Alles neu und alles ein bisschen anders: in Bleicherode wurde heute die Kindertagesstätte "Gartenkinder" eingeweiht. Das neue Haus will vieles anders machen und verfolgt ein in der Region bisher eher unbekanntes Konzept um die jungen Schützlinge zu hegen und zu pflegen...


Wenn gemalt oder gebastelt wird, dann müssen alle Kinder zu Papier, Schere und Buntstift greifen, nach dem Mittagessen ist für alle Schlafenszeit und wenn man am Ende des Kindergartentages der selbstgeschaffene Bauklotzturm noch steht, dann wird der wahrscheinlich bis zum nächsten Morgen wieder verschwunden sein. So oder so ähnlich geht es in vielen Kindergärten zu. Die Gruppe zählt, nicht das einzelne Kind.

In der neuen Bleicheröder Kindertagesstätte "Gartenkinder" will man das in Zukunft anders handhaben. Gruppenräume gibt es hier keine sondern "Funktionsräume", erklärt Einrichtungsleiterin Susanne Linsel. Gegessen wird gemeinsam im "Kinderrestaurant". Es gibt einen Raum zum bauen, basteln und schrauben, einen Raum zum entspannen, einen Raum um der Kreativität freien Lauf zu lassen, komplett mit Kinosesseln, kleiner Bühne, Handpuppen und was man sonst noch so brauch um in andere Rollen zu schlüpfen und schließlich auch einen Raum für kleine Forscher. Hier finden sich Lupen, Sanduhren, geometrische Figuren, Spiegel in die Unendlichkeit und ein Aquarium mit drei außergewöhnlichen Bewohnern.

Die "Axolotl", Lurche mit außenliegenden Kiemenästen, waren schon heute ein Magnet für Jung und Alt. Neugierig bestaunte man die bizarren Tiere. Die Idee das Trio ins Haus zu holen hatten Susanne Linsel und Alexandra Ahrens. Aus Neugierde und Faszination heraus sollen die Kinder nachhaltig und praktisch lernen, die Welt für sich und sich selbst frei zu entdecken.


Die ganz kleinen, im Alter zwischen einem und drei Jahren, bleiben noch eher unter sich als die größeren Kinder, wer Geborgenheit brauche, der finde sie hier auch, meint eine Erzieherin, trauten sich die zwei bis dreijährigen aber schon auch bei den "Großen" Kindern mitzumachen, dann ginge auch das.

Zwei Erzieher wird es pro Gruppe geben, der Raum selbst soll der "dritte Erzieher" sein, erklärte Andreas Weigel, Chef des Jugendsozialwerkes. Als Bauherr und Träger des Kindergartens hatte der Verein von vornherein darauf hingearbeitet ein etwas anderes Haus zu schaffen. Die Grundlage liefert die sogenannte "Reggio-Pädagogik", die im Italien der 1960er Jahre entstanden ist und inzwischen ihren Weg auch in deutsche Lande gefunden hat. Im Zentrum stehen das Kind und sein Bild von sich selbst und der Welt die es umgibt, sowie die Gemeinschaft in der es lebt. Die Reggio-Kindergärten sind dazu angehalten aus sich selbst heraus Projekte zu entwickeln die mit ihrer Umwelt gemeinsam umgesetzt werden können, also etwa mit der Kommune, der Schule oder auch dem Altenheim nebenan. Auch die Eltern sollen nah dran sein am Alltag ihrer Kinder, kleine Tagesdokumentationen und viele Schaumöglichkeiten für die Errungenschaften des Nachwuchses sollen den Kindergarten zukünftig schmücken.


Auch die Nachbarschaft der "Gartenkinder" passt zum Konzept, mit dem Gymnasium und dem Altenpflegeheim "Glück Auf" sei in Bleicherode der lang ersehnte "soziale Campus" in der Innenstadt entstanden, sagte Bleicherodes Bürgermeister Frank Rostek. Im Landkreis habe man in den letzten Jahren viele Seniorenheime gebaut, aber nur wenige Kindergärten. Tatsächlich ist der Bleicheröder Kindergarten gerade einmal der zweite Neubau einer Kindertagesstätte seit 1990. "Einen Kindergarten zu eröffnen ist etwas besonderes, eine schöne Sache an die man sich sein Leben lang erinnert", sagte Rostek. Die einst maroden Ecke lasse Bleicherode jetzt wieder in gutem Licht dastehen und sei ein Zeichen dafür das einem um die Zukunft nicht bange sein müsse, meinte der Bürgermeister.

Als "Geburtstagsgeschenk" hatte der Bürgermeister mit freundlicher Unterstützung des Horizont-Vereins dem Kindergarten eine schicke Holzbahn geschenkt und auch andere waren mit Präsenten gekommen, wie Landrat Jendricke, der sportliches im Gepäck hatte oder Pfarrer Michael Blaszcyk, der für den Segen Gottes sorgte. Besonders viel Mühe gaben sich die Senioren von nebenan: selbstgehäkelte Puppen, ein paar schicke Bilder für die noch recht kahlen Wände und natürlich Salz und Brot für gute Nachbarschaft.

"Der Stress der letzten Wochen ist der Erleichterung gewichen", sagte Susanne Linsel, "nach den vielen Wochen der Arbeit freuen wir uns darauf die Kinder begrüßen zu können". Die ersten 28 "Gartenkinder" erwartet man am 3. April, insgesamt bietet die Kita Platz für 72 Kinder, darunter 24 Krippenplätze. Das erste "Projekt" der Gartenkinder werde wohl das Haus selbst sein, meinte Linsel, Eltern, Kinder und Erzieher müssten ihren schicken, neuen Kindergarten erst einmal in Ruhe erkunden.
Angelo Glashagel