarzt, die dann bei Bedarf an Fachmediziner überweisen können.
Autor: red

Kommentare
Laberfred
09.02.2025, 13.44 Uhr
Der lange Weg zur Hilfe
Das Hauptproblem an Angststörungen ist, dass die davon Geplagten nicht wissen bzw. es nicht wahrhaben wollen, dass ihre Beschwerden keine körperliche Ursache haben. Sie "tingeln", teils viele Jahre lang, von Facharzt zu Facharzt, ohne Diagnose. Damit ohne Hilfe und ohne Medikamente. Das ist zermürbend. Ihnen geht es schlecht, aber scheinbar sind alle Mediziner unfähig. Den einen Weg zur Erkenntnis, dass es sich um Angststörungen handelt, gibt es nicht. Um aber endlich Hilfe zu bekommen, muss man akzeptieren, das der Kopf die Ursache ist. Und man muss selbst die Initiative ergreifen. Der Arzt stellt einem die Einweisung aus. Er besorgt aber keinen Kliniktermin. Darum muss man sich selbst kümmern. Persönlich! Man muss selbst in der Klinik anrufen wegen eines Ersttermins. Dann muss man persönlich in die Klinik gehen, um alles weitere zu besprechen. Und genau dieses Selbstkümmern ist der erste Abschnitt der Therapie und Voraussetzung für einen Therapieplatz. Ohne Eigeninitiative reagiert die Klinik nicht auf Anfragen. Die Therapie kann meist auch in einer Tagesklinik erfolgen. Mann muss also nicht in die "Klappsmühle" und befindet sich nach dem täglichen Klinikaufenthalt in seinem gewohnten Umfeld. Ganz wichtig ist auch, die Hilfe anzunehmen. Die Medikamente wirken erst nach ca. 2 bis 4 Wochen. Ansonsten ist der Ablauf der Therapie auch alles andere als unangenehm. Er besteht aus Gesprächen (einzeln oder in der Gruppe), Ergotherapie mit kreativen Tätigkeiten, es wird gemeinsam gegessen, leichter Sport ohne Zwang. Das sind nur einige Dinge. Ungemein hilfreich neben der schon erlösenden Erkenntnis, das man eine Angststörung hat ist auch, dass man sieht, dass man nicht der einzige Geplagte ist und dass man sich mit anderen Betroffenen austauschen kann. Und Betroffene gibt es viel mehr, als man sich vorgestellt hat. Und wenn man sich darauf einlässt und vor allem mitmacht, wird es auch wieder besser. Nicht sofort, aber mit der Zeit. Monate oder auch Jahre. Aber es wird besser. Also Geduld und niemals aufgeben. Ich schreibe aus eigener Erfahrung.
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