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So, 15:43 Uhr
19.03.2017
1997 - 2017

20 Jahre Lyrik im Dorf L.

Am kommenden Samstag im Haus für Lyrik in Limlingerode eine Ehrung für den Dichter Johannes Bobrowski anlässlich seines 100. Geburtstag unter Einbeziehung seiner Bekanntschaft mit Sarah Kirsch...

„Geh unter schöne Sonne...“

- für Johannes Bobrowski zum 100. Geburtstag
Die noch junge Dichterin, die mit dem Dichter seit 1962 bekannt war, schrieb am 2. September 1965, so steht es vermerkt, zwei Gedichte, als sie die Kunde erreichte, dass der von ihr verehrte Johannes Bobrowski an diesem Tag in Ost-Berlin verstorben sei. Das kam unerwartet, denn er war erst 48 Jahre. Er erlag einer Blinddarmentzündung mit anschließender Sepsis. Dieser Dichtende war für die Kirsch neben Erich Arendt, Peter Huchel und Franz Fühmann vorbildlich im Schreiben. Er habe, so seine Worte, ein ungebrochenes Vertrauen zur Wirksamkeit vielleicht nicht des Gedichts an sich, „sondern des Verses, der wahrscheinlich wieder mehr Zauberspruch, Beschwörungsformel wird werden müssen.“

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Sie verinnerlichte diesen Hinweis, denn nicht von ungefähr heißt ihr berühmtester Gedichtband „Zaubersprüche“. Ihre aus der Erschütterung des frühen Todes geschriebenen zwei Gedichte beginnen jeweils mit den Verszeilen: „Geh unter schöne Sonne, stirb weniger kunstvoll … mein grauer Delphin ist hin zur anderen Küste geschwommen.“ und „Ich in der Sonne deines Sterbemonats...“ Am 2.9. 1966 verfasst sie zum Gedenken das dritte Gedicht „Eine Schlehe im Mund komme ich übers Feld...“

Freunde haben Bobrowski als „verschmitzt, musikalisch, trinkfest, menschlich“ beschrieben. Der Verleger Klaus Wagenbach sah ihn als: OLE-Objekt„Nicht besonders groß, aber breit und gewichtig – 196 Pfund … OLE-ObjektDabei war er beweglich, ging schnell, bevorzugte Anzüge von väterlich bequemem Schnitt, in denen er förmlich turnen konnte.“

Man versammelte sich gern im Haus Ahornallee 26 in Berlin-Friedrichshagen. Darüber schrieb Gerhard Wolf sein vielbeachtetes Buch: „Beschreibung eines Zimmers 15 Kapitel über Johannes Bobrowski“, in dem er die Möbel, die Kunstsammlung, die Handschriftensammlung, die Bücher, das Clavichord benennt und welchen Bezug dies alles zu dem Menschen und seiner Dichtung besitzt. Die bildlichen Darstellungen des großen Fotografen Roger Melis unterstützen das Vorstellungsvermögen des Lesers.
Zur Welt kam Bobrowski am 9. April 1917 im ostpreußischen Tilsit, Russland, nahe der litauischen Grenze an der Memel.

„Geh unter schöne Sonne ...“ für Johannes Bobrowski zum 100. Geburtstag (Foto: Dichterstätte Sarah Kirsch) „Geh unter schöne Sonne ...“ für Johannes Bobrowski zum 100. Geburtstag (Foto: Dichterstätte Sarah Kirsch) Das Abitur legte er in Königsberg ab und wurde, dann in Berlin lebend, gleich 1939 einberufen. Erst 1949 kehrte er aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft nach Ostberlin zurück, wo er als Lektor arbeitete, zunächst im Altberliner Verlag Lucie Groszer, ab 1959 im Union Verlag. 1961 erscheint sein erster Gedichtband „Sarmatische Zeit“, ein Jahr später „Schattenland Ströme“, der dritte „Wetterzeichen“ nach seinem Tod, noch von ihm zusammengestellt. Mit den Gedichten begann der Ruhm, er wurde in beiden deutschen Staaten gefeiert, von der Gruppe 47 im Westen ebenso wie von der Deutschen Akademie der Künste im Osten. Die Bände wurden sowohl in Ost- als auch Westdeutschland gedruckt. Bobrowski veröffentlichte 1964/65 seine Prosa, den Erzählband „Mäusefest“, die Romane „Levins Mühle“, auch verfilmt und als Oper bekannt, und „Litauische Claviere“.

„Zu schreiben habe ich begonnen am Ilmensee 1941, über russische Landschaft, aber als Fremder, als Deutscher. Daraus ist ein Thema geworden, ungefähr: Die Deutschen und der europäische Osten. Weil ich um die Memel herum aufgewachsen bin, wo Polen, Litauer, Russen, Deutsche miteinander lebten, unter ihnen allen die Judenheit. Eine lange Geschichte aus Unglück und Verschuldung, seit den Tagen des deutschen Ordens, die meinem Volk zu Buche steht.“

Das spätantike Sarmatien, die Landschaft entlang der Memel, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, wurde von Johannes Bobrowski zur Literaturlandschaft erhoben. Seine „sinnlich vollkommene Rede“, geschult an den Dichtern Klopstock, Herder, Hölderlin, den Romantikern, machte ihn berühmt. Er schuf ein Spannungsfeld aus faszinierend schönen Landschafts- und Naturbildern, darin immer die Spuren des Menschen, auch Mörderische. Der Leser erlebt eine Mischung aus arkadischer Stimmung und Erinnerungen an Zeiten menschenverachtender Geschichte. Nie kommt seine Dichtung vordergründig daher.
„Immer zu benennen: den Baum, den Vogel im Flug, den rötlichen Fels, wo der Strom zieht, grün...“
In jeder Hinsicht war er eine Ausnahme in der deutschen Nachkriegsliteratur.
Autor: red

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