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Mo, 07:00 Uhr
07.12.2015
Abschied nach 60 Jahren

Eine Ära geht zu Ende

Gestern war der zweite Advent. Gestern war der verkaufsoffene Sonntag. Gestern hatte in der Nordhäuser Altstadt ein Hof geöffnet. Es wird wohl das letzte Mal gewesen sein. Ein Ehepaar verabschiedet sich aus dem Geschäftsleben. Zeit für ein Gespräch...

Christel und Hansjürgen Nüßle in ihrem Geschäft, das am 31. Dezember schließen wird. (Foto: nnz) Christel und Hansjürgen Nüßle in ihrem Geschäft, das am 31. Dezember schließen wird. (Foto: nnz)
Hansjürgen Nüßle hatte den Wein aus Auleben geholt, im Hof der Barfüßerstraße 20 wurde das zum weihnachtlichen Glühwein veredelte Getränk angeboten. Ende voriger Woche hatten Christel und Hansjürgen Nüßle auch mal Zeit für ein Gespräch mit der nnz. "Vor Jahren, da waren in der Altstadt viele Höfe offen, luden die Besucher in der Vorweihnachtszeit zum Verweilen ein. Jetzt sind nur noch wir übrig geblieben". Es klingt wehmütig, wie es der Goldschmiedemeister, der auf 75 Lebensjahre zurückblicken kann, so dahersagt.

In dieser Barfüßerstraße 20 arbeitet und lebt Hansjürgen Nüßle nun 60 Jahre. 1955 begann er in der väterlichen Goldschmiedewerkstatt seine Lehre. Wurde Goldschmiedemeister, 1977 übernahm er das Geschäft. "Das Geschäft bestand hauptsächlich aus Werkstattarbeit, 90 Prozent davon mit Material der Kunden", erinnert sich der 75jährige.

Dann die Wende und alles wurde anders. Das Haus kaufen, den Laden ausbauen, neue Sortimente hinzunehmen, den Bedarf der Menschen befriedigen. Dann begann einer der beiden Nüßle-Söhne, Alexander, mit der Lehre und Ausbildung - wie einst der Vater. Er machte sich selbständig mit einem Geschäft in der Atrium-Passage.

Christel und Hansjürgen Nüßle blieben hier. Hier, das ist die Altstadt, die - das klingt makaber - erst nach dem sogenannten Beilmord zum Leben erweckt wurde. Es fing mit der Installation der Beleuchtung an. Nüßle erinnert sich noch an die vielen, mitunter unendlich langen Gespräche und Diskussionen mit Inge Klaan, die damals das Stadtplanungsamt leitete. Ein zentrale Frage war denn auch: Die Altstadt nur als Fußgängerzone oder für den Fahrzeugverkehr freigeben? Das Ergebnis ist bekannt, die Altstädtler hatten sich durchgesetzt. Dann kamen die Altstadtinitiative, die Altstadtfeste. Sie waren und sind immer noch mit dem Namen Nüßle verbunden.

Doch nun soll das Geschäftsbuch in der Barfüßerstraße 20 zugeklappt werden. Am 31. Dezember ist Schluss, an jenem Montag wird zum letzten Mal um 10 Uhr geöffnet. Der Impuls für diesen Schritt kam indirekt von Alexander. Der wird in der Kranichstraße, gegenüber der Marktpassage, ein neues, ein zweites Geschäft eröffnen. Warum soll es dann - 300 Meter Luftlinie weiter - noch ein Geschäft der Nüßles geben? Die Familientradition ist wieder in das Herz dieser Stadt gerückt, in der Hansjürgen Nüßle seit 75 Jahren lebt.

Die Nüßles haben sich diesen Schritt wohl überlegt, auch die Zeit, die danach kommt. Sie sind dann richtige Rentner, haben Enkelkinder und haben für viele andere Dinge mehr Zeit als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Die neue Zeit, sie sei ihnen gegönnt. Eines wird sich vermutlich nicht ändern: Hansjürgen Nüßle wird sich immer noch einmischen, wenn es um "seine" Altstadt geht. Sie ist und bleibt ein Teil von ihm.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

Kommentare
Rainer H.
07.12.2015, 08.10 Uhr
Altstadt fängt an zu leben - da gehen die die am längsten warteten!
Verdient in den Ruhestand verabschiedet sich Familie Nüßle. Lange haben Sie auf eine Belebung der Altstadt gewartet, Altstadtfeste waren die Höhenpunkte in der sonst ruhigen Altstadt. In den 1990er Jahren wurde lediglich die Straße mit Gehwegen neu gemacht. Für mehr hatte die Rinke Politik nichts über. Der größte Wunsch von Frau Rinke war eine autofreie Altstadt - das wäre gleichzeitig das AUS für die Altstadt gewesen.In den letzten 3 Jahren wurden die Prioritäten geändert. Wohnungsbau steht vorrangig für die Altstadt auf dem PLan. Georgenstraße, Gumpertstraße, Bäckerstraße, Schärfgasse und Rosengasse. Es wird dazu führen, das auch in den nächsten Jahren weitere Lücken verschwinden und so manche Ruine - auch wenn es weh tut.
Schön wäre es gewesen, wenn Nüßle Junior in das väterliche Geschäft gezogen wäre, aber in der Kranichstraße pulsiert das Leben, die Marktpassage ist das Tor zur Altstadt, durch das nur Wenige den Weg in die Altstadt finden.
Liebe Familie Nüßle, bleiben Sie aktiv!
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