eic kyf msh nnz uhz tv nt
Mo, 06:44 Uhr
31.05.2021
Vom Aussterben bedrohtes Ackerwildkraut gefunden

Sternstunden der Botanik

„Acker-Kohl“ klingt nach einer gemeinen, häufigen Kulturpflanzenart. Ein Kohl wie Blumenkohl oder Grünkohl eben, könnte man meinen. In Wirklichkeit aber handelt es sich bei dem lateinisch als Conringia orientalis bezeichneten Vertreter der Kreuzblütengewächse um eine überaus selten gewordene Pflanze aus der Ackerbegleitflora, die mit den echten Kohlarten (Gattung Brassica) eher wenig zu tun hat...

Bildunterschrift (Bild 1): Zwei Raritäten am Ackerrand: Ein Exemplar Acker-Kohl (Conringia orientalis, weißblühend) und Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis, rote Knospe). (Foto: B.Schwarzberg) Bildunterschrift (Bild 1): Zwei Raritäten am Ackerrand: Ein Exemplar Acker-Kohl (Conringia orientalis, weißblühend) und Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis, rote Knospe). (Foto: B.Schwarzberg)

Die in Mitteleuropa als Archäophyt, also als „alteingebürgert“ geltende Art, kam durch indirekten oder direkten menschlichen Einfluss vor Kolumbus' Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 aus ihren Heimatgebieten Südosteuropa, Nordafrika oder Westasien in unsere Region. Er etablierte sich über Jahrhunderte hinweg als Teil unserer Feldflora, die vor allem die bekannten Getreidearten an den Ackerrändern begleitet. Der Acker-Kohl ist also ein Kulturrelikt.
Erst im vergangenen Jahrhundert wurden viele Ackerwildkräuter durch die zunehmend industrialisierte und globalisierte Landwirtschaft mit ihren Herbiziden und der die Unkrautsamen herausfiternden Saatgutreinigung immer mehr zu Seltenheiten. Vor allem Arten mit großen Samen, wie zum Beispiel die so gut wie ausgestorbene Korn-Rade, aber auch der Acker-Kohl, sind davon betroffen.
So erwähnen die alten Nordhäuser Botaniker Vocke und Angelrodt die Art in ihrer „Flora von Nordhausen und der weiteren Umgegend“ von 1886 noch als „nicht selten“: „Nordhausen, unter dem Kohnstein, Petersdorf, Rüdigsdorf, Steigerthal, Stempeda“, geben sie als Funstellen für den heutigen Landkreis Nordhausen an.


Anzeige symplr
Erhaltet die Ackerwildkräuter
Längst hat man aber in der Politik unter dem Druck der sechsten Aussterbewelle, aber auch aus ökonomischen Gründen erkannt, dass artenreiche Ackerrandstreifen nicht einfach nur „Unkraut“ bedeuten: Denn mit den Ackerwildkräutern verschwinden auch immermehr Tierarten wie Feld-Hamster, Rebhuhn und zahlreiche Feld-Vögel wie Goldammer, Feld-Lerche oder Kiebitz aus unserer Landschaft. Ganz zu schweigen von hunderten Insektenarten, die jährlich Bestäubungsleistungen für uns Menschen in Milliardenhöhe erbringen.
Es lohnt ich also, solch unscheinbaren Pflanzenarten, wie den mittlerweile deutschlandweit vom Aussterben bedrohten Acker-Kohl, zu erhalten und ihnen ein wenig Platz und Aufmerksamkeit einzuräumen.
Ich fand die unscheinbare Pflanze an einem Acker-Randstreifen, wo der betreffende Landwirt mit seinem modernen Trecker sicher unbewusst eine kleine Nische für ihn und andere Wildpflanzen nicht besät und nicht gespritzt hatte. Denn neben der einzigen Pflanze des Acker-Kohls sah ich auch mehrere knospende Exemplare des ebenfalls gefährdeten Sommer-Adonisröschens, - als Hahnenfußgewächs mit leuchtend roten Blüten übrigens eine ganz besondere Augenweide.
Der einjährige Acker-Kohl mit seinen faszinierenden, blaugrünen, stängelumfassenden Blättern, siedelt vor allem an Ackerrändern, die in einen benachbarten Halbtrockenrasen übergehen. Er bevorzugt, ob seiner Herkunft, Wärme und kalkhaltige, steinige, sowie lehmige und tonhaltige Böden.

Bereits 2019 konnte ich ein einziges Exemplar des Acker-Kohls in der Nähe von Woffleben entdecken. Wie beim aktuellen Fund im Norden des Landkreises, übrigens ebenfalls nur eine einzige Pflanze, gab es zuvor zumindest in dem eng umgrenzten, betreffenden Messtischblattraster auch in historischer Zeit keine bekannten Funde der Art.

Bei Conringia orientalis wird mit Erfolg versucht, ihn in privaten Erhaltungskulturen vor dem endgültigen Verlust in Deutschland zu bewahren, wobei das Keimverhalten der Art mitunter noch Rätsel aufgibt.

Hoffnung gibt, dass diese Art über sehr langlebige Samen verfügen soll und so hier und dort unvorgesehen auftauchen könnte.
Vielleicht erhalten der Acker-Kohl und seine bedrohten Pflanzenkollegen von der Ackerbegleitflora ja durch Erhaltungskulturen, ja, durch die sie jahrhundertelang erhaltende Landwirtschaft selbst, eine kleine Chance? - Immer häufiger legen Landwirte breite Randstreifen ohne Chemikalieneinsatz an.

Für die Erhaltung unserer einst so zahlreichen Feldblumenarten wäre es wichtig, diese Streifen nicht, wie so oft mit „bunten Blumen“ aus der Saatguttüte zu besäen. Vielmehr sollten wir unserer heimischen, natürlich und durch menschliche Kultur gewachsenen Ackerflora in diesen Streifen eine neue Chance geben und eine natürliche Entwicklung zulassen.
Bodo Schwarzberg
Seltene Funde am Ackerrand (Foto: B.Schwarzberg)
Seltene Funde am Ackerrand (Foto: B.Schwarzberg)
Seltene Funde am Ackerrand (Foto: B.Schwarzberg)
Autor: red

Kommentare
Andi Macht
31.05.2021, 10.44 Uhr
Der Landwirt tut mir jetzt schon leid.
Er hat anscheinend alles richtig gemacht, damit der Ackerkohl bei ihm eine Überlebenschance hat. Jetzt wird er bestimmt von den "Naturschützern" so lange mit Auflagen gegängelt, dass auch er die Lust am Artenreichtum verliert und in Zukunft darauf achtet, dass so etwas nicht wieder vorkommt.
Kommentare sind zu diesem Artikel nicht mehr möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr