Die "kleine weiße Friedenstaube" feiert Geburtstag. Vor 70 Jahren verfasste Erika Schirmer im Angesicht der zerstörten Stadt Nordhausen die hoffentlich unsterblichen Zeilen ihres kleinen Liedes. Die Gedanken von damals sind heute noch wach, erzählte die Nordhäuser Ehrenbürgerin zum Jubiläum im Ratssaal. Ein schickes Geburtstagsgeschenk gab es bei der Gelegenheit natürlich auch...


"In Gedanken kann ich noch zurückgehen an den Tag, als ich das Lied geschrieben habe", erzählte die alte Dame am Vormittag vor einem gut gefülltem Ratssaal, "als ich nach der Vertreibung eine Stadt in Schutt und Asche vor mir sah, hat mich das sehr bedrückt. Ich habe es mir damals gewünscht und ich wünsche es mir noch heute: das die Menschheit eines Tages in Frieden nebeneinander leben kann."

Die Zeilen der "kleinen, weißen Friedenstaube" werden immer noch gesungen, zum Beispiel im Johanniter-Kindergarten am Lohmarkt. Dessen Kinder haben zum Jubiläum das alte Lied, das so gar nicht gealtert zu sein scheint, noch einmal neu eingesungen. Möglich gemacht haben das Bernd Illhardt, die Kreissparkasse Nordhausen und der Förderverein der Bibliothek. Als Geburtstagsgeschenke wurden die Kinderstimmen auf CD gebannt. Als Dreingabe dazu gibt es zudem eine Fassung des Berliner Ernst-Busch-Chores, die auf betreiben von Gisela Mühlbauer ihren Weg auf den Tonträger fand. Die gebürtige Heringerin musste im Alter von sechs Jahren miterleben wie Nordhausen zerstört und ihre Familie ausgebombt wurde. Das Lied von der Friedenstaube habe sie als Musiklehrerin ihr Leben lang begleitet, bis nach Berlin. Die kleine, weiße Friedenstaube gehöre eigentlich in jedes Chor-Repertoire.


Erika Schirmer sei eine "bewegende und bewegte" Frau, sagte Bibliotheksleiterin Hildegard Seidel, "es ist uns eine Ehre Sie als Ehrenbürgerin in unseren Mauern zu haben". Tatsächlich ist die ehemalige Kindergärtnerin auch im hohen Alter so umtriebig wie eh und je. Nachdem 2015 ihr Buch "Gedanken einer alten Dame" erschienen war, folgte jüngst der zweite Band der Reihe, "Die Würde des Alters". Und auch ihr künstlerisches Schaffen hat Frau Schirmer nicht aufgegeben. Bis zum 4. Mai werden einige ihrer Arbeiten in der Ausstellung "Art Naive" im Lesesaal der Bibliothek zu sehen sein.

Das dass Lied und seine Schöpferin einmal solche Ehrungen empfangen würden war keineswegs ausgemacht. In der DDR habe kaum jemand gewusst, aus wessen Feder das Lied stamme, auch in Nordhausen nicht, erinnert sich Schirmer. "Bei einer Umfrage der Zeitung 1975 wurden die Nordhäuser gefragt ob sie das wüssten und die meisten haben geantwortet: Natürlich! Von Bertold Brecht!. Für mich war das immer eine Freude."

Sie erfahre immer wieder "soviel Ehre, soviel Freude, soviel Dankbarkeit", sagte Frau Schirmer, sie bedanke sich bei allen, die den 70. Geburtstag ihres Liedes möglich gemacht haben. Das wichtigste sei aber, das die Botschaft immer wieder weiter getragen werde.

Die kleine Souvenir CD wurde 1.000 mal gepresst und wer sie selber hören möchte, kann sie in der Stadtinformation, der Bibliothek und dem Buchhaus Rose erwerben.
Angelo Glashagel