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Mo, 16:30 Uhr
04.05.2020
Es steht und fällt mit dem Mai

Hat das nächste Dürrejahr begonnen?

Wenn es nach den Förstern geht, dann wird der „Wonnemonat“ Mai nass, kalt und bringt jede Menge Regen. Alles andere wäre eine Katastrophe, zum dritten mal in Folge. Wie es um die Wälder Region bestellt ist, hat die nnz bei einem Rundgang mit Forstamstleiter Gerd Thomsen erfahren…

Wie steht es um die Wälder? (Foto: Angelo Glashagel) Wie steht es um die Wälder? (Foto: Angelo Glashagel)

Mitten im Wald steht eine Totgeweihte. Man sieht es der Buche nicht gleich an, in der Krone sprießt das Frühjahrsgrün. Schweift der Blick aber einen guten Meter weiter den Stamm hinab, recken sich kahle Äste in die Luft, deren Knospen bereits vertrocknet sind. In zwei bis drei Wochen, fürchtet der Leiter des Forstamts Bleicherode Südharz, Gerd Thomsen, werden auch die grünen Blätter in der Krone eingehen. Dann platzt die Rinde ab, Käfer und Pilze ziehen ein, das Holz wird brüchig und schließlich werden seine Kollegen mit der Säge anrücken müssen.

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Auf dem Weg in das Revier auf der Hainleite sind die Folgen der letzten beiden Dürrejahre deutlich zu sehen. Am Straßenrand herrscht Kahlschlag. „Hätten wir vor ein paar Jahren derart zugeschlagen, hätten uns die Leute an den Pranger gestellt und das zu Recht. Jetzt können wir gar nicht anders handeln“, sagt Thomsen. An Straßen und Wegen gilt die Sicherungspflicht. Droht ein Baum instabil zu werden, muss er weg, bevor er Wanderern, Forstarbeitern oder vorbeifahrenden Autos zum Verhängnis wird.

Oben noch grün, unten schon trocken: eine totgeweihte Buche auf der Hainleite (Foto: Angelo Glashagel) Oben noch grün, unten schon trocken: eine totgeweihte Buche auf der Hainleite (Foto: Angelo Glashagel)

Oben noch grün, unten schon trocken. Wenn der Mai nicht nass und kalt wird, ist diese Buche wahrscheinlich nicht mehr zu retten

Und bei der Buche geht es schnell. Sehr schnell. Auch den Nadelbäumen hat die Hitze der vergangenen beiden Jahre schwer zugesetzt. Doch anders als bei den Buchen kann eine ausgetrocknete und abgestorbene Fichte noch ein bis zwei Jahren stehen bleiben, ehe sie gefährlich wird. Bei der Buche dauert es nur Monate bis das brüchige Holz in den Wipfeln zum Problem wird.

Forstamtsleiter Gerd Thomsen (Foto: Angelo Glashagel) Forstamtsleiter Gerd Thomsen (Foto: Angelo Glashagel)

„Wir hatten hier wunderschöne, dicke Buchen die mit 140 Jahren ihrem Lebensende noch lange nicht nahe waren. Die sind jetzt tot. Die Arbeit und Pflege von mehreren Jahrzehnten wurde in zwei Jahren zunichte gemacht“ berichtet Thomsen. Seit 2018 hat das Forstamt keinen regulären Holzeinschlag mehr durchgeführt, stattdessen hieß die dringlichste Aufgabe: Katastrophenbewältigung. Auf der Hainleite musste der Wald an einigen Stellen so stark gelichtet werden, das der Waldboden jetzt mit dichtem Gras bewachsen ist.

Exponentielles Wachstum
Die Buchen gehen durch die Trockenheit direkt zu Grunde, die Fichten fallen dem Borkenkäfer zum Opfer. Beide Baumarten machen rund 70% des Bestandes im Landkreis aus.

In einem normalen Jahr muss man sich mit ein bis zwei Generationen der Käfer abfinden, führt der Forstamstleiter aus. In einem normalen Jahr ist das für die Fichten kein größeres Problem. Befallene Bäume versuchen sich mit Harz zu wehren, töten die Invasoren mit dem klebrigen Baumsaft. Ein Fichtenstamm voller Harztropfen war bis dato ein untrügliches Zeichen, dass der Borkenkäfer hier am Werke war, doch dieses Bild bietet sich heute kaum noch. Die Bäume haben schlicht nicht genug Wasser um Harz produzieren zu können und der Ansturm der Käfer ging in den vergangenen beiden Jahren über das normale Maß hinaus. „Statt ein oder zwei Generationen sind drei Generationen geflogen, früher und länger als üblich. In diesem Jahr ging es noch einmal eine Woche früher los, der Schwarmflug begann kurz vor Ostern und schon im Jahr davor war der Borkenkäfer früh dran.“

Die Gänge des Borkenkäfers sind unter der Rinde deutlich zu erkennen (Foto: Angelo Glashagel) Die Gänge des Borkenkäfers sind unter der Rinde deutlich zu erkennen (Foto: Angelo Glashagel)

In den Monitoring-Fallen der Förster, schwarze, mit Lockstoffen gefüllte Kästen, die in die Bäume gehängt werden, kamen in etwa doppelt so viele gefangene Käfer zusammen wie sonst. Das Problem wächst exponentiell: bei ein bis zwei Generationen sind die Zahlen noch überschaubar, bei einer dritten Generation steigt die Kurve steil an. Ein einzelnes Tier kann es dann auf bis zu 160.000 Nachkommen in einem Jahr bringen, ein einzelner, befallener Baum wird zur Heimstatt für rund eine Milliarde Käfer, die weitere, geschwächte Fichten befallen.

