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Mo, 21:45 Uhr
08.06.2020
Wahrzeichen soll wieder strahlen

Der goldene Theo

Über dem Eingangsportal des Nordhäuser Rathauses prangt ein Stück Stadtgeschichte, dessen Ursprung und Bedeutung heute kaum noch jemand kennt. Der Nordhäuser Roland, Michael Garke und die Gästeführergilde wollen das jetzt ändern und dem „Theodosius-Stein“ zu neuem Glanz verhelfen…

So könnte der "Theo" restauriert aussehen - der linke Entwurf zeigt den Stein ohne originale Farbgebung, der rechte eine Annäherung an die am Stein vorgefundenen Farbelemente (Foto: Michael Garke) So könnte der "Theo" restauriert aussehen - der linke Entwurf zeigt den Stein ohne originale Farbgebung, der rechte eine Annäherung an die am Stein vorgefundenen Farbelemente (Foto: Michael Garke)


Curia, Rolandus, Saxum, Ballista, Canalis, Fons, Ales - sunt Northusae miracula septem!

Wer auf den ersten Blick erkannt hat, worum es sich bei diesem Satz dreht, der dürfte nicht nur sein Latein beherrschen, sondern auch zu den wenigen Menschen gehören, die sich in den kuriosen Wendungen und Tiefen der Nordhäuser Geschichte auskennen.

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Dem war nicht immer so, eher im Gegenteil - den kleinen Merksatz wusste einst jedes Schulkind aufzusagen. Die Curia - das Rathaus, der Rolandus - der Roland, das Saxum - der Theodosius-Stein, die Ballista - die Nordhäuser Prunkkanone, genannt „Lindwurm“, Canalis - die Wasserkünste, Fons - die Quelle und Ales - der Aar oder Adler: das sind die „sieben Wunder Nordhausens“.

Rathaus, Roland und „Aar“ kennt man und von der Elisabeth-Quelle hat mancher vielleicht noch gehört, aber welche Bedeutung den Wahrzeichen einmal zukam, wissen die meisten nicht mehr. Michael Garke, vielen vor allem als Nordhäuser Roland bekannt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, dass zu ändern. Die Rückkehr des „Riesen“, anno domini 2010, hatte man unter anderem auch ihm zu verdanken und mit Projekten wie den „Nordhäuser Unterwelten“, hat der Fotograf immer wieder Nerven getroffen, von denen man nicht gedacht hätte, dass sie im Bewusstsein der Stadt überhaupt noch existieren.

Zusammen mit den Kollegen von der Nordhäuser Gästeführergilde hat sich Garke nun das nächste fast vergessene Wahrzeichen vorgenommen: den Theodosius-Stein. Wo der sich befindet, wüsste heutzutage selbst manch Geschichtsinteressierte Nordhäuser nicht mehr zu sagen, erklärte Garke heute im Kulturausschuss der Stadtverwaltung. Einst prangte das Wappen, goldverziert und im Sonnenlicht schimmernd weithin sichtbar, nahe dem Töpfertor und begrüßte die Gäste der stolzen, freien Reichsstadt. Heute findet man „den Theo“ ein paar Meter über dem Haupteingang des alten Rathauses, wo er Mitte des 19. Jahrhunderts, nach dem Abbruch der alten Befestigungen, angebracht worden war.

Kaiser oder Schuster, das ist hier die Frage

Von der alten Pracht ist nicht viel geblieben. Der Schriftzug ist teilweise abgeplatzt, der güldene Glanz lange verblasst. Der alte Stein fügt sich derart in die Fassade des Rathauses ein, dass man schon genau hinsehen muss, um ihn überhaupt wahrzunehmen. Für diejenigen, die ihn trotzdem entdecken, ist seine Bedeutung nicht minder obskur. Dabei hat das Kunstwerk eine eigene Geschichte zu erzählen, die auf den ersten Blick bis zur (vermeintlichen) Gründung der Stadt zurückreicht, auf den zweiten Blick aber noch viel mehr über das Selbstverständnis der Nordhäuser verrät.

