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Do, 14:22 Uhr
16.06.2016
EINE LEIDENSCHAFT HAT PAUL-LUDWIG SCHIERHOLZ VOLL IM GRIFF

Herr über 200 Kautabaktöpfe

Die Sammlerleidenschaft hat Paul-Ludwig Schierholz voll im Griff. Er kann oder will ihr nicht mehr entrinnen. Der 58-Jährige ist Herr über 200 Kautabaktöpfe. In allen Größen. Kurt Frank hat ihn besucht...

Nordhausen.Addiert er alles, was er in 40 Jahren zusammentrug und an die Blütezeit der Stadt erinnert, summiert sich die Summe auf 1000 Stück: Reklametafeln einstiger Kautabak –und Branntweinfabriken, Werbe-Schnapsgläser, Priem-Dosen, Kautabakzangen, Aschenbecher, Tabaktütchen. Aber auch Möbelstücke zog der gelernte Braumeister in seine Leidenschaft ein.

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Ein besonders schönes Exemplar ist ein Wohnzimmerbüfett. Hergestellt von der einst heimischen Firma Aurin im Jahre 1905. Die Sockeln zieren links und rechts kunstvoll geschnitzte Löwenköpfe. Die vier Temperamente nennen sich neben den Glasvitrinen in das Holz eingeschnitzte Männerköpfe, die unterschiedlich lächeln. Tische, Stühle und eine Kredenz runden die Zimmereinrichtung ab. Unschätzbare Werte.

Was ihn an all dem fasziniere? Die Erinnerung an Nordhäuser Geschichte, die beeindruckenden Arbeiten mit den das Auge erfreuenden kunstvollen Verzierungen und die verschiedenen Stilrichtungen, antwortet Schierholz. Er stehe mit anderen Sammlern in Kontakt und nennt die Kautabakbörse, die jedes Jahr im Mai im Tabakspeicher stattfinde.


Paul-Ludwig Schierholz (rechts) zeigt Heinrich Bötel  Exemplare seiner Sammlung. (Foto: Kurt Frank) Paul-Ludwig Schierholz (rechts) zeigt Heinrich Bötel Exemplare seiner Sammlung. (Foto: Kurt Frank)

Paul-Ludwig Schierholz (rechts) zeigt Heinrich Bötel Exemplare seiner Sammlung. Foto: Kurt Frank

Aus ganz Deutschland geben sich dort Besessene wie er ein Stelldichein. Er habe sich schon einen Wintergarten anbauen lassen, wo der Gedanke mitschwang, weiteren Raum zu schaffen für seine Exemplare. Mehr 1000 Stück fänden jetzt aber keinen Platz mehr. Jedes Zimmer sei belegt. Bis unter das Dach. Seine Frau habe gewusst, wen sie da heiratete. Sie habe für sein Hobby aber Verständnis.

Einst hatte das Priemen in Nordhausen Hochkonjunktur, sagt Schierholz. Mit der Zeit wurden Zigaretten und Zigarren vornehmer. Vielerorts komme der Kautabak aber wieder in Mode, habe er gehört. Das hänge mit dem Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen zusammen. Wer auf Nikotin nicht verzichten und die Hände frei haben möchte für Tätigkeiten, wie einst die Seeleute für Arbeiten an der Takelage, für die Kautabak ehemals entwickelt worden war, der greift zum Priem.

Eine Vitrine voller Kautabaktöpfe. Auch Werbe-Schnapsgläser einstiger Firmen finden sich. (Foto: Kurt Frank) Eine Vitrine voller Kautabaktöpfe. Auch Werbe-Schnapsgläser einstiger Firmen finden sich. (Foto: Kurt Frank)

Eine Vitrine voller Kautabaktöpfe. Auch Werbe-Schnapsgläser einstiger Firmen finden sich. Foto: Kurt Frank

Er ist heute vorwiegend bei spezialisierten Händlern zu finden. In Nordhausen sind dies Heinrich Bötel und Georg-Ulrich Aschenbrenner. „Ich habe an die zwölf Stammkunden, die regelmäßig bei mir Kautabak kaufen“, verrät Bötel. Im Angebot habe er die Marken Kruse, Hanewacker, Fischerstift, alles deutsche Tabake, und Oliver Twist und Blue ocean aus Dänemark.

Georg-Ulrich Aschenbrenner hat auch eine treue Stammkundschaft. Zwölf an der Zahl seien es allemal. Immer mehr Neugierige würden sich bei ihm die Klinke in die Hand geben danach verlangen. Es seien vor allem Touristen. Viele aus dem Norddeutschen Raum. Ein Besuch des Tabakspeichers machte sie auf das Produkt aufmerksam. Alle vier bis sechs Wochen beziehe er an die 100 Priem-Schachteln. Kautabak, meint Aschenbrenner, habe seine Kundschaft. Er habe nur deutschen im Angebot.

Ein besonders wertvoller Küchenschrank, gefertigt in Nordhausen 1905. (Foto: Kurt Frank) Ein besonders wertvoller Küchenschrank, gefertigt in Nordhausen 1905. (Foto: Kurt Frank)

Ein besonders wertvoller Küchenschrank, gefertigt in Nordhausen 1905. Foto: Kurt Frank

Bestens kennt sich Paul-Ludwig Schierholz mit der Kautabak-Geschichte aus. So ahnte Georg Andreas Hanewacker nicht, als er als erster Deutscher am 3. Oktober 1817 sein Unternehmen gründete, das es einen derart enormen Aufschwung erlangen würde. 1928 zählte es um die 2000 Beschäftigte.

Grimm und Triepel, weiß Schierholz, war vor dem 2. Weltkrieg Europas größter Kautabakfabrikant. Jährlich wurden 65 Millionen Packungen bzw. Stücke hergestellt. In Rollen, Stangen, Streifen, Würfeln, Platten. Heute existiert nur noch diese Firma, die 1849 in Nordhausen von Theodor Grimm gegründet wurde. Nach der Enteignung zu DDR-Zeiten siedelte das Unternehmen nach Unterrieden/Werra um und nahm dort den Betreib erneut auf. In Witzen bei Kassel ansässig, ist es die einzige Kautabakfabrik in Deutschland.

Georg-Ulrich Aschenbrenner und Ehefrau Traudel präsentieren Erinnerungen an einstige Betriebe. (Foto: Eberhard Kopyra) Georg-Ulrich Aschenbrenner und Ehefrau Traudel präsentieren Erinnerungen an einstige Betriebe. (Foto: Eberhard Kopyra)

Georg-Ulrich Aschenbrenner und Ehefrau Traudel präsentieren Erinnerungen an einstige Betriebe. Foto: Eberhard Kopyra

Die Tabaksorten in Deutschland würden allerdings nicht gekaut, sondern zwischen Zähnen und Wangen hin und her geschoben und nur kurz angekaut, wenn der Geschmack nachlässt, wissen Könner. Kautabak herzustellen ist ziemlich aufwendig. Die Grundlage bilden nikotinhaltige Rohtabake, die nach verschiedenen vorbereitenden Schritten in Soßen für mehrere Wochen eingelagert werden. Diese Soßen besitzen verschiedene Aromen, um deren Tabak einen bestimmten Geschmack zu verleihen.

In Europa wurde der Kautabak erstmals um 1600 in England konsumiert. Im 30-jährigen Krieg gelangte er dann auch nach Deutschland. Die deutsche Industrie zur Herstellung von Kautabak entstand zwischen 18. und 19. Jahrhundert und konzentrierte sich in Nordhausen.
Kurt Frank
Autor: red

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