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Fr, 08:00 Uhr
26.02.2016
Stadt und Landkreis

Der Nordhäuser Untergrund

Der Erdfall bei Salza ging diese Woche bundesweit durch die Medien. Standort und Größe des "Lochs" haben Aufsehen erregt, für die Region ist dieser jüngste Erdfall aber eigentlich nichts besonderes. Zumindest nicht wenn man einen Geologen fragt. Die nnz mit einem Blick in den Nordhäuser Untergrund...

Nordhäuser Untergrund - was unter unseren Füßen los ist (Foto: Reiner Kirsch/Thomas Kerwitz) Nordhäuser Untergrund - was unter unseren Füßen los ist (Foto: Reiner Kirsch/Thomas Kerwitz)

Polizeihubschrauber im Einsatz, Drohenflüge, Kamerateams, Politiker, jede Menge Schaulustige - das "Loch" auf dem ehemaligen Katastrophenschutzgelände bei Salza ist zur Zeit fast schon so etwas wie eine Pilgerstätte.

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Auch Reiner Kirsch hat ihn sich schon angesehen, den Erdfall auf dem ehemalien Katastrophenschutzgelände. "Der Erdfall ist schon beeindruckend, aus Sicht des Geologen ist das Phänomen aber nichts außegewöhnliches. Es ist der letzte Vorfall in einer ganzen Reihe ähnlicher Ereignisse". Dazu muss man wissen das Kirsch Geologe ist und sich seit Jahrzehnten mit dem Untergrund des Landkreises beschäftigt. Früher beruflich, heute als Hobby. Wo andere in den großen Baugruben der letzten Jahre nur braune Erde entdecken, sieht der Geologe Schichten von Lockergesteinen - Schluff, Tonerde und Sand. Auch als Rentner bleibt er seiner Passion treu und hat unter anderem dabei geholfen, die Geologiesektion der Flohburg fachlich korrekt zu gestalten.

Die Stadt

Allein die Geologie des Stadtgebietes sei sehr vielfältig, erklärt Kirsch. "Die Kernstadt steht auf mehreren Schotterterrassen. Die untere Terrasse befindet sich ungefähr auf dem Niveau des Bahnhofs, die mittlere und obere Terrasse korrespondieren in etwa mit Zentrum und Oberstadt", sagte der Geologe im Gespräch mit der nnz. In den Randbereichen der Stadt wird die geologische Vielfalt des Landkreises sichtbar. Im Süden steht Kies an, man denke an die Bielener Gewässer, im Westen, wo sich jetzt die Erde auftat, trifft man auf stark Tonhaltigen Sandstein. Ähnlich sieht es im Stadtteil Nord aus, etwa um die Schöne Aussicht herum: auch hier befindet man sich im Buntsandstein, nur wenige Meter Luftlinie weiter beginnt bei Petersdorf und Rüdigsdorf bereits der Zechstein.

Der Landkreis

Zechstein und Buntsandstein, das weiß der Laie zumeist nicht, sind dabei keine Bezeichnung für Gesteinsarten, sondern für Zeitabschnitte der Erdgeschichte. Dabei liegen die jüngsten Schichten ganz oben, die ältesten weit unten in der Tiefe. Im Idealfall. Anders sieht es aus, wenn sich ein Gebirge wie der Harz in der Nähe befindet. Hier wurden die ältesten Schichten nach oben gedrückt. Verdeutlichen lässt sich das anhand des Gipses: was am Kohnstein noch oberirdisch und eindrucksvoll zu Tage tritt, findet man wenige Kilometer Luftlinie südlich, auf der Linie Sondershausen/Bleicherode, erst in einer Tiefe von rund 700 Metern wieder.

Geologische Vielfalt im Landkreis wie sie auch in der Flohburg erklärt wird (Foto: Reiner Kirsch/Thomas Kerwitz) Geologische Vielfalt im Landkreis wie sie auch in der Flohburg erklärt wird (Foto: Reiner Kirsch/Thomas Kerwitz)

Im Norden des Landkreises bilden deswegen sehr alte Gesteine wie Grauwacke und Tonschiefer die Oberfläche. Sie stammen aus der Zeit des Devon und Karbon und sind damit zwischen 300 und 400 Millionen Jahre alt. Bis zur Linie Ellrich/llfeld folgt der Bereich "Rotliegendes", mit einem Alter von rund 300 Millionen Jahren. Hier finden sich Mangan- und Eisenerze, Steinkohle, hübsche Achate, magmatische Gesteine und noch einiges mehr. Schließlich der Zechstein mit den begehrten Gips- und Anhydritvorkommen (Perm, bis zu 258 Mio. Jahre alt), gefolgt von weiten Buntsandsteinflächen (Trias, bis zu 251 Mio. Jahre) und in südlicher Richtung, bei Hainleite und Bleicheröder Bergen, der Muschelkalk, mit einem Alter von gut 243 Millionen Jahren. Durchzogen wird das ganze von Flusstälern und der Goldenen Aue mit Ablagerungen des Quartär, also grob genommen der Eiszeit und der "Jetzt-Zeit", das nunmehr schon 1,8 Millionen Jahre andauert. Geologische Zeiträume entziehen sich da leicht den menschlichen Maßstäben.

Wohl und Wehe der Region

Warum aber tut sich an einigen Stellen ohne große Vorankündigung einfach die Erde auf? Was anderswo häufig auf Eingriffe des Menschen zurückzuführen ist, ist im Südharz oft ein ganz natürliches Phänomen, welches die Menschen vor Ort seit jeher begleitet. Es ist nicht nur der alte und neue Bergbau im Norden des Kreises, der Probleme verursachen kann, sondern vor allem auch die uralten Gipsablagerungen tief unter unseren Füßen, welche die Erde zum Einsturz bringen können.

"Wohl und Wehe der Region", nennt Reiner Kirsch das, nicht nur mit Hinblick auf die "Katastrophe beim Katatstrophenschutz" sondern auch auf die andauernden Diskussionen um wirtschaftliche Ausbeutung, Naturschutz und Tourismus.

Aus der Geschichte

Eine der ältesten Beschreibungen der Erdfälle stammt aus der "Hercynia Curiosa", dem "kuriosen Harzwald", veröffentlicht 1703 durch den Stadtphysikus Behrens. Darin beschreibt der Arzt Sehenswürdigkeiten von denen wir heute wissen, das es sich um alte Erdfälle handelt: die Kelle, der Tanzteich bei Niedersachswerfen und die "Ketterlöcher" bei Liebenrode, die heute Angelseen sind. Auch eine Sondershäuser Publikation aus dem Jahre 1841 beschreibt derlei "Merkwüdigkeiten".

Mit historischen Beschreibungen alter Erdfälle und Augenzeugenberichten hatte sich zuletzt auch Steffen Iffland in der nnz beschäftigt.

Der letzte "große" Erdfall datiert auf das Jahr 1952. Im "Nordhäuser Roland" wird damals berichtet das Arbeiter auf einem Feld bei Günzerode ein rauschen gehört hätten. Kurz danach gab die Erde nach, das Ergebniss: ein 49 Meter tiefes Loch mit einem Durchmesser von zunächst 10 Metern. Heute sind es 25 Meter.

Der "Bauerngraben" bei Roßla, die Ziegenhöhle bei Niedersachswerfen, die Numburghöhle bei Auleben und die Hirschweghöhle bei Steigertal wären weitere Beispiele. Letztere ist wahrscheinlich jüngeren Datums und könnte durch einen undichten Wasserbehälter entstanden sein.

Querschnitt durch die geologischen Schichten - im Norden der Harz, grün dargestellt (Foto: Reiner Kirsch/Thomas Kerwitz) Querschnitt durch die geologischen Schichten - im Norden der Harz, grün dargestellt (Foto: Reiner Kirsch/Thomas Kerwitz)

Denn die Krux liegt letztlich in den Eigenschaften des Gipses und der Beschaffenheit der Landschaft. Gips ist sehr stark wasserlöslich. Setzt man ihn offen der Witterung aus, fräßen Regen, Schnee und Wind aus einem festen Stück Gips innerhalb weniger Jahre eine gezackte Mondlandschaft. Solche Auswaschungen geschehen auch im Untergrund. Der Buntsandstein und die Gesteine am Harzrand sind vergleichsweise "dichte" Schichten, durch die nicht viel Wasser absickert. Stattdessen sucht es sich andere Wege, unterfließt Höhenzüge wie den Kohnstein, tritt zum Beispiel an Stellen wie der Salzaquelle und dem "Grundlosen Loch" bei Salza zu Tage, rauscht weiter Richtung Süden und nimmt den gelösten Gips dabei mit sich. Wo sich heute ein Tal zwischen dem Kohnstein bei Niedersachswerfen und Flehmüllers Eiche über Krimderode erstreckt, mag vor langer Zeit einmal ein Gipswand die Landschaft durchschnitten haben, die von den Flüssen nach und nach hinfortgespült wurde. Auf der Karte ist dieser "Einschnitt" gut zu erkennen.

Die alten Erdfälle kann man sich vielfach heute noch ansehen, Geologe Reiner Kirsch rät aber dringend davon ab zu nah heranzugehen. "Wer dort hineinfällt kommt allein nicht mehr raus und das Handy kann man da drin auch vergessen".

Der Nordhäuser Untergrund

Kleinere Löcher treten auch immer wieder im bebauten Stadtgebiet auf, dem Geologen Kirsch widerstrebt es aber diese überhaupt als Erdfälle zu bezeichnen. "Feine Bestandteile des Lockergesteins, also Sand und Kies, werden ausgespült und dabei entstehen Hohlräume, die dann nachgeben können.", sagte Kirsch. Oftmals handele es sich bei den Hohräumen auch um alte Bebauung, ehemalige Keller etwa. Das Nordhausen von heute steht zu großen Teilen auf dem Nordhausen von damals.

Früher Beruf, heute Hobby - der Geologe im Ruhestand, Reiner Kirsch aus Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel) Früher Beruf, heute Hobby - der Geologe im Ruhestand, Reiner Kirsch aus Nordhausen (Foto: Angelo Glashagel) Die großen Erdfälle als Erscheinung der Gipskarstlandschaft sind da schon ein anderes Kaliber. Der jüngste Erdfall an der Salza sollte aber hoffentlich für die umliegende Gegend kein größeres Problem darstellen, solange es sich um eine klassisches Trichterloch handelt, meint Kirsch. Man müsse die Untersuchungen abwarten.

Sicher ist, das es im Landkreis auch einen nächsten Erdfall geben wird. Wann, wo und in welcher Größe? - das weiß niemand, auch nicht die Geologen - "wenn es der Geologie einfällt", meint Reiner Kirsch dazu.

Wer noch mehr über die Geologie im Landkreis wissen möchte, dem ist ein Besuch der Flohburg empfohlen. Auf der kleinen "geologischen Meile" des Hauses, gespickt mit vielen interessanten Funden die zum Teil aus Kirsch's eigener Sammlung stammen, kann man sich über den Grund und Boden der Region von Nord nach Süd und von Alt zu "jung" informieren. Oder man geht einfach hinaus an die frische Luft und hält auf dem Karstwanderweg einmal die Augen offen.
Angelo Glashagel
Autor: red

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