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Mi, 15:31 Uhr
18.03.2020
nnz-Betrachtung

Alles nur Panikmache?

Schulen und Kindergärten zu, Geschäfte, Bars, Clubs, Theater und Kinos dicht - das öffentliche Leben in Deutschland kommt zum Stillstand. Alles nur Panikmache? Alles nicht schlimmer als die saisonale Grippe? Wer verstehen will warum sich die Ereignisse derart überschlagen, der muss exponentielles Wachstum und die Herausforderung für das Gesundheitssystem verstehen…

SARS-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2, Isolat SARS-CoV-2/Italy-INMI1). Elektronenmikroskopie, Negativkontrastierung (PTA). Maßstab: 100 nm (Foto: Robert Koch-Institut) SARS-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2, Isolat SARS-CoV-2/Italy-INMI1). Elektronenmikroskopie, Negativkontrastierung (PTA). Maßstab: 100 nm (Foto: Robert Koch-Institut)

Sars-Cov-2 unter dem Elektronenrastermikroskop. Quelle: Robert Koch-Institut, SARS-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2, Isolat SARS-CoV-2/Italy-INMI1). Elektronenmikroskopie, Negativkontrastierung (PTA). Maßstab: 100 nm.

Das Corona-Virus breitet sich rasant aus. Europaweit werden die Maßnahmen zur Eindämmung des Erregers von Tag zu Tag umfangreicher. Aber sind die drastischen Maßnahmen wirklich notwendig? Bis auf ein paar vereinzelte Stimmen scheint in dieser Frage Konsens zu herrschen und die Antwortet lautet fast unisono: Ja.

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Das liegt nicht daran das „Sars-Cov-2“ (die inzwischen gängige Bezeichnung für den Erreger aus der vielfältigen Familie der Corona-Viren) eine besonders hohe Sterblichkeitsrate unter Infizierten aufweist. Die Risikogruppen, für die COVID-19 (der Begriff für die vom Virus verursachte Erkrankung) besonders gefährlich ist, sind inzwischen allgemein bekannt und sollten ohnehin besondere Vorsicht walten lassen.

Das Problem rund um „Corona“ ist vielmehr die hohe Ansteckungsrate und die damit verbundene rasante Ausbreitung. Etwa 80% der Infizierten, so die Schätzungen, zeigen wenige bis keine Symptome, können den Virus aber weiter verbreiten. Wer sich eine Grippe eingefangen hat, merkt das in der Regel schnell und wird von der Krankheit zügig gezwungen, das Bett zu hüten. In Sachen Corona führt der vielfach milde Verlauf und die hohe Ansteckungsquote zu einem erheblichen Risiko für die übrigen 20%, insbesondere die Risikogruppen.

Wer die Ausbreitung und die nun getroffenen Maßnahmen verstehen will, muss das Prinzip des exponentiellen Wachstums nachvollziehen können. Aus zwei mach vier, aus vier mach acht, aus acht mach sechzehn und so weiter. Eigentlich ganz einfach. Solange man sich im unteren Zahlenbereich bewegt, bleibt das mathematische Prinzip nachvollziehbar. Schwieriger wird es, wenn man die Reihe weiter führen muss.

Zum Verständnis hilft ein altes Gleichnis. In Indien soll einst ein Mann Namens „Sessa“ das Schachspiel erfunden haben. Zur Belohnung wollte ihm der Herrscher Shihram jeden Wunsch erfüllen. Sessa erbittet sich von seinem Herrn eine bestimmte Menge Reis, die über die Felder des Schachbretts bestimmt werden soll. Auf das erste Feld solle ein Korn gelegt werden, auf das zweite die doppelte Menge, also zwei Körner, auf das dritte wiederum die doppelte Menge, also vier, und so weiter. Auf dem zehnten Feld kämen demnach bereits 512 Körner zusammen, auf dem letzten, dem 64. Feld, wären es 18.446.744.073.709.551.615., also rund 18,45 Trillionen.

Zurück zum aktuellen Staatsfeind Nummer eins, unserem Virus. Aktuell wird davon ausgegangen, das jeder Infizierte zwei bis drei weitere Personen ansteckt, die dann wieder jeweils zwei bis drei Personen anstecken und so weiter. Eine exponentielle Funktion. Wird diese Kette nicht unterbrochen, ergibt sich mathematisch eine ähnliche steile Kurve, wie im Schach-Beispiel. Da aber die Mehrzahl der Infizierten kaum Symptome zeigt, und lange als Träger des Virus unterwegs sein können, ohne etwas zu merken, ist der Ausbreitung mit normalen Mitteln nicht beizukommen.

