Fr, 15:00 Uhr
06.09.2019
DDR-Fotoausstellung in der Flohburg
Panorama einer vergangenen Zeit
MuFoTi und Bastteppich, Mitbringsel aus dem sozialistischen Ausland, die schicke neue Schrankwand und zwischendrin Menschen, Familien, jung und alt aus allen Lebenslagen. In der Flohburg kann man seit gestern einen sehr persönlichen Blick in die jüngere Vergangenheit und die Wohnzimmer der Ostdeutschen werfen...
Als spätgeborener DDR-Bürger ist die Alltagsrealität der letzten Jahre vor der Wende nicht viel mehr als vage und verschwommene Erinnerung. Manche Kleinigkeit brennt sich dennoch fest ein - der Kachelofen in der guten Stube, gemeinsame Abende auf dem Sofa, Opas gesammelte Bierhumpen - und manches alte Artefakt findet man bis heute in den Schränken des Elternhauses.
Eine kleine Auffrischung wie es in den Wohnzimmern der 70er und 80er Jahre und kurz nach der Wende aussah, bietet seit gestern das stadthistorische Museum Flohburg. Gezeigt werden Bilder des DDR-Fotografen Christian Borchert. Zwischen 1974 und 1994 besuchte Borchert über 130 Familien im ganzen Land und lichtet sie in ihrer heimischen Umgebung ab. Nichts ist gestellt, der ruhige Fotograf lässt sich und seinen Motiven Zeit, er verstellt und verschiebt nicht, lässt die Familien selber entscheiden, wie sie sich präsentieren wollen. "Borcherts Fotografien verzichten auf Übertreibungen oder Effekte, er zeigt Menschen ohne Maske", erzählte gestern Christiane Meinhardt. Die Journalistin hat während ihrer Zeit bei einem Berliner Verlag viel mit den Hauptstadt-Fotografen gearbeitet und stieß so auch auf Borchert. den sie zwar nie kennen gelernt aber umso mehr zu schätzen gelernt hat. Je öfter sie sich die Bilder ansehe, desto mehr gingen sie ihr zu Herzen.
Kuratorin Christiane Meinhardt vor ihrem Lieblingsbild (Foto: Angelo Glashagel) Herausgekommen sind eindringliche Zeitdokumente von Menschen verschiedenster Coleur. "Ausschnitte der Wirklichkeit", nennt Kuratorin Meinhardt das. Da ist der Ingenieur, der sich im Kreise der Familie als Indianerhäuptling inszeniert, die Raumpflegerin und der Dispatcher, die sich ihr Wohnzimmer mit Grünpflanzen und allerlei Dekor zu eigen gemacht haben, der Töpfer im schlichten Altbau, die Friseuse, der Schriftsteller, die Lehrerin, das Studentenpaar, der Fleischer, ein BSMR-Techniker, zwei Melker und viele mehr. Manchen "Charakter" und manchen Lebensentwurf, so lassen einige Bilder vermuten, würde man heute wohl auch noch so finden, ohne große Unterschiede festzustellen. Bürgermeisterin Jutta Krauth, die zu der Zeit als die Fotos entstanden, noch nicht im Osten lebte, berichtet das einige diese "Panoramen einer vergangenen Zeit" so auch in ihrer Heimat entstanden sein könnten.
Wenn man die Unterschiede nicht auf den ersten Blick erkenne, sei das ein Grund zur Freude, sagt Kuratorin Meinhardt, "die Menschen waren nicht so sehr viel anders, egal ob auf dem Dorf oder in der Stadt, ob in West oder Ost". Der Verdienst Borcherts sei der, das man den Menschen auf seinen Bildern ins Antlitz blicken und ihren Stolz und ihr Selbstbewusstsein, manchmal auch ihre Sorgen sehen könne.
Die Ausstellung in der Flohburg, die noch bis zum 30. November zu sehen sein wird, ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Renaissance Borcherts, der in Zusammenarbeit mit der Deutschen Fotothek erstellt wurde. In Dresden, wo der über 1000 Bilder umfassende fotografische Nachlass des Fotografen aufbewahrt wird, plant man für den kommenden Herbst eine große Retrospektive. Die Schau in Nordhausen nimmt sich mit ihren 40 Bildern deutlich bescheidener aus, der Blick in die Stuben der 70er, 80er und 90er lohnt aber dennoch einen Besuch des Museums. Auch wenn die Erinnerung nur eine verschwommene ist.
Angelo Glashagel
Autor: red
In den Wohnzimmern Ostdeutschlands - Fotoausstellung in der Flohburg (Foto: Deutsche Fotothek, Christian Borchert)
Als spätgeborener DDR-Bürger ist die Alltagsrealität der letzten Jahre vor der Wende nicht viel mehr als vage und verschwommene Erinnerung. Manche Kleinigkeit brennt sich dennoch fest ein - der Kachelofen in der guten Stube, gemeinsame Abende auf dem Sofa, Opas gesammelte Bierhumpen - und manches alte Artefakt findet man bis heute in den Schränken des Elternhauses.
Eine kleine Auffrischung wie es in den Wohnzimmern der 70er und 80er Jahre und kurz nach der Wende aussah, bietet seit gestern das stadthistorische Museum Flohburg. Gezeigt werden Bilder des DDR-Fotografen Christian Borchert. Zwischen 1974 und 1994 besuchte Borchert über 130 Familien im ganzen Land und lichtet sie in ihrer heimischen Umgebung ab. Nichts ist gestellt, der ruhige Fotograf lässt sich und seinen Motiven Zeit, er verstellt und verschiebt nicht, lässt die Familien selber entscheiden, wie sie sich präsentieren wollen. "Borcherts Fotografien verzichten auf Übertreibungen oder Effekte, er zeigt Menschen ohne Maske", erzählte gestern Christiane Meinhardt. Die Journalistin hat während ihrer Zeit bei einem Berliner Verlag viel mit den Hauptstadt-Fotografen gearbeitet und stieß so auch auf Borchert. den sie zwar nie kennen gelernt aber umso mehr zu schätzen gelernt hat. Je öfter sie sich die Bilder ansehe, desto mehr gingen sie ihr zu Herzen.
Kuratorin Christiane Meinhardt vor ihrem Lieblingsbild (Foto: Angelo Glashagel) Herausgekommen sind eindringliche Zeitdokumente von Menschen verschiedenster Coleur. "Ausschnitte der Wirklichkeit", nennt Kuratorin Meinhardt das. Da ist der Ingenieur, der sich im Kreise der Familie als Indianerhäuptling inszeniert, die Raumpflegerin und der Dispatcher, die sich ihr Wohnzimmer mit Grünpflanzen und allerlei Dekor zu eigen gemacht haben, der Töpfer im schlichten Altbau, die Friseuse, der Schriftsteller, die Lehrerin, das Studentenpaar, der Fleischer, ein BSMR-Techniker, zwei Melker und viele mehr. Manchen "Charakter" und manchen Lebensentwurf, so lassen einige Bilder vermuten, würde man heute wohl auch noch so finden, ohne große Unterschiede festzustellen. Bürgermeisterin Jutta Krauth, die zu der Zeit als die Fotos entstanden, noch nicht im Osten lebte, berichtet das einige diese "Panoramen einer vergangenen Zeit" so auch in ihrer Heimat entstanden sein könnten.
Wenn man die Unterschiede nicht auf den ersten Blick erkenne, sei das ein Grund zur Freude, sagt Kuratorin Meinhardt, "die Menschen waren nicht so sehr viel anders, egal ob auf dem Dorf oder in der Stadt, ob in West oder Ost". Der Verdienst Borcherts sei der, das man den Menschen auf seinen Bildern ins Antlitz blicken und ihren Stolz und ihr Selbstbewusstsein, manchmal auch ihre Sorgen sehen könne.
Die Ausstellung in der Flohburg, die noch bis zum 30. November zu sehen sein wird, ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Renaissance Borcherts, der in Zusammenarbeit mit der Deutschen Fotothek erstellt wurde. In Dresden, wo der über 1000 Bilder umfassende fotografische Nachlass des Fotografen aufbewahrt wird, plant man für den kommenden Herbst eine große Retrospektive. Die Schau in Nordhausen nimmt sich mit ihren 40 Bildern deutlich bescheidener aus, der Blick in die Stuben der 70er, 80er und 90er lohnt aber dennoch einen Besuch des Museums. Auch wenn die Erinnerung nur eine verschwommene ist.
Angelo Glashagel
Kommentare
Teja
06.09.2019, 18.00 Uhr
Prima
Da werden Erinnerungen an schöne,ruhige Zeiten wach.Einfach,aber wir kannten es nicht anders,Hauptsache wir hatten unsere eigene kleine Wohnung für uns.
Auf Bild 2 glaube ich den Erwin Geschonnek zu erkennen,kann aber auch nur eine starke Ähnlichkeit sein.
Schöne Idee mit der Ausstellung,sollte man mal die Schulklassen sehen lassen. Keine Digitalisierung,Internet usw.Dafür Kopfrechnen,Schreibschrift und andere nützliche Dinge.Eben Nostalgie.
Auf Bild 2 glaube ich den Erwin Geschonnek zu erkennen,kann aber auch nur eine starke Ähnlichkeit sein.
Schöne Idee mit der Ausstellung,sollte man mal die Schulklassen sehen lassen. Keine Digitalisierung,Internet usw.Dafür Kopfrechnen,Schreibschrift und andere nützliche Dinge.Eben Nostalgie.
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