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Do, 05:01 Uhr
26.09.2019
Kita-Qualität ist nicht kindgerecht:

Thüringen braucht 9.100 zusätzliche Fachkräfte

Zwischen 2008 und 2018 hat sich die Zahl des pädagogischen Personals in den Kitas Thüringens um fast 50 Prozent erhöht: von 10.191 auf 15.188. Im selben Zeitraum ist auch die Zahl der Kita-Kinder von 77.779 auf 93.581 gestiegen. Die Betreuungssituation in den Kitas ist allerdings noch immer nicht kindgerecht und stellt zudem eine hohe Arbeitsbelastung für die Fachkräfte dar. Das zeigen die Ergebnisse des diesjährigen Ländermonitorings Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung...

Grafik (Foto: Bertelsmann Stiftung) Grafik (Foto: Bertelsmann Stiftung)
Mit Blick auf die Personalschlüssel heißt dies konkret: Am 1. März 2018 war eine vollzeitbe-schäftigte pädagogische Fachkraft in Krippengruppen rein rechnerisch für 5,5 ganztagsbe-treute Kinder zuständig. Die Personalsituation hat sich damit gegenüber 2013 (1 zu 5,4) kaum verändert.

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In den Kindergartengruppen hingegen gab es eine leichte Verschlechterung. Verantworteten Erzieherinnen und Erzieher 2013 die Förderung von 11,2 Kindern, waren es im Jahr 2018 sogar 11,6. Für eine kindgerechte Betreuung empfiehlt die Bertelsmann Stiftung, dass in Krippengruppen maximal drei und in Kindergartengruppen 7,5 Kinder auf eine pädagogische Fachkraft kommen.

Allerdings sieht das Betreuungsverhältnis im Kita-Alltag immer ungünstiger aus, da nicht die gesamte Arbeitszeit für die Betreuung der Kinder zur Verfügung steht. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass rund ein Drittel der Arbeitszeit einer Erzieherin für Aufgaben außerhalb der pädagogischen Praxis benötigt wird: zum einen etwa für Elterngespräche, Qualitätsentwicklung oder Bildungsdokumentationen, zum anderen für Urlaub und Fortbildungen. In Krippengruppen muss dann beispielsweise in Thüringen eine Mitarbeiterin 8,2 unter dreijährige Kinder betreuen. In Kindergartengruppen ist eine Fachkraft tatsächlich für 17,3 Kinder zuständig. Längere Ausfallzeiten durch Krankheit verschlechtern die Betreuungssituation noch weiter, wenn kein Vertretungspersonal zur Verfügung steht.

Kathrin Bock-Famulla, Bildungsexpertin der Bertelsmann Stiftung, sieht die Entwicklung der frühkindlichen Bildung in Thüringen mit Sorge: „Die Personalschlüssel in Thüringen haben sich verschlechtert und sind noch lange nicht kindgerecht. Langfristig helfen angemessene Perso-nalschlüssel nicht nur dabei, Bildungschancen zu verbessern, sondern auch mehr Menschen für die Arbeit im herausfordernden Kita-Alltag zu gewinnen und die sind dringend notwendig.“

In Thüringen hängen die Bildungschancen vom Wohnort ab
Zwischen den Thüringer Kreisen und kreisfreien Städten besteht ein Qualitätsgefälle. So muss eine Fachkraft im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt (1 zu 13,0) fast drei Kindergartenkinder mehr betreuen als im Landkreis Sömmerda (1 zu 10,2). In anderen Bundesländern wie beispielsweise Sachsen ist das Gefälle deutlich geringer (1 zu 12,2 bis 1 zu 13,1), allerdings auf einem teils ungünstigeren Niveau.

Grafik (Foto: Bertelsmann Stiftung) Grafik (Foto: Bertelsmann Stiftung)
Bei den Krippengruppen ist das Gefälle geringer: Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt ist eine Fachkraft für 6,2 und in Weimar für 5,1 Kinder zuständig.
Um die Ursachen dieser unterschiedlichen Personalausstattung innerhalb von Thüringen zu verstehen, sind weitere Analysen der landesrechtlichen Regelungen zur Bemessung des Kita-Personals sowie ihrer Umsetzung erforderlich. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, ob die erzielten Ergebnisse beabsichtigte oder unbeabsichtigte Steuerungswirkungen sind. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, fordert deshalb: „Beim weiteren Aus-bau müssen kindgerechte Personalschlüssel in allen Regionen Thüringens erreicht werden.“

