Di, 16:00 Uhr
11.06.2024
Philatelie gegen die Einsamkeit
Der Mensch, ein Sammler
Wenn ein Verein nach Nachwuchs sucht, dann sind meist junge Menschen gemeint. Beim Nordhäuser Briefmarkenverein geht man den umgekehrten Weg, man hofft gerade die Älteren für das Hobby zu begeistern. Was die Philatelie im Alter interessant macht, hat uns Dr. Werner Greiner erzählt…
Bald wird er wieder einen Vortrag halten, erzählt er, es wird um Briefmarken gehen, natürlich, aber nicht nur. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein liebevoll ausgearbeitetes Buch, von Hand mit viel Hingabe beschriftet und gestaltet, der Anblick würde jeden Vogelkundler das Herz höher schlagen lassen. Jede Seite der Sammlung ist einem anderen Vogel gewidmet, dargestellt auf Briefmarken aus aller Welt.
In der Philatelie, dem Sammeln von Briefmarken, findet sich eine unheimliche Vielfalt, berichtet Dr. Werner Greiner. Ein Bekannter sammelt ausschließlich Marken, die berühmte Kunstwerke zeigen, schließlich kann man sich Dürer und Rembrandt eher nicht im Original ins Wohnzimmer hängen. Wieder andere haben sich auf alte Feldpost, Bahnmarken, Architektur, bestimmte Regionen, Sport, Feuerwehr, Maschinenbau oder Ingenieurswesen spezialisiert - die Liste der Möglichkeiten ist unendlich lang.
Er selber fand jung zum Hobby, die Mutter habe ihn etwas zur Ruhe bringen wollen, als sie ihm seinen ersten Satz Sammelmarken schenkte. Der Junge war begeistert, der Mann ist es geblieben. Viele Erinnerungen hängen an den kleinen Sammlerstücken. Mit 21 Jahren etwa verkauft Greiner das erste Mal eine Sammlung, vom Erlös richtet der Frischvermählte das erste eheliche Schlafzimmer ein. Wobei die Philatelie zu DDR-Zeiten nicht ganz unproblematisch gewesen sei. Denn zum sammeln gehört Korrespondenz und wer Briefmarken aus aller Welt haben will, der muss auch aller Welt schreiben und erhält im besten Falle auch aus aller Herren Länder Post. Einem Land, in dem fast nur die deutsch-sowjetische Freundschaft unverdächtig war, waren die Briefeschreiber zumindest suspekt. Doch ein Philatelist, sagt Greiner, hält Freundschaft mit allen Ländern und allen Menschen. Er selbst hat im Laufe seines Lebens mit Sammlern aus 142 Ländern korrespondiert, von denen manche heute gar nicht mehr existieren.
Sammeln gegen die Einsamkeit
Die Leidenschaft teilt Greiner mit 15 älteren Vereinsfreunden beim Briefmarkensammlerverein Nordhausen, gegründet 1887. Mit dem Nachwuchs hat man eigentlich keine Probleme, immerhin 20 Jungsammler finden sich in der Kindergruppe. Für Philatelisten keine schlechte Zahl, aber die kommen eher selten zusammen. Anders bei den alten Damen und Herren, einmal im Monat findet man sich zu Austausch, Plausch und Fachsimpelei im Sonneneck im Gehege in Nordhausen ein, (fast) jeden letzten Mittwoch im Monat, immer um 18 Uhr.
Die Sammelleidenschaft, glaubt man hier, würde auch manch anderem Senior gut zu Pass kommen. Statt einfach nur zu Hause zu sitzen, wo man nichts mit sich anzufangen weiß, außer Fernsehen zu schauen, kann auch gut und gerne Briefmarken sammeln, da gibt es immer etwas, in das man sich vertiefen kann, sagt Greiner. Zudem gebe es manch Sammler, die das Hobby in jungen Jahren pflegten, über das Berufsleben aber wieder aufgegeben hätten und vielleicht einmal zurückkehren wollen.