Warum aber dem Virus nicht einfach seinen Lauf lassen? In Großbritannien wollte man eben das tun, führende Gesundheitsexperten und Berater der Regierung sprachen von einer „Herdenimmunität“ die man schaffen müsse, das öffentliche Leben sollte möglichst so weiter laufen wie bisher. Auch in Deutschland sind solche Stimmen vereinzelt zu hören.

Nur wird dabei vergessen das die Gesundheitssysteme, hierzulande wie auch und gerade auf der Insel, für eine exponentielle Verbreitung der Erkrankung nicht im mindesten ausgelegt sind. Mit der Zahl der Infizierten steigt zwangsweise auch die Zahl der schweren Krankheitsverläufe, die intensivmedizinisch im Krankenhaus behandelt werden müssen. Behandlungsräume, Technik und das nötige Personal sind aber keine unendlich verfügbare Ressource und werden auch in „normalen“ Zeiten beansprucht. Eine Aufstockung lässt sich nicht einfach aus dem Hut zaubern.

Ließe man dem Virus freien Lauf, würde das Gesundheitssystem über kurz oder lang kollabieren. Zu den Toten durch das Corona-Virus kämen dann diejenigen, die wegen der starken Beanspruchung des Systems durch die Epidemie keine adäquate Behandlung mehr erhalten. Zusätzlich würde sich auch das Ansteckungsrisiko für das medizinische Fachpersonal erhöhen, was den Kollaps nur beschleunigen würde. Wenn reihenweise Hausärzte ausfallen, hilft ihnen auch bald keiner mehr die einfache Grippe in den Griff zu bekommen (von schweren Erkrankungen ganz zu schweigen), weil die verbliebenen Praxen unter der Last auch zusammenbrechen. Wer stellt die Oma auf ihre Medikamente ein, wenn das System zusammenbricht? Wer impft den Nachwuchs gegen Kinderkrankheiten? Wer behandelt das Unfallopfer, wenn alle Stationen überlastet sind?

Bis es effektive medizinische Mittel in Form von Medikamenten und Impfstoffen gibt, die das Virus bekämpfen können, bleibt nichts anderes übrig als die Kette der Ansteckungen zu unterbrechen. Und das wird nur funktionieren, wenn möglichst viele Menschen mitmachen und sich an die Regeln halten. Abstand wahren, soziale Kontakte einschränken, regelmäßiges, gründliches und anhaltendes Händewaschen mit Wasser und Seife - das sind im Moment die besten Mittel. Nicht um den Virus zu stoppen, sondern um ihn zu verlangsamen und so das Gesundheitssystem am laufen zu halten.

Nun gibt es in Thüringen aktuell nur wenige bestätigte Fälle. Wieviele Menschen sich abseits dessen inzwischen mit dem Virus infiziert haben könnten, kann niemand wissen, denn die „Risikoregionen“ befinden sich längst nicht mehr nur außerhalb der Landesgrenzen. Oder, wie es die Nordhäuser Amtsärztin Ingrid Francke gestern zur Lagebesprechung im Landratsamt ausdrückte: für andere Länder sind wir jetzt das Risikogebiet.

Grund zur Panik besteht dennoch nicht und die getroffenen Maßnahmen sind auch, wie hoffentlich dargelegt werden konnte, keine „Panikmache“. Corona mag die erste, große Pandemie des 21. Jahrhunderts sein, aber es ist nicht Pest, Pocken und Cholera im Mittelalter. Den meisten Menschen wird es gut gehen. Damit auch die Mitmenschen, die es härter treffen wird und diejenigen, die aus anderen Gründe auf Krankenhäuser, Ärzte und Pfleger angewiesen sind, eine Chance haben gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden, sollte sich jeder, auch die Berufsskeptiker, an die ausgemachten Regeln halten. Jeder kann jetzt nach seinen Möglichkeiten verantwortungsvoll handeln. Für sich selbst, die eigene Familie und die Mitmenschen in Nah und Fern.
Angelo Glashagel
Autor: red

Kommentare
Kama99
18.03.2020, 15.48 Uhr
Sicher ist...
...alles nur Panikmache. Der Großhandel hat über Jahre Klopapier und Nudeln gehortet, das muß jetzt endlich mal raus. ,-)
hatschibenoma
18.03.2020, 16.06 Uhr
Sehr
gut geschrieben, Herr Glashagel.
Strandläufer
18.03.2020, 16.10 Uhr
Testergebnisse
Einerseits wird das öffentliche Leben lahmgelegt und dann dauert es fast eine Woche bis das Ergebnis des Virusabstriches erfolgt...scheint jetzt ja nicht soooo wichtig zu sein.
Meine Freundin wartet jetzt 4 Tage...da jetzt auch bald Feierabend ist, werden es wohl 5 werden. Da kann man ruhig mal klatschen.
Norbert
18.03.2020, 17.02 Uhr
Hausarzt
@strandläufer Mal den Hausarzt nach dem Ergebnis gefragt, habe gehört dass der es bekommen soll.
tannhäuser
18.03.2020, 17.22 Uhr
Wie immer...
...ein echter unverwechselbarer Angelo Glashagel in Top Form! Sehr gut geschrieben!
Leser X
18.03.2020, 17.47 Uhr
Schließe mich an
Hoffentlich haben es die Vertreter der Spaßgesellschaft auch verstanden.
Paulinchen
18.03.2020, 17.48 Uhr
Was mich wundert,...
... dass unsere Jugend, in recht großer Zahl, derzeit sich auf den Straßen und in den noch geöffneten Geschäften aufhält. War da nicht mal die Rede von Selbststudium?

Unsere Berufssportler beklagen ihren Lohnausfall, da fast alle Sportarten ruhen müssen. Im Gegensatz zu den Bauern, welche jede Menge Arbeitskräfte zur bevorstehenden Spargelernte und zu pflanzen von Salat auf den Feldern suchen. Denn mit den billigen Erntehelfern wird es in diesem Jahr eher nichts mehr. Wir hatten in den zurückliegenden Monaten jede Menge Niederschlag. Also ideale Bedingungen, zum pflanzen von jungen Bäumen im ausgedorrten Wald. Der Lebensmittelhandel sucht Hilfe, um die leeren Regale zu füllen.

Das wären doch Möglichkeiten, dass die Berufssportler sich gegen Bezahlung noch fit halten können. Wer seine Kräfte unentgeltlich zur Verfügung stellt, von dem wird sicher in der Presse ein Foto veröffentlicht. Also liebe Sportler, los geht's, mit der Klopapierrolle ein Video zu veröffentlichen, ist out, in ist jetzt sinnvolle Arbeit zu verrichten.
gosalianer
18.03.2020, 19.14 Uhr
Gut zusammengefasst, Herr Glashagel...
Doch leider ist der Solidaritätsgedanke, der momentan in den (sozialen) Medien und auch politisch konstruiert wird, nichts weiter als scheinheiliges Getue.

Natürlich stimmt es, dass ein verlangsamtes exponentielles Wachstum ('langsam' und 'exponentiell' sind im Übrigen nur schwer vereinbar) den Kollaps verhindern könnten, dennoch würde der "Ernstfall" sämtliche gutbürgerlichen Vorsätze schnell über Board werfen - und das ist die eigentliche Gefahr!

Es beginnt damit, dass, seit der letzten PK des Ministerpräsidenten, Kinder und Jugendliche als potentielle Träger des Virus angeprangert wurden. Das mag wissenschaftlich durchaus korrekt sein, aber es bringt auch die ersten Anfeindungen gegenüber Schülern und Kindergartenkindern, die sich in der Öffentlichkeit aufhalten, mit sich. Und dabei sprechen wir über eine Epidemie, die zumindest - momentan - noch eine gesellschaftlich zumutbare Letalität aufweist. Was, wenn Ihre Theorie eintrifft und der Kollaps tatsächlich Realität werden würde...

Aus der Geschichte wissen wir, zu was der Mensch im Überlebensmodus fähig ist. Dann reden wir nicht mehr über Toilettenpapier und Büchsenfraß. Hinter so manchem freundschaftlichem Händedruck, verbirgt sich auch manch scheußliche Gräueltat.

Meiner Ansicht nach, geht es längst nicht mehr darum, dem Krankheitsverlauf Einhalt zu gebieten um die Sterberaten zu verhindern, sondern darum, dass der Virus nicht die sowieso schon zu kurze Zündschnur der Bevölkerung ansteckt.