Jüngere Kinder bei der Betreuung mit älteren Kindern nicht benachteiligen
In Thüringen werden 41 % der unter Dreijährigen nicht in klassischen Krippengruppen, son-dern zusammen mit älteren Kindern betreut. In diesen Gruppen sind die Personalschlüssel für die jüngeren Kinder im Vergleich zu einer klassischen Krippengruppe (1 zu 5,5) noch ungünstiger. So ist beispielsweise in Krippengruppen, die auch für Dreijährige geöffnet sind, eine Fachkraft für 7,4 Kinder zuständig. In sogenannten altersübergreifenden Gruppen, in denen alle Altersgruppen vertreten sind, liegt der Personalschlüssel bei 1 zu 9,6. Dräger zu diesem Ergebnis: „Die Personalausstattung muss in jeder Betreuungsform kindgerecht sein. So darf der Besuch von Gruppen mit älteren Kindern die Bildungschancen der Jüngsten nicht verschlechtern.“

Personal hat Vorrang: Mindestens 9.100 zusätzliche Fachkräfte notwendig
Um eine kindgerechte Betreuung in den Kitas in Thüringen sicherzustellen, braucht es den neuesten Berechnungen der Bertelsmann Stiftung entsprechend fast 9.100 zusätzliche Fachkräfte. Dräger sorgt sich vor allem wegen der angespannten Situation beim Kita-Personal: „Der Fachkräftebedarf wird weiter steigen: Für mehr Plätze, eine gute Kita-Qualität und den Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder brauchen wir mehr Erzieherinnen und Erzieher. Diese können wir nur gewinnen und halten, wenn die Arbeitsbedingungen gut und attraktiv sind. Kindgerechte Personalschlüssel sind dafür eine wichtige Stellschraube.“

Um neue Fachkräfte zu gewinnen, empfiehlt Dräger zudem, dass sich die Länder auf einheitliche Verbesserungen im Ausbildungssystem für Erzieherinnen und Erzieher verständigen: „Einheitliche Ausbildungsbedingungen erhöhen auch die Chance für Fachkräfte, in jedem Bundesland in einer Kita zu arbeiten.“ Bundesweit brauche es eine kostenfreie Ausbildung, eine angemessene Ausbildungsvergütung sowie eine Renten- und Sozialversicherungspflicht für alle Ausbildungsgänge. Zudem sollten die derzeit entstehenden unterschiedlichen Wege in den Beruf – beispielsweise für Quereinsteiger – keine Absenkung des bisherigen formalen Qualifikationsniveaus nach sich ziehen. Für diese langfristigen und umfassenden Maßnahmen benötigen die Länder allerdings eine verlässliche, finanzielle Beteiligung des Bundes. Dräger fordert deshalb: „Die Bundesmittel im Gute-Kita-Gesetz angesichts des bestehenden Ausbaubedarfs nach 2022 erhöht werden.“

Zusatzinformationen
Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitorings Frühkindliche Bildungssysteme sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken. Stichtag für die Datenerhebung war der 15. März 2008 und jeweils der 1. März 2013 und 2018. Die Berechnungen für 2018 wurden von dem LG Empirische Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen durchgeführt. Die aktuellen Daten und Fakten zu den frühkindlichen Bildungssystemen finden Sie unter www.laendermonitor.de sowie in den Länderprofilen unter www.laendermonitor.de/laender-profile.

Der Personalschlüssel ist ein zentrales strukturelles Qualitätsmerkmal von Kitas. Haug-Schnabel und Bensel (2016) empfehlen für altersübergreifende Gruppen einen Personal-schlüssel von 1 zu 3,75; für Kindergartengruppen ab 2 Jahren einen von 1 zu 4,9. Nach Empfehlung der Bertelsmann Stiftung sind für eine gute Kita auch Standards für eine professionelle Leitungsausstattung, berufsbegleitende Beratung sowie Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte und eine gute Mittagsverpflegung wichtig.
Autor: red

Kommentare
Paulinchen
26.09.2019, 13.40 Uhr
Aus Anlass der laufenden Diskussion...
...im Deutschen Bundestag, passt, so denke ich, der Redebeitrag des Abgeordneten der AfD. Es stellte die Zahl der derzeitigen ALG II-Empänger (3,5 Millionen) in Deutschland, mit den Bemühungen vom Minister Spahn, der zurzeit in Mexiko, nach Arbeitskräften auf Suche ist, gegenüber.