Rembrandt en miniature - in der Vielfalt der Briefmarkenwelt ist für jeden Geschmack etwas dabei (Foto: agl) Kisten voller Marken aus aller Welt und mit allen nur erdenklichen Motiven finden sich im Fundus des Vereins, viel Material das geordnet, abgelöst, getrocknet, arrangiert und eingeklebt werden will. Taucht man tiefer in die Materie ein, dann kann es auch wissenschaftlich werden, sagt Dr. Greiner und blättert durch seine ornithologische Sammlung.
Jeder Philatelist findet seine Lieblingsstücke, für ihn sind es gleich zwei: da ist zum einen ein besonderer Markensatz, die Thüringer Friedensweihnacht, herausgegeben 1945. Zum anderen hängt Greiners Herz an seiner Briefsammlung. Einen monetären Wert hat die aus Sammlersicht nicht, der ideelle Wert ist dafür umso größer. Hinter jeder Zeile und jedem Brief steckt eine Geschichte und eine Erinnerung, selbst Post aus der Antarktis ist mit dabei und die war nicht leicht zu bekommen, berichtet der Briefmarkensammler.
Die wahre Freude an der Leidenschaft findet man aber erst dann, wenn man mit Gleichgesinnten sammeln, tauschen und schwatzen kann und gerade das, meinen die Philatelisten, ist ein probates Mittel gegen die um sich greifende Einsamkeit im Alter. Wer die Briefmarkensammler selber einmal besuchen möchte, findet die Truppe am 24. Juli wieder im Sonneneck im Gehege. Abseits der Zusammenkunft ist der Philatelieverein in Niedersalza beheimatet, genauer in der Sperbergasse 2. Und wer nicht nur sein Interesse bekunden sondern den Damen und Herren dabei auch noch eine kleine Freude machen will, der schreibt am Besten einen ordentlich frankierten Brief.
Angelo Glashagel
Autor: red
Briefmarken muss man nicht allein im stillen Kämmerlein sammeln, im Gegenteil - die Philatelie hilft gegen die Einsamkeit, meinen die Nordhäuser Briefmarkensammler (Foto: agl)
Bald wird er wieder einen Vortrag halten, erzählt er, es wird um Briefmarken gehen, natürlich, aber nicht nur. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein liebevoll ausgearbeitetes Buch, von Hand mit viel Hingabe beschriftet und gestaltet, der Anblick würde jeden Vogelkundler das Herz höher schlagen lassen. Jede Seite der Sammlung ist einem anderen Vogel gewidmet, dargestellt auf Briefmarken aus aller Welt.
In der Philatelie, dem Sammeln von Briefmarken, findet sich eine unheimliche Vielfalt, berichtet Dr. Werner Greiner. Ein Bekannter sammelt ausschließlich Marken, die berühmte Kunstwerke zeigen, schließlich kann man sich Dürer und Rembrandt eher nicht im Original ins Wohnzimmer hängen. Wieder andere haben sich auf alte Feldpost, Bahnmarken, Architektur, bestimmte Regionen, Sport, Feuerwehr, Maschinenbau oder Ingenieurswesen spezialisiert - die Liste der Möglichkeiten ist unendlich lang.
Er selber fand jung zum Hobby, die Mutter habe ihn etwas zur Ruhe bringen wollen, als sie ihm seinen ersten Satz Sammelmarken schenkte. Der Junge war begeistert, der Mann ist es geblieben. Viele Erinnerungen hängen an den kleinen Sammlerstücken. Mit 21 Jahren etwa verkauft Greiner das erste Mal eine Sammlung, vom Erlös richtet der Frischvermählte das erste eheliche Schlafzimmer ein. Wobei die Philatelie zu DDR-Zeiten nicht ganz unproblematisch gewesen sei. Denn zum sammeln gehört Korrespondenz und wer Briefmarken aus aller Welt haben will, der muss auch aller Welt schreiben und erhält im besten Falle auch aus aller Herren Länder Post. Einem Land, in dem fast nur die deutsch-sowjetische Freundschaft unverdächtig war, waren die Briefeschreiber zumindest suspekt. Doch ein Philatelist, sagt Greiner, hält Freundschaft mit allen Ländern und allen Menschen. Er selbst hat im Laufe seines Lebens mit Sammlern aus 142 Ländern korrespondiert, von denen manche heute gar nicht mehr existieren.
