Fr, 12:00 Uhr
22.09.2017
Ausstellung im Weltladen eröffnet
Gästebuch Zu_Flucht
Zwischen "Wir schaffen das" und "Flüchtlingsflut" machten sich drei junge Leute auf, nicht nur über Flüchtlinge sondern auch mit Flüchtlingen zu reden. Ihre Erfahrungen hielten sie im "Gästebuch Zu_Flucht Nordhausen" fest. Nach zwei Jahren haben sie ihre Gesprächspartner nun noch einmal besucht und in den Weltladen eingeladen...
Hier wurde gestern das "Gästebuch" vorgestellt, begleitet von einer kleinen Ausstellung. Susan Wille, Nina Reip und Alexander Scharff stellen auf knapp 20 Seiten ihre Erfahrungen mit fünf verschiedenen Familien dar, die sie Ende des Jahres 2015 besucht hatten. Darunter Neuankömmlinge und Alteingesessene, Kriegsflüchtlinge und Rückkehrer.
Da ist zum Beispiel Mohammad Hossain Yosofy. In Afghanistan hat er als Menschenrechtsaktivist mit der US-Armee zusammengearbeitet. Zurück kann er nicht mehr, Anhänger der Wahdat-Partei, einer der weniger bekannten extremistischen Gruppen in Afghanistan, hatten die Familie immer wieder bedroht und schließlich Mohammads Vater erschossen. Er selber bekam einen Schuss ins Bein ab. Die Familie flüchtet, zunächst in den Iran, dann zu Fuß weiter in die Türkei und von dort weiter nach Deutschland. Drei Tage verbringt Mohammad in einem Lkw, ohne Essen, Trinken oder die Möglichkeit sich zu erleichtern. In Gera kann er den Laster verlassen, wird von der Polizei aufgegriffen und findet seinen Weg nach Nordhausen. Heute hat er Arbeit im sozialen Bereich gefunden, betreut Kinder und Jugendliche und will sobald als möglich soziale Arbeit studieren.
Herr Yosofy kommt in der Gemeinschaftsunterkunft in der Robert-Blum Straße unter. Hier wohnen auch Verwandte von Susanne Wille. Gespräche mit ihnen und ausgiebige Diskussionen mit dem Freund Alexander Scharff bewegen sie dazu das Projekt in Angriff zu nehmen. Ehrenamtlich versteht sich, der Beruf und der Alltag laufen weiter, auch deshalb dauert es bald zwei Jahre bis das "Gästebuch" endlich vorgestellt werden kann.
Darin findet sich auch die Geschichte von Shukri Habeeb aus Südsomalia. Die Al-Shabaab Miliz treibt hier ihr Unwesen. Shukri's Mann wird genötigt der Miliz beizutreten, taucht aber stattdessen unter. Die Miliz beginnt die Familie zu bedrohen, als "Hausbesuch" angekündigt wird entscheidet sich Frau Habeeb das Land zu verlassen. Einfach ist das nicht, wer viel Gepäck mit sich führt macht sich verdächtig und zur Zielscheibe. Nur was sie am Leib tragen, können sie auch mitnehmen. Über Äthpoien, die Türkei und Griechenland schaffen es Shukri Habeeb und ihre Kinder bis nach Nordhausen. Richtig Fuß gefasst hat sie in Deutschland noch nicht, ihre drei Kinder beanspruchen viel Aufmerksamkeit, der Weg der Integration ist für jeden unterschiedlich lang.
Die Kommunikation geht heute schon etwas leichter vonstatten, bei den Gesprächen halfen 2015 meist noch Dolmetscher und Sozialarbeiter, denen der besondere Dank der drei Inititaoren galt. Unterstützung gab es auch von der Stadt und dem Landkreis, der Gewerkschaft IG Metall, und den Vereinen Kreisjugendring und Schrankenlos.
Letzterer kann mit der Ausstellung die eigenen Räumlichkeiten schon einmal auf die interkulturelle Woche vorbereiten, die morgen ab 17 Uhr mit dem Essen der Kulturen in der Kurzen Meile eingeläutet werden soll.
Mit dabei sein könnte dann auch Familie Khan aus Pakistan. Seit 2001 leben sie in Deutschland, politische Flüchtlinge, die ihr Leben in der Millionenstadt Lahore gegen die Kleinstadt im Südharz eintauschen mussten. Sie sind in Nordhausen geblieben und haben Fuß gefasst. Isma Khan habe er vor Jahren bei einem Kochkurs in der jüdischen Gemeinde kennen gelernt, erinnerte sich Alexander Scharff, man sei danach in Kontakt geblieben. 14 Jahre lang lebte die Familie im Status der "Duldung" in Deutschland, hätte also jederzeit abgeschoben werden können. Die Zeiten der ständigen Unsicherheit sind für die Khans vorbei. Der Vater ist inzwischen Mechatroniker, Sohn Ali studiert Wirtschaftsingenieurswesen und Mutter Isma wird bald ihr eigenes Restaurant eröffnen.
Im Gästebuch finden sich noch mehr Geschichten, Einzelschicksale, die von den Zahlen und der Anonymität meist verdeckt werden. Manche tragisch, manche mit gutem Ende, andere mit ungewissem Ausgang. Es sind Geschichten von denen die meisten Menschen nie hören würden, weil ihre Protagonisten nicht für aufsehen sorgen, sondern versuchen sich ein neues Leben in der Fremde aufzubauen. Das Gästebuch öffnet ein kleines Fenster und ermöglicht einen Blick auf diese Seite der Medaille.