Dem Stein zufolge wurde die freie Reichsstatt nämlich nicht von einem mythischen Schusterkönig gegründet, wie es die Merwigs-Sage jahrhundertelang behauptete, sondern von einem echten, gekröntem Haupt aus Fleisch und Blut: niemand geringerer als Theodosius, der zweite seines Namens, Kaiser des Oströmischen Reiches, soll Nordhausen im Jahre 410 nach Christi Geburt aus der Taufe gehoben haben. Das ist zwar glatt gelogen und den alten Nordhäusern sind bei der „Veredelung“ ihrer Herkunft ein paar kleine Schnitzer unterlaufen, aber das waren Mitte des 16. Jahrhunderts eher unwichtige Details. Mitten in der Renaissance und den Wirren der frühen Reformationsjahre trugen die Bürger, der Dank Bier und Schnaps prosperierende Reichsstadt, mit der in Gold und Stein gegossenen Legende ihren Stolz und ihre Einheit zur Schau.

Das wäre zumindest eine mögliche Interpretation des „Saxum“. Die ganze Geschichte rund um den „goldenen Theo“ und die sieben Wunder hier in Kürze niederzuschreiben, würden den „miracula“ und dem, was die Geschichte dieser Stadt für ihre Bewohner heute bedeuten könnte, nicht gerecht werden. Darum werden wir das an anderer Stelle zu gegebener Zeit nachholen.

Stattdessen zurück ins Hier und Jetzt. Am Freitag dieser Woche hätte der alte Stein wieder in alter Pracht erstrahlen sollen, pünktlich zur Eröffnung des Rolandsfestes. Die nötigen Voruntersuchungen hatte man bereits durchgeführt und grünes Licht vom Denkmalschutz bekommen. Das war der Plan. Dann kam Corona, der allgemeine Stillstand, die Absage des Stadtfestes und der großen Überraschung.

Aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben - die Enthüllung wollen Garke und Kollegen nun einfach ein Jahr nach hinten schieben und vielleicht noch etwas mehr erreichen, als ursprünglich geplant. Angedacht war, Schriftzug und Wappen mit der finanziellen Unterstützung der Familie Sorell zu restaurieren und erneut, wie in den alten Quellen beschrieben, zu vergolden. Beim Studium des alten Gemäuers stießen Garke und Restauratorin Suzy Hesse auch auf originale blaue und grüne Farbreste. Plan B lautet jetzt: keine halben Sachen machen.

Michael Garke vor dem "Theodosius-Stein" am Nordhäuser Rathaus (Foto: agl) Michael Garke vor dem "Theodosius-Stein" am Nordhäuser Rathaus (Foto: agl)

Bis zum kommenden Rolandsfest soll der Theodosius-Stein in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt werden. Die dafür nötigen, zusätzlichen Gelder will sich die Gästeführergilde, mit Hilfe der Stadtverwaltung, aus sogenannten „Lotto-Mitteln“ beschaffen. Da die Stadt nicht ins eigene Säckel greifen muss, fand der Vorschlag heute im Ausschuss breite Zustimmung.

Wer im übrigen meint, die bunte Variante lasse das nötige „decorum“ vermissen, dem sei gesagt: unsere Vergangenheit war, in der Regel, ziemlich bunt. Wir haben es nur vergessen. Schon allein dieser Umstand mag den Betrachter ein wenig lehren. Über das Selbstverständnis der alten Nordhäuser, aber auch über uns selbst und unsere Zeit. Und die lange Geschichte dieser kleinen Stadt am Südharz kann mehr bieten, als einen Spritzer Farbe. Aber dafür muss man sie kennen. Wenn die „Wiedergeburt“ eines alten Schmuckstücks dazu beiträgt, dass man sich der eigenen Vergangenheit wieder ein wenig zuwendet, dann ist das nur zu begrüßen. Umso mehr noch, wenn es ein paar Bürger der Stadt sind, die sich dieser Aufgabe annehmen.
Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
Hans Dittmar
23.09.2020, 08.42 Uhr
Wappenstein im Rathaus / Wie soll er aussehen? Entscheidet mit!
Ich denke es ist wichtig, das man als Bürger mit entscheidet, wie unser Umfeld gestaltet wird. Zwei Entwürfe sind hier abgebildet.
Aus meiner Sicht sollte man die dezente Restaurierung durchführen, bei der das Wappen und die Umschrift mit Gold zur Geltung kommt.
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