Das nächste Projekt liegt schon auf dem Tisch - Dr. Werner Greiner zeigt Briefmarkenmotive rund um den Boxer Max Schmeling (Foto: agl)
Sammeln gegen die Einsamkeit
Die Leidenschaft teilt Greiner mit 15 älteren Vereinsfreunden beim Briefmarkensammlerverein Nordhausen, gegründet 1887. Mit dem Nachwuchs hat man eigentlich keine Probleme, immerhin 20 Jungsammler finden sich in der Kindergruppe. Für Philatelisten keine schlechte Zahl, aber die kommen eher selten zusammen. Anders bei den alten Damen und Herren, einmal im Monat findet man sich zu Austausch, Plausch und Fachsimpelei im Sonneneck im Gehege in Nordhausen ein, (fast) jeden letzten Mittwoch im Monat, immer um 18 Uhr.
Die Sammelleidenschaft, glaubt man hier, würde auch manch anderem Senior gut zu Pass kommen. Statt einfach nur zu Hause zu sitzen, wo man nichts mit sich anzufangen weiß, außer Fernsehen zu schauen, kann auch gut und gerne Briefmarken sammeln, da gibt es immer etwas, in das man sich vertiefen kann, sagt Greiner. Zudem gebe es manch Sammler, die das Hobby in jungen Jahren pflegten, über das Berufsleben aber wieder aufgegeben hätten und vielleicht einmal zurückkehren wollen.
Rembrandt en miniature - in der Vielfalt der Briefmarkenwelt ist für jeden Geschmack etwas dabei (Foto: agl) Kisten voller Marken aus aller Welt und mit allen nur erdenklichen Motiven finden sich im Fundus des Vereins, viel Material das geordnet, abgelöst, getrocknet, arrangiert und eingeklebt werden will. Taucht man tiefer in die Materie ein, dann kann es auch wissenschaftlich werden, sagt Dr. Greiner und blättert durch seine ornithologische Sammlung.
Jeder Philatelist findet seine Lieblingsstücke, für ihn sind es gleich zwei: da ist zum einen ein besonderer Markensatz, die Thüringer Friedensweihnacht, herausgegeben 1945. Zum anderen hängt Greiners Herz an seiner Briefsammlung. Einen monetären Wert hat die aus Sammlersicht nicht, der ideelle Wert ist dafür umso größer. Hinter jeder Zeile und jedem Brief steckt eine Geschichte und eine Erinnerung, selbst Post aus der Antarktis ist mit dabei und die war nicht leicht zu bekommen, berichtet der Briefmarkensammler.
Die wahre Freude an der Leidenschaft findet man aber erst dann, wenn man mit Gleichgesinnten sammeln, tauschen und schwatzen kann und gerade das, meinen die Philatelisten, ist ein probates Mittel gegen die um sich greifende Einsamkeit im Alter. Wer die Briefmarkensammler selber einmal besuchen möchte, findet die Truppe am 24. Juli wieder im Sonneneck im Gehege. Abseits der Zusammenkunft ist der Philatelieverein in Niedersalza beheimatet, genauer in der Sperbergasse 2. Und wer nicht nur sein Interesse bekunden sondern den Damen und Herren dabei auch noch eine kleine Freude machen will, der schreibt am Besten einen ordentlich frankierten Brief.
Angelo Glashagel
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