Nur noch Kalamität
Die Forstarbeiter kommen mit der Bewältigung der Folgen kaum noch hinterher. „Kalamitäten wohin man blickt“, sagt Thomsen, „im Vergleich zur Trockenheit der letzten beiden Jahre waren Wetterereignisse wie das Sturmtief Frederike im Nachhinein eine Klacks für uns. So etwas wie die letzten beiden Sommer hat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch niemand erlebt und im Moment sieht es so aus, als würde es 2020 so weitergehen.“

Man wisse, dass sich im Wald etwas ändern müsse, und das schon seit Jahrzehnten. Man war nicht untätig, im Gegenteil. Der „Waldumbau“ sollte wegführen von der instabilen Fichte und radikalem Kahlschlag hinzu mehr Laubbäumen. Laubbäumen wie der Buche, die in Deutschland eigentlich optimale Bedingungen vorfinden sollte. Eigentlich. „Das der Wandel jetzt so schnell kommt, das hat alle überrascht.“, sagt der Forstamtsleiter.

Rechts noch grün und saftig, links bereits braun und ausgetrocknet (Foto: Angelo Glashagel) Rechts noch grün und saftig, links bereits braun und ausgetrocknet (Foto: Angelo Glashagel)

Probenschnitt an einer Buche: rechts ist der Baum noch saftig und grün, auf der linken Seite beginnt die Pflanze bereits auszutrocknen

Die aktuelle Entwicklung macht nicht viel Hoffnung. Nachdem es im Februar gut geregnet hatte, blieben die Niederschläge seit Mitte März auf Wochen hin nahezu aus. Ein Schauer hier und da hilft vielleicht dem Ackerbauern, für die Wälder reicht es nicht, die Feuchtigkeit verdunstet zu schnell und kann nicht in tiefere Erdschichten vordringen. „Es steht und fällt mit dem Mai.“, meint Thomsen, anhaltend nass und kalt muss es werden, wenn man hoffen will, dass die Katastrophe nicht in ihr drittes Jahr geht.

Wie geht es weiter im Wald?
Um das Ökosystem Wald macht sich der Förster keine Sorgen, „der Wald wird Wald bleiben.“, sagt er. Arten, die den neuen Bedingungen nicht gewachsen sind, werden durch andere, resistentere Pflanzen verdrängt. Aber das dauert seine Zeit, ein paar hundert Jahre mindestens. Die eigentliche Frage sei, wie sich die natürliche Entwicklung zu den Ansprüchen des Menschen verhält. „Nehmen Sie den Schwarmspinner über den gerade viel diskutiert wird. Der richtet auch 200 Jahre alte Eichen dahin. Nun kann man die Natur natürlich machen lassen. Der Eichenwald ist dann halt erst einmal weg. Die Frage ist, ob die Menschen das wirklich wollen.“

Der natürliche Erneuerungsprozess der Wälder lässt sich kaum mit dem Erfahrungshorizont vergleichsweise kurzlebiger Menschen in Einklang bringen. Gibt man den Forst heute auf, und verzichtet auf das Naherholungsgebiet, damit die Menschen in 300 Jahren wieder durch dichte Wälder spazieren können? Verzichtet man auf das Wirtschaftsgebiet Wald? Das läge nicht „unserer“ Natur. Eichenwälder wurden schon im Mittelalter angelegt, nicht nur des Holzes wegen, sondern auch um Schweineherden ohne viel Aufhebens ernähren zu können. Die großen Fichtenbestände, die heute das Bild des Südharzes prägen, sind auch eine Folge des Industriezeitalters und seines Rohstoffhungers. Zivilisation und Waldwirtschaft gingen schon immer Hand in Hand, mal besser und mal schlechter.

Dem Förster schweben andere Lösungen, langfristige Lösungen vor. Von radikalen Handlungen hält er nichts, an überhastete, großflächige Wiederaufforstung sei nicht zu denken. Niemand könne heute sagen wie sich die Situation in 40 oder 50 Jahren entwickele, deswegen sollte man jetzt behutsam und planvoll handeln um das „Waldklima“ zu erhalten. Dort wo es geht, sollte man der Natur ihren Lauf lassen, aber dabei auch ein Ziel vor Augen haben, das sich mit den menschlichen Ansprüchen an den Wald vereinen lässt.