Vier Wochen wird die Ausstellung im Weltladen zu sehen sein, wer will kann sich hier auch ein "Gästebuch" mitnehmen, danach geht sie auf Wanderschaft in den Landkreis.
Angelo Glashagel
Autor: redHier wurde gestern das "Gästebuch" vorgestellt, begleitet von einer kleinen Ausstellung. Susan Wille, Nina Reip und Alexander Scharff stellen auf knapp 20 Seiten ihre Erfahrungen mit fünf verschiedenen Familien dar, die sie Ende des Jahres 2015 besucht hatten. Darunter Neuankömmlinge und Alteingesessene, Kriegsflüchtlinge und Rückkehrer.
Da ist zum Beispiel Mohammad Hossain Yosofy. In Afghanistan hat er als Menschenrechtsaktivist mit der US-Armee zusammengearbeitet. Zurück kann er nicht mehr, Anhänger der Wahdat-Partei, einer der weniger bekannten extremistischen Gruppen in Afghanistan, hatten die Familie immer wieder bedroht und schließlich Mohammads Vater erschossen. Er selber bekam einen Schuss ins Bein ab. Die Familie flüchtet, zunächst in den Iran, dann zu Fuß weiter in die Türkei und von dort weiter nach Deutschland. Drei Tage verbringt Mohammad in einem Lkw, ohne Essen, Trinken oder die Möglichkeit sich zu erleichtern. In Gera kann er den Laster verlassen, wird von der Polizei aufgegriffen und findet seinen Weg nach Nordhausen. Heute hat er Arbeit im sozialen Bereich gefunden, betreut Kinder und Jugendliche und will sobald als möglich soziale Arbeit studieren.
Herr Yosofy kommt in der Gemeinschaftsunterkunft in der Robert-Blum Straße unter. Hier wohnen auch Verwandte von Susanne Wille. Gespräche mit ihnen und ausgiebige Diskussionen mit dem Freund Alexander Scharff bewegen sie dazu das Projekt in Angriff zu nehmen. Ehrenamtlich versteht sich, der Beruf und der Alltag laufen weiter, auch deshalb dauert es bald zwei Jahre bis das "Gästebuch" endlich vorgestellt werden kann.
Darin findet sich auch die Geschichte von Shukri Habeeb aus Südsomalia. Die Al-Shabaab Miliz treibt hier ihr Unwesen. Shukri's Mann wird genötigt der Miliz beizutreten, taucht aber stattdessen unter. Die Miliz beginnt die Familie zu bedrohen, als "Hausbesuch" angekündigt wird entscheidet sich Frau Habeeb das Land zu verlassen. Einfach ist das nicht, wer viel Gepäck mit sich führt macht sich verdächtig und zur Zielscheibe. Nur was sie am Leib tragen, können sie auch mitnehmen. Über Äthpoien, die Türkei und Griechenland schaffen es Shukri Habeeb und ihre Kinder bis nach Nordhausen. Richtig Fuß gefasst hat sie in Deutschland noch nicht, ihre drei Kinder beanspruchen viel Aufmerksamkeit, der Weg der Integration ist für jeden unterschiedlich lang.
Die Kommunikation geht heute schon etwas leichter vonstatten, bei den Gesprächen halfen 2015 meist noch Dolmetscher und Sozialarbeiter, denen der besondere Dank der drei Inititaoren galt. Unterstützung gab es auch von der Stadt und dem Landkreis, der Gewerkschaft IG Metall, und den Vereinen Kreisjugendring und Schrankenlos.
Letzterer kann mit der Ausstellung die eigenen Räumlichkeiten schon einmal auf die interkulturelle Woche vorbereiten, die morgen ab 17 Uhr mit dem Essen der Kulturen in der Kurzen Meile eingeläutet werden soll.
Mit dabei sein könnte dann auch Familie Khan aus Pakistan. Seit 2001 leben sie in Deutschland, politische Flüchtlinge, die ihr Leben in der Millionenstadt Lahore gegen die Kleinstadt im Südharz eintauschen mussten. Sie sind in Nordhausen geblieben und haben Fuß gefasst. Isma Khan habe er vor Jahren bei einem Kochkurs in der jüdischen Gemeinde kennen gelernt, erinnerte sich Alexander Scharff, man sei danach in Kontakt geblieben. 14 Jahre lang lebte die Familie im Status der "Duldung" in Deutschland, hätte also jederzeit abgeschoben werden können. Die Zeiten der ständigen Unsicherheit sind für die Khans vorbei. Der Vater ist inzwischen Mechatroniker, Sohn Ali studiert Wirtschaftsingenieurswesen und Mutter Isma wird bald ihr eigenes Restaurant eröffnen.
Im Gästebuch finden sich noch mehr Geschichten, Einzelschicksale, die von den Zahlen und der Anonymität meist verdeckt werden. Manche tragisch, manche mit gutem Ende, andere mit ungewissem Ausgang. Es sind Geschichten von denen die meisten Menschen nie hören würden, weil ihre Protagonisten nicht für aufsehen sorgen, sondern versuchen sich ein neues Leben in der Fremde aufzubauen. Das Gästebuch öffnet ein kleines Fenster und ermöglicht einen Blick auf diese Seite der Medaille.
Vier Wochen wird die Ausstellung im Weltladen zu sehen sein, wer will kann sich hier auch ein "Gästebuch" mitnehmen, danach geht sie auf Wanderschaft in den Landkreis.
Angelo Glashagel