Hier in Thüringen, fehlen 9.100 Arbeitskräfte. Wieviel ALGII-Empfänger gibt es, mit Datum vom 01.09.2019, in Thüringen? Darunter sind mit Sicherheit welche, die man mit ein wenig Mühe zu Fachkräften umschulen könnte. Und wenn dann immer noch welche fehlen sollten, dann kann man mal unter denen suchen, die die sinnlosen Umschulungen und Beschäftigungen mit den ALG II-Empfängern durchführen und dafür eine Menge Geld bekommen! Beweis dafür war gestern das Fernsehen. Hier wurde von Millionen Gewinnen des von mir genannten Personenkreises berichtet. Darüber hinaus wäre es aus meiner Sicht mal von Interesse, wieviel Schulabgänger sind in 1919 nicht in den Besitz einer Lehrstelle gekommen? Darunter sind leider, so meine Vermutung, auch welche, die nach dem Motto: "Hartz IV und der Tag gehört dir," dabei. Hier muss ein riegel vorgeschoben werden. Diese Jugendlichen müssen(!) in der Pflege unterkommen. Sie können für die Sauberkeit, die Müllsortierung, die Wäschepflege, Küchenhilfsarbeiten aller Art, Grünanlagenpflege usw. eingesetzt werden. Dadurch lernen sie mit Sicherheit etwas mehr Selbstbewusstsein, gepflegten Umgang mit Menschen und so ganz nebenbei die Bedeutung von Arbeit für das eigene Leben. Die Personen, die sich absolut nicht in der Pflege eignen, müssen in der kommunalen Grünanlagen-Waldpflege unterkommen. Wer sich jedoch vor dieser Art "Zwangsbeschäftigung" entzieht, der verwirkt den Anspruch von jeglichen Sozialleistungen.

Nur - es ist eine Schande, dass man diese Menschen von der Gesellschaft auf ewig ausschließen will. Dadurch werden es aus meiner Sicht eher noch mehr. Dann sollten wir damit aufhören, von einer Solidargemeinschaft zu reden.
Paulinchen
26.09.2019, 13.46 Uhr
Sorry,...
... es sollte nicht 1919, sondern 2019 heißen!!!
Herr Schröder
26.09.2019, 14.06 Uhr
Paulinchen
Seit einigen Jahren nun herrschen in bestimmten Berufsgruppen akuter Fachkräftemangel! Das ist doch allgemein bekannt, oder? Selbst sie wissen das. Darunter zählen Berufskraftfahrer, Pflegekräfte, Lehrer, Erzieher, Bauarbeiter, Elektriker, Kemptner (kurz Handwerker aller Art), um nur einige zu nennen. Nun wird die Zahl von 3,9 Millionen Harz IV Empfänger in den Raum geworfen. Da frage ich mich ernsthaft was diese 3,9 Millionen in den letzten Jahren so getrieben haben. Da sind einige dabei die können nicht arbeiten warum auch immer, aber ein Großteil ist dabei, die es in den letzten Jahren selbst in der Hand gehabt hätten und heute auch immer noch haben sich selbst da heraus zu ziehen. Warum wartet hier immer jeder nur das „Vater Staat“ hilft, einen an die Hand nimmt und zur Arbeit bringt. Unterhalten sie sich mal mit einem Handwerksmeister oder Speditionsleiter was die für Erfahrungen mit solchen Langzeitarbeitslosen haben. Die erzählen Ihnen Geschichten da laufen sie schreiend davon. Erst wenn Har IV leistungsorientierter ausgegeben und auch schneller gekürzt wird lockt man diese Menschen hinter dem Ofen vor.
Wie gesagt, viele können nichts für ihr Schicksal, einige aber leben gut und gern in Deutschland auf Kosten der Gesellschaft obwohl sie arbeiten gehen könnten. Das Geld vom Staat reicht halt, …!
Trüffelschokolade
26.09.2019, 15.38 Uhr
Fehlende Wertschätzung
Ich muss Paulinchen hier vehement widersprechen. Man kann nicht einfach haufenweise Leute umschulen und dann ist das Problem gegessen. Gerade in sozialen Berufen ist die fachliche Eignung von Bedeutung. Da kann man nicht einfach nen alten Handwerker oder ne Fabrikarbeiterin umschulen und gut ist.
Diese fehlende Wertschätzung der hohen Anforderungen an soziale, v.a. erzieherische Berufe, ist immer wieder schade. Auch Lehrkräfte sind noch zu oft eher Leute, die sich dachten es woanders nicht zu schaffen, und nicht wie in einigen anderen Ländern immer auch die Besten der Besten.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist anstrengend, v.a. aber erfordert sie viel Fingerspitzengefühl. Einfach selbst Eltern sein ist hier beispielsweise noch keine Qualifikation.
Kama99
26.09.2019, 15.53 Uhr
Seit 2015...
...sind über 2 Mio. Fachkräfte zu uns gekommen, ist da wirklich nichts dabei? Gerade Afrikaner sollten doch, bei den vielen eigenen Kindern, Erfahrung mit deren Erziehung besitzen.
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