Im nächsten Frühjahr werde man sehen, was im Schatten der Überlebenden von Natur aus wächst und dann an den Stellen ergänzen, an denen sich keine neuer Bewuchs durchsetzt. Statt Fichte und Buche werde man in Zukunft anderen, resistenteren Arten den Vorzug lassen. Ahorn, Eiche, Elsbeere und Eschen kommen besser mit der Trockenheit zurecht. Und Thomsens Blick geht auch in die Ferne: in Ländern wie Rumänien gibt es zum Beispiel Buchenbestände, die mit Umweltbedingungen wie wir sie jetzt erleben, klar kommen, Bestände, die man auch im Südharz ansiedeln könnte.

Die Situation ist dramatisch und auch die scheinbar üppigen Regenfälle der letzten Tage sind bis jetzt nur ein Tropfen auf den sprichwörtlichen heißen Stein. Für die kommenden Tage sind bereits steigende Temperaturen und weniger Niederschläge angesagt. Die Förster werden also weiter mit Sorge auf den Wetterbericht blicken. Die gute Nachricht: auch wenn es uns der nächste Jahrhundertsommer ins Haus stehen sollte, ist mit „australischen Zuständen“ nicht zu rechnen. Die Waldbrandgefahr steigt zwar mit der Trockenheit und seit 2018 hat man mehr Brände registriert, großflächige Brände sind aber in von Laubwäldern dominierten Regionen nicht zu erwarten.

Einen breiteren Überblick über die Situation gibt der Waldzustandsbericht des ThüringenForstes.
Autor: red

Kommentare
Marcus Gerlach
04.05.2020, 17.30 Uhr
Gott sei Dank.....
....mal etwas anderes als Corona. Als Kleingärter hat man auch zu Kämpfen mit der Trockenheit. Die letzten 3,4 Tage haben wir allerdings einiges an Wasser zugeteilt bekommen. Ich hoffe auf einen Klatschnassen Mai und einen verregneten Sommer der die Flüssigkeitsressourcen von Mutter Erde wieder auffüllen wird. Ansonsten können wir demnächst unsere Masken nicht mehr waschen da wir kein Wasser haben.

Guter und Interessanter Artikel
N. Baxter
04.05.2020, 18.21 Uhr
Stirbt der Wald, stirbt
auch der Mensch!

Drohende Umweltzerstörung sollte uns weit mehr Sorgen bereiten als Viren.
Thüringen-Mann
04.05.2020, 18.30 Uhr
Dürrejahr begonnen?
Da kann auch keine Greta Thunberg etwas tun gegegen !!!
So isses halt mal auf unseren Globus,gute zeiten schlechte zeiten :-)
Paulinchen
04.05.2020, 22.36 Uhr
Leider ist offensichtlich,...
...das Schicksal für unseren Harzwald schon besiegelt. Viel wichtiger ist jetzt der Schutz, der unmittelbaren Ortschaften im Harz. Der Chef der Feuerwehr des Landesverbandes Sachsen Anhalt, ließ offiziell wissen, wenn zum Beispiel im Bereich des Brocken s ein Waldbrand ausbrechen sollte, dann kann die Feuerwehr nichts mehr tun. Das Unterholz verhindert das Einfahren der Fahrzeuge und die stehenden, vertrockneten Bäume sind eine zu große Gefahr für seine Kameraden. Sie würden tatsächlich verheizt.
Seiner Einschätzung nach, müssten mindestens vier Lösch -Helikopter zum Einsatz kommen,aber die stehen bis jetzt nicht zur Verfügung. Er sieht hier eine gigantische Gefahr für die Bevölkerung der angrenzenden Ortschaften.

Welche Vorkehrungen wurden für den Super-GAU im und mit dem Harzwald bis jetzt schon getroffen? Ein kontrolliertes Abbrennen scheint es wohl nicht zu geben. Woher könnten die Lösch-Helikopter kommen? Darauf bekam er noch keine Antwort. Der Feuerwehrchef spricht von einem Funken, oder einer Unachtsamkeit die/
der diese Katastrophe auslösen könnte. Dann verbrennen auch die Schilder " National Park". Soll der Harz tatsächlich so " verschwinden" und die beschaulichen Ortschaften ebenfalls?
Wolfi65
05.05.2020, 11.07 Uhr
Ja, so wird es kommen
Die Harzbahn mit Volldampf ein paar mal den Brocken hoch und wieder runter, dann klappt es dann auch irgendwann mit einem richtigen Waldbrand.
Alles ist da oben abgestorben.
Was der Borkenkäfer nicht schafft, schaffen dann die Flammen.
Und irgendwann kommt unter der Asche wieder frisches Grün durch.
In hundert Jahren sieht der Wald dann wieder so aus, wie er vor der großen Trockenheit war.
Die Natur hilft sich schon selbst, wenn da nicht immer der Faktor Mensch wäre.
Aber ich will ja jetzt nicht eine Spezies kritisieren, zu der ich mich selbst zähle.
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