Ob dann dem LKW-Fahrer noch zugewunken oder der Verkäuferin ein Lächeln geschenkt wird, ist sehr fraglich... Klingt sowieso wie ein schlechter Wahlwerbespot.
Herr Taft
18.03.2020, 19.17 Uhr
Danke, Herr Glashagel...
...hoffentlich bewegt Ihr Artikel wenigstens einige, die das bisher nicht so erkannt haben (erkennen wollten) zum Umdenken. Dann hören vielleicht auch so sinnlose Vorschläge, wie etwa "Zwangsarbeit für Sportler" auf. Es gibt offenbar immer noch Menschen, die der Meinung sind, dass in unserem FREIEN Land, die Administration die Menschen einfach so zu etwas verdonnern kann - ewig gestrig, nicht anpassungsfähig und .... das verkneif ich mir lieber.

Bei der Einhaltung der aktuellen Regeln geht es um Einsicht in die Notwendigkeit, Solidarität und Freiwilligkeit. Natürlich überwacht der Staat die Regeln, dort wo er kann. Es gibt Restriktionen und empfindliche Strafen für Zuwiderhandlungen von Quarantäne- oder Versammlungsvorschriften, für Verstöße gegen Schließungszeiten, u.ä. ...unsere Regierung vertraut auf die Intelligenz und das Verantwortungsbewusstsein von uns allen. Was wir gerade erleben ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Wenn wir alle die Ruhe bewahren und bei klarem Verstand bleiben (sofern vorhanden) werden wir das meistern. Ohne Häme mit vollem Ernst: Wir schaffen das ! - genauso, wie alles andere auch.
Micha123
18.03.2020, 20.12 Uhr
Krieg
Die meisten von uns haben es glücklicherweise nicht erlebt, den Krieg, welcher vor 75 Jahren endete. Wir kenne es nur aus Erzählungen von Eltern und Großeltern. Damals war alles zerstört, es gab kaum Krankenhäuser, es gab keinen Supermarkt mit einem Mega-Angebot, Betriebe, Firmen, Straßen, Wasser, Strom - fast alles war weg. Dazu Millionen Tote, Millionen Vertriebene usw.
Zum Glück ist dies heute nicht so aber wir befinden uns wieder im Krieg. Der Gegner ist unsichtbar und dies ist die Gefahr.
Die, die es vielleicht auf die leichte Schulter nehmen, die, die vielleicht kaum Symptome haben, wenn sie erkranken - trotzdem sind sie Überträger der Krankheit.
Und, wenn sie in wenigen Wochen einen Herzinfarkt haben oder einen Unfall, sie brauchen dringend medizinische Hilfe und es kommt keiner.. weil die Krankenhäuser Menschen behandeln, welche die Personen selbst angesteckt haben... dann werden sie hoffentlich die Gefahr erkennen.

Damals im Krieg mussten die Männer an die Front, sie wurden eingezogen und mussten ihr zuhause verlassen. Heute können sie zuhause auf der Couch bleiben, dies ist doch viel angenehmer.

Man kann nur an den gesunden Menschenverstand appellieren, vor allem an die Eltern, deren Kindern sich nun in Supermärkten oder Einkaufscentern sammeln, um etwas gegen ihre lange Weile zu unternehmen.

Die schöne, neue, moderne Welt gibt es jetzt nicht mehr! Damit sie schnell wieder kommt, so muss jeder Einsicht und vor allem Rücksicht haben.
Paulinchen
18.03.2020, 21.41 Uhr
Leider gibt es Egoisten,...
... da fällt einem nichts mehr ein. Ein Vater in Baden-Württemberg, bringt seinen Sohn in die Rehaklinik, wo transplantierte, krebserkrankte Kinder liegen. Er gibt seine Unterschrift unter den Fragebogen, ob er in den letzten Tagen in einem Risikogebiet gewesen ist. Alles beantwortet er mit NEIN. Doch dann kommt der Supergau. Er war dienslich im Kreis Heinsberg und weiß, dass er Coronavirus positiv getestet wurde.

Die Klinik wurde daraufhin geschlossen, die Kinder sind zum Teil zu Hause oder die schwer erkrankten in anderen Kliniken untergebracht. Die Klinik bekommt von der Versicherung keine Ausfallentschaedigung. Jetzt folgt die Klage gegen den Vater.

Etwas ähnliches ereignete sich im Wiener Klinikum, verursacht durch eine Ärztin und in einem Krankenhaus in Aosta. Letzterem Idioten drohen jetzt bis zu 12 Jahre Haft.
Otto23
18.03.2020, 23.29 Uhr
Bitte konsequent und thüringenweit
gleiches Handeln. Die OB's der kreisfreien Städte Erfurt, Jena, Gera, Weimar und Suhl haben weitergehende Vorschriften für jeweiligen Stadgebiete erlassen.
Dem muß man sich diskussionslos im Interesse der Allgemeinheit anschließen.
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