Do, 14:00 Uhr
27.02.2020
BUND kritisiert Strategiepapier
Generalangriff auf den Gips?
Acht Seiten Sprengkraft - der Naturschutzverband BUND stellte heute ein Strategiepapier der Gipsindustrie vor das weitreichende Erleichterungen im Abbau von Naturgips vorsieht und die nötigen rechtlichen Schritte auf Bundes- und Landesebene skizziert. Der Gipsdialog wird damit aus Sicht des BUND grundsätzlich in Frage gestellt…
Wenn der Kohleausstieg kommt, fällt auch die Produktion des sogenannten REA-Gipses weg, der als Nebenprodukt der Kohleverstromung entsteht. Der Bedarf müsse in Zukunft durch einen verstärkten Abbau von Naturgips gedeckt werden, argumentiert die Gipsindustrie und blase jetzt zum Frontalangriff auf den Gips.
So zumindest lässt sich das Strategiepapier aus Sicht des BUND verstehen, das seit Ende November vergangenen Jahres die Runde macht. Der Geschäftsführer des Thüringer Landesverbandes, Dr. Burkhard Vogel, sieht in dem achtseitigen Dokument ein "klassisches Lobbypapier". Skizziert werden Schritte und konkrete Formulierungsvorschläge auf Ebene von Bundes-, und Landesgesetzen.
Auf Bundesebene werden Änderungen am Bergrecht und dem Raumordnungsgesetz angeregt. Vorgeschlagen werden eine kontinuierliche Fortschreibung von Raumordnungsplänen sowie eine Soll-Verpflichtung für die Flächensicherung, außerdem die Möglichkeit von Mehrfachnutzungen, die Schaffung von Projektmanagern auf Verwaltungsebene und Veränderungen im Naturschutzrecht.
Reagiert man auf Bundesebene nicht wie gewünscht, bestehe auch die Möglichkeit, gleiche und ähnliche Maßnahmen auf Landesebene anzuschieben, da diese insbesondere in der Raumordnung nicht zwingend auf Vorgaben des Bundes angewiesen sind, heißt es in dem Papier. So könnten im Natur- und Landschaftsschutz "Öffnungsklauseln" für die Rohstoffsicherung aufgenommen werden. Denkbar wäre auch das verbindliche Inaussichtstellen zukünftigen Verwaltungshandelns.
Im Text finden sich konkrete Formulierungsvorschläge für Gesetzestexte. Eine eigenständige Vorschrift im Raumordnungsgesetz (ROG) könne demnach lauten:
Die Festlegung von Flächen für den Abbau von Gips sowie dessen Aufsuchung und Gewinnung dürfen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Entsprechende Flächensicherungen sind in den Raumordnugnsplänen der Länder als Ziele (Vorranggebiete ohne Eignungswirkung) auszuweisen und in den jeweiligen Fachgesetzen für die Zulassung von Vorhaben zu beachten
Mittelfristig müsse die Ausweisung von Vorrangflächen vollständig, flächenhaft, bedarfsunabhängig und langfristig erfolgen, langfristig soll eine umweltverträgliche Gewinnung von Naturgips in nicht-schutzwürdigen Teilbereichen von Schutzgebieten (z.B. FFH, Natura 2000, NSG) ermöglicht werden."
Werden die Vorschläge so umgesetzt, würde der Rohstoffabbau weitestgehend von Auflagen befreit und grenzenloser Raubbau möglich, befürchtet der Thüringer BUND-Chef, Dr. Vogel. Wenn Raumplanung und Vorranggebiete unabhängig vom eigentlichen Bedarf ausgewiesen werden, dann heißt das, dass alles frei geräumt werden soll. Wenn es möglich werde, Abbaugebiete ohne vorherige Prüfung verbindlich in Aussicht zu stellen, beraube sich der Staat seiner eigenen planerischen Möglichkeiten, kritisiert Vogel weiter, Umweltprüfungen wären dann nur noch ein Feigenblatt. Das Strategiepapier stellt kurzerhand jegliche gesellschaftlichen Regeln in Frage, die aufgestellt wurden, um den Einfluss des Gipsabbaus auf die Natur im Südharz zu minimieren, erklärt Heidi Schell, Vorsitzende des BUND Kreisverbandes Nordhausen. Besonders kritisch sehen wir die Forderung nach einer ‚bedarfsunabhängigen … Ausweisung von Gips-Rohstoffsicherungsflächen‘ in der Raumplanung. Das würde einer maßlosen Ausbeutung der Südharzer Gipskarstlandschaft Tür und Tor öffnen.
Das Papier sorge zudem dafür, das der Gipsdialog, der in den letzten Jahren in der Region angestoßen wurde, grundsätzlich in Frage gestellt werde. Die Existenz dieses Papiers hat uns tatsächlich überrascht. Wir hatten den Eindruck, dass es eine Einsicht in die Problematik gab, sagt Vogel, auch der Gipsindustrie müsse klar sein, dass der Rohstoff letztlich endlich sei. Man sei gut beraten, sich schon jetzt Gedanken zu dem zu erwartenden Strukturwandel zu machen und über Wege nachzudenken, die vom Abbau wegführen.
Basis des Dialogs sei es gewesen, gemeinsam Wege zu finden, den Rohstoffverbrauch zumindest zu reduzieren und für Ersatzstoffe zu sorgen. Der BUND sei sich nun nicht mehr sicher, ob diese Basis angesichts des geplanten Vorgehens nun überhaupt noch existiere. Das ist ein klassisches Lobbypapier, da sind langfristige Vorbereitungen, dahin soll der Weg gehen. Für die aktuelle Diskussion ist das fatal.
Der BUND stelle nicht die Notwendigkeit des Gipsabbaus in Frage, unterstreicht Vogel, wir wollen nicht von heute auf morgen alle Werke schließen. Der Abbau, der bereits jetzt erlaubt und gesellschaftlich gewollt ist, soll bestehen bleiben aber wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns dauerhaft vom Gips verabschieden.
Substantielle Vorschläge von Seiten der Gipsindustrie wie der Verbrauch von Naturgips reduziert werden könne, gebe es aus Sicht des BUND aktuell nicht. Erst wenn solche Vorschläge auf dem Tisch lägen, werde man die Gespräche von Seiten des BUND fortsetzen, einen ehrlichen Dialog sehe man im Moment nicht. Auch die Zusammenarbeit mit Institutionen wie der Nordhäuser Hochschule seien auf so einer Grundlage nicht mehr glaubwürdig.
Gänzlich abreißen lassen will man den Dialog indes nicht, es seien Gesprächstermine mit der Gipsindustrie anberaumt, so Vogel weiter. Und ein wenig ist man auch zum Optimismus verdammt. Uns bleibt nichts anderes übrig als an den Gipskompromiss zu glauben. Und die Tatsachen werden auch die Gipsindustrie früher oder später dahin zwingen, meint Heidi Schell. Ein Interesse am Gemeinwohl und am Erhalt der Lebensgrundlagen gebe es auf beiden Seiten, Ziel müsse es deswegen sein, Ressourcennutzung nachhaltig zu gestalten.
Frei von Widersprüchen ist die Position des BUND nicht, meint Lars Kothe, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Harzer Gipsunternehmen. Der BUND hat dem Kohleausstieg auf Bundesebene zugestimmt und damit auch eingewilligt, dass in Zukunft mehr Naturgips gefördert werden müsse. Das Papier fände in der alltäglichen Arbeit der Harzer Gipsunternehmen indes noch keinen Niederschlag und sei ihm im Detail nicht bekannt. Es sei aber notwendig und nachvollziehbar, dass man sich schon jetzt Gedanken über die Ausweisung von Abbaugebieten mache, da sich die planerischen Verfahren durchaus über zehn bis 15 Jahre hinziehen könnten. Wolle man die entstehende Bedarfslücke decken, müssten Wege gefunden werden, diese Verfahren zu beschleunigen, so Kothe.
Wer sich das Strategiepapier in Gänze durchlesen möchte, der findet die Ausführungen hier oder, öffentlich zugänglich, auf der Seite des Bundesverbandes der Gipsindustrie.
Angelo Glashagel
Autor: red
Gipsabbau im Südharz (Foto: Google Maps, GeoBasis DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies Kartendaten )
Wenn der Kohleausstieg kommt, fällt auch die Produktion des sogenannten REA-Gipses weg, der als Nebenprodukt der Kohleverstromung entsteht. Der Bedarf müsse in Zukunft durch einen verstärkten Abbau von Naturgips gedeckt werden, argumentiert die Gipsindustrie und blase jetzt zum Frontalangriff auf den Gips.
So zumindest lässt sich das Strategiepapier aus Sicht des BUND verstehen, das seit Ende November vergangenen Jahres die Runde macht. Der Geschäftsführer des Thüringer Landesverbandes, Dr. Burkhard Vogel, sieht in dem achtseitigen Dokument ein "klassisches Lobbypapier". Skizziert werden Schritte und konkrete Formulierungsvorschläge auf Ebene von Bundes-, und Landesgesetzen.
Auf Bundesebene werden Änderungen am Bergrecht und dem Raumordnungsgesetz angeregt. Vorgeschlagen werden eine kontinuierliche Fortschreibung von Raumordnungsplänen sowie eine Soll-Verpflichtung für die Flächensicherung, außerdem die Möglichkeit von Mehrfachnutzungen, die Schaffung von Projektmanagern auf Verwaltungsebene und Veränderungen im Naturschutzrecht.
Reagiert man auf Bundesebene nicht wie gewünscht, bestehe auch die Möglichkeit, gleiche und ähnliche Maßnahmen auf Landesebene anzuschieben, da diese insbesondere in der Raumordnung nicht zwingend auf Vorgaben des Bundes angewiesen sind, heißt es in dem Papier. So könnten im Natur- und Landschaftsschutz "Öffnungsklauseln" für die Rohstoffsicherung aufgenommen werden. Denkbar wäre auch das verbindliche Inaussichtstellen zukünftigen Verwaltungshandelns.
Im Text finden sich konkrete Formulierungsvorschläge für Gesetzestexte. Eine eigenständige Vorschrift im Raumordnungsgesetz (ROG) könne demnach lauten:
Die Festlegung von Flächen für den Abbau von Gips sowie dessen Aufsuchung und Gewinnung dürfen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Entsprechende Flächensicherungen sind in den Raumordnugnsplänen der Länder als Ziele (Vorranggebiete ohne Eignungswirkung) auszuweisen und in den jeweiligen Fachgesetzen für die Zulassung von Vorhaben zu beachten
Mittelfristig müsse die Ausweisung von Vorrangflächen vollständig, flächenhaft, bedarfsunabhängig und langfristig erfolgen, langfristig soll eine umweltverträgliche Gewinnung von Naturgips in nicht-schutzwürdigen Teilbereichen von Schutzgebieten (z.B. FFH, Natura 2000, NSG) ermöglicht werden."
Werden die Vorschläge so umgesetzt, würde der Rohstoffabbau weitestgehend von Auflagen befreit und grenzenloser Raubbau möglich, befürchtet der Thüringer BUND-Chef, Dr. Vogel. Wenn Raumplanung und Vorranggebiete unabhängig vom eigentlichen Bedarf ausgewiesen werden, dann heißt das, dass alles frei geräumt werden soll. Wenn es möglich werde, Abbaugebiete ohne vorherige Prüfung verbindlich in Aussicht zu stellen, beraube sich der Staat seiner eigenen planerischen Möglichkeiten, kritisiert Vogel weiter, Umweltprüfungen wären dann nur noch ein Feigenblatt. Das Strategiepapier stellt kurzerhand jegliche gesellschaftlichen Regeln in Frage, die aufgestellt wurden, um den Einfluss des Gipsabbaus auf die Natur im Südharz zu minimieren, erklärt Heidi Schell, Vorsitzende des BUND Kreisverbandes Nordhausen. Besonders kritisch sehen wir die Forderung nach einer ‚bedarfsunabhängigen … Ausweisung von Gips-Rohstoffsicherungsflächen‘ in der Raumplanung. Das würde einer maßlosen Ausbeutung der Südharzer Gipskarstlandschaft Tür und Tor öffnen.
Das Papier sorge zudem dafür, das der Gipsdialog, der in den letzten Jahren in der Region angestoßen wurde, grundsätzlich in Frage gestellt werde. Die Existenz dieses Papiers hat uns tatsächlich überrascht. Wir hatten den Eindruck, dass es eine Einsicht in die Problematik gab, sagt Vogel, auch der Gipsindustrie müsse klar sein, dass der Rohstoff letztlich endlich sei. Man sei gut beraten, sich schon jetzt Gedanken zu dem zu erwartenden Strukturwandel zu machen und über Wege nachzudenken, die vom Abbau wegführen.
Basis des Dialogs sei es gewesen, gemeinsam Wege zu finden, den Rohstoffverbrauch zumindest zu reduzieren und für Ersatzstoffe zu sorgen. Der BUND sei sich nun nicht mehr sicher, ob diese Basis angesichts des geplanten Vorgehens nun überhaupt noch existiere. Das ist ein klassisches Lobbypapier, da sind langfristige Vorbereitungen, dahin soll der Weg gehen. Für die aktuelle Diskussion ist das fatal.
Der BUND stelle nicht die Notwendigkeit des Gipsabbaus in Frage, unterstreicht Vogel, wir wollen nicht von heute auf morgen alle Werke schließen. Der Abbau, der bereits jetzt erlaubt und gesellschaftlich gewollt ist, soll bestehen bleiben aber wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns dauerhaft vom Gips verabschieden.
Substantielle Vorschläge von Seiten der Gipsindustrie wie der Verbrauch von Naturgips reduziert werden könne, gebe es aus Sicht des BUND aktuell nicht. Erst wenn solche Vorschläge auf dem Tisch lägen, werde man die Gespräche von Seiten des BUND fortsetzen, einen ehrlichen Dialog sehe man im Moment nicht. Auch die Zusammenarbeit mit Institutionen wie der Nordhäuser Hochschule seien auf so einer Grundlage nicht mehr glaubwürdig.
Gänzlich abreißen lassen will man den Dialog indes nicht, es seien Gesprächstermine mit der Gipsindustrie anberaumt, so Vogel weiter. Und ein wenig ist man auch zum Optimismus verdammt. Uns bleibt nichts anderes übrig als an den Gipskompromiss zu glauben. Und die Tatsachen werden auch die Gipsindustrie früher oder später dahin zwingen, meint Heidi Schell. Ein Interesse am Gemeinwohl und am Erhalt der Lebensgrundlagen gebe es auf beiden Seiten, Ziel müsse es deswegen sein, Ressourcennutzung nachhaltig zu gestalten.
Frei von Widersprüchen ist die Position des BUND nicht, meint Lars Kothe, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Harzer Gipsunternehmen. Der BUND hat dem Kohleausstieg auf Bundesebene zugestimmt und damit auch eingewilligt, dass in Zukunft mehr Naturgips gefördert werden müsse. Das Papier fände in der alltäglichen Arbeit der Harzer Gipsunternehmen indes noch keinen Niederschlag und sei ihm im Detail nicht bekannt. Es sei aber notwendig und nachvollziehbar, dass man sich schon jetzt Gedanken über die Ausweisung von Abbaugebieten mache, da sich die planerischen Verfahren durchaus über zehn bis 15 Jahre hinziehen könnten. Wolle man die entstehende Bedarfslücke decken, müssten Wege gefunden werden, diese Verfahren zu beschleunigen, so Kothe.
Wer sich das Strategiepapier in Gänze durchlesen möchte, der findet die Ausführungen hier oder, öffentlich zugänglich, auf der Seite des Bundesverbandes der Gipsindustrie.
Angelo Glashagel
Kommentare
Gudrun1974
27.02.2020, 14.29 Uhr
BUND reagiert professionell
Das ist eine professionelle Reaktion auf das Papier der Gipsindustrie. Konsequent in der Sache, schnell die kritischen Punkte erkannt, aber trotzdem noch Gesprächsbereit und nicht auf Teufel komm raus auf Arbeitsplatzvernichtung aus.
Gut so, BUND.
Gut so, BUND.
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geloescht.20240214
27.02.2020, 19.23 Uhr
Was Sie wollen
Die kriegen doch eh in den nächsten 100 Jahren jeden Gramm gips abgebaut. Lobby sei Dank. Jetzt schon mit Gesetzesänderung. Gut. Dann sollte auch mal die zu leistende Abgabe pro Tonne dynamisiert werden und nicht im Landeshaushalt sondern direkt an die betroffenen Orte - nicht landgemeinden - bezahlt werden. Übrigens hat der hauptschuldige nicht mal drei Tage Dschungelcamp geschafft. Zuletzt! Findet man auf dem Acker in drei Meter Tiefe eine Bombe -siehe Hesserode - hat der Eigentümer die A -Karte. Findet man in drei Meter Tiefe Gips? Schönen Abend